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30. Juli 2019
Homeoffice: Stress oder Freiheit?

Homeoffice: Stress oder Freiheit?

Immer mehr Unternehmen öffnen sich für Homeoffice. Auch für Makler und ihre Mitarbeiter kann es eine bequeme Alternative sein, von zu Hause aus zu arbeiten. Hierfür sollten im Vorfeld einige grundlegende Fragen geklärt werden, etwa zur telefonischen Erreichbarkeit, empfiehlt die Trainerin und Autorin Christiane Wittig.

Die Arbeitswelt verändert sich und immer mehr Tätigkeiten können dank Vernetzung und technischer Entwicklung von zu Hause erledigt werden. Vor allem Selbstständige wissen die stressfreiere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben im Homeoffice zu schätzen. Angestellte wünschen sie sich oft. Die Bundesregierung denkt sogar darüber nach, den Anspruch darauf gesetzlich zu verankern. Einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von 2016 zufolge liegt Deutschland immer noch deutlich unter den Quoten anderer europäischer Länder. Die Homeoffice-Möglichkeiten werden bei Weitem nicht ausgeschöpft.

Aber nicht für jede Tätigkeit und jeden Arbeitnehmer ist diese Arbeitsform von Vorteil oder möglich. Und nicht jeder Vorgesetzte hat das Vertrauen in seine Mitarbeiter, sondern handelt eher nach dem Motto: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Dem trägt auch die neue EU-Verordnung zur Arbeitszeiterfassung Rechnung. Allerdings kann sie auch dazu führen, dass viele Unternehmen verunsichert werden oder das Arbeitsmodell des Homeoffice gar nicht anbieten.

Arbeitszeiterfassung im Homeoffice?

Aber auch wenn die Arbeitszeiterfassung nun Pflicht ist und belegt werden muss, handelt es sich dabei nicht um eine minutiöse Überwachung, sondern sie soll lediglich dafür sorgen, dass die vereinbarten Arbeitszeiten nicht über- oder unterschritten werden. Die Form der Arbeitszeiterfassung ist dabei nicht gesetzlich vorgeschrieben. Wer wann gekommen und gegangen ist, kann entweder nach wie vor schriftlich festgehalten oder mit elektronischen Systemen erfasst werden. Die vergleichsweise einfache Arbeitszeiterfassung macht es daher auch immer noch möglich, das Modell der Vertrauensarbeitszeit beizubehalten. Wichtig ist dabei die zweijährige Aufbewahrung der Dokumentation.

Wann ist Homeoffice sinnvoll?

Die Aussicht auf einen selbstbestimmten Arbeitsalltag erscheint vielen Menschen höchst erstrebenswert. Allerdings unterschätzen sie oftmals, dass es manchmal schwierig ist, sich selbst zu motivieren und den inneren Schweinehund an die Kette zu legen. Es erfordert Selbstdisziplin und braucht klare Regeln im Umgang mit Chef und Kollegen im Stammhaus, um nicht in einen Freizeitschlendrian zu verfallen oder den Ruf der Unzuverlässigkeit zu riskieren.

Man sollte sich genau überlegen, ob die Tätigkeiten und die eigene Persönlichkeit zu diesem Arbeitsmodell passen. Wenn ja, gilt es zu klären, welche Form von Homeoffice in Betracht kommt. Ist man selbstständig und ohnehin für die eigenen Tätigkeiten verantwortlich oder ist man zum Beispiel im Außendienst tätig und arbeitet ohnehin weitestgehend selbstständig von unterwegs oder zu Hause? Dann reicht vielleicht einmal pro Woche ein Bürotag im Stammhaus. Oder hat man seinen Arbeitsplatz im Unternehmen und will Fahr- und Wegezeiten reduzieren und deshalb wenigstens zwei Tage pro Woche zu Hause arbeiten? Oder macht man es nur bei Bedarf?

Ein eigenes Arbeitszimmer?

Braucht man keinen repräsentativen Büroraum mit Kaffeeküche und separatem Besprechungsraum, kann ein Büro im Haus oder der Wohnung durchaus genügen. Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer dort seinen Arbeitsplatz nach eigenen Bedürfnissen und Möglichkeiten gestalten, aber der Arbeitgeber ist verpflichtet, für alle relevanten Auflagen bezüglich des Arbeitsschutzgesetzes und der Bildschirmarbeitsverordnung Sorge zu tragen.

Sicher kann man mit einem Schreibtisch und Laptop im Schlafzimmer zur Not vorübergehend arbeitsfähig sein, aber als Dauerlösung ist das nicht geeignet – man will ja auch mal Unterlagen liegen lassen und nicht immer sofort alles wegräumen müssen. Wobei es auch auf die familiäre Situation ankommt. Ein Single kann eher den Teil eines Raumes als Arbeitsbereich nutzen als eine berufstätige Mutter das Wohnzimmer, wenn die Kinder mittags aus der Schule kommen. Und ein Nachtmensch, der erst abends ab 20 Uhr kreativ wird, möchte seine/n Partner/-in sicher ungern durch die Arbeit am Computer abends beim Fernsehen oder Lesen stören. Es ist also idealerweise ein eigenes Arbeitszimmer erforderlich, um ungestört arbeiten zu können, mit verschließbaren Schränken für vertrauliche Unterlagen, um auch dem Datenschutz gerecht zu werden.

Welches technische Equipment?

Ein weiteres Augenmerk sollte man auf die technische und elektronische Ausstattung des Arbeitsplatzes richten. Reicht die Internetgeschwindigkeit für die Tätigkeiten aus? Benötigt man einen neuen Laptop oder Computer? Wie sind die Lichtverhältnisse? Entspricht die Einrichtung den ergonomischen Anforderungen? Welche notwendige Ausstattung das Unternehmen zur Verfügung stellt, ist entweder bereits definiert oder sollte in einem Vertrag oder einer Vereinbarung festgelegt werden.

Die Unternehmenssicht

Vor allem für Unternehmen, deren Mitarbeiter oft unterwegs sind, können Homeoffice-Arbeitsplätze eine Raum- und Kostenersparnis darstellen, wenn Büroflächen und Schreibtische nicht ständig leer stehen, sondern von denen genutzt werden, die gerade im Büro sind. Hier bietet sich Desk-Sharing an.

Zielerreichung als Prämisse

Immer noch haben viele Arbeitgeber die Befürchtung, die Kontrolle über die Belegschaft zu verlieren, wenn die Mitarbeiter nicht vor Ort sind. Klare Zielvorgaben und regelmäßige Fortschrittskontrollen erlauben aber größtmögliche Transparenz für beide Seiten. Idealerweise werden sie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich festgelegt, zum Beispiel durch das Vereinbaren einer Vertrauensarbeitszeit. Das bedeutet: Die Mitarbeiter müssen die vereinbarte Arbeitszeit erbringen, es erfolgt aber keine Kontrolle ihrer Zeiteinteilung, denn die direkte Kontrolle der Mitarbeiter durch die Führungskräfte ist nicht mehr möglich. Diese Vorgehensweise erfordert Vertrauen von beiden Seiten, wobei die Vorgabe lauten sollte: Priorität hat das zeitgerechte Erledigen der anfallenden Aufgaben und das zufriedenstellende Ergebnis. Zielerreichung statt Zeitmessung sollte die Prämisse sein.

Erreichbarkeit im Homeoffice

Um die Erreichbarkeit im Homeoffice zu gewährleisten, hat es sich bewährt, geregelte Zeiten festzulegen. Diese können sich unter Umständen von den üblichen Zeiten im Büro unterscheiden und es lassen sich für spezifische Projekte gesonderte Vereinbarungen treffen. Wichtig ist nur, dass sie für alle passen und kommuniziert werden. Sollten sich Unternehmen und Mitarbeiter noch nicht sicher sein, ob das Arbeiten im Homeoffice gewinnbringend für beide Seiten gestaltet werden kann, ist vielleicht eine Probezeit zum Testen von Abläufen und der Kommunikation sinnvoll.

Zur Autorin

Christiane Wittig, die „Entschleunigerin“, ist Trainerin und Coach sowie Expertin für Persönlichkeitsentwicklung mit Schwerpunkt Selbstmanagement und Gesundheitsprävention. Daneben hat Christiane Wittig einige Bücher veröffentlicht, darunter „Effektiv arbeiten im Homeoffice“.

Bild oben: ©Photographee.eu – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Christiane Wittig