AssCompact suche
Home
Investment
13. Oktober 2022
Kapitalmärkte: Die Deglobalisierung wird kommen

2 / 3

Kapitalmärkte: Die Deglobalisierung wird kommen

Die hohe Inflation ist doch aber hauptsächlich angebotsseitig begründet, oder? Stichworte: Energieknappheit und abgerissene Lieferketten.

Da sind wir bei Flossbach von Storch ganz anderer Meinung. Der Auslöser der Inflation ist unserer Ansicht nach ganz klar die Ausweitung der Geldmenge. Ohne Geldmengenausweitung geht nichts in puncto Inflation. Und insbesondere die Maßnahmen der Zentralbanken gegen die Corona-Pandemie haben noch einmal zu einer gigantischen Steigerung der Geldmenge geführt. Die Lieferkettenproblematik und die Angebots-Nachfrage-Situation, die nicht nur bei der Energie in Schieflage ist, waren da natürlich noch weitere Faktoren.

Wie geht es Ihrer Ansicht nach weiter?

Wir werden jetzt in großem Maße Zweitrunden­effekte sehen. In den USA haben wir schon seit einigen Quartalen Arbeitskosten, die um 7% p. a. wachsen. Auch in Europa wird es nicht mehr um 1, 2 oder 3% in den Lohnverhandlungen gehen. Da stehen andere Werte vor der Tür. Und dann folgt das, was wir als 3D-Inflation bezeichnen. Das sind die strukturellen Preisanstiege durch die Faktoren Dekarbonisierung, Deglobalisierung und Demografie. Die Faktoren sind nahezu selbsterklärend. Wir wollen unseren Energieverbrauch reduzieren, damit die Welt ein angenehmer Ort bleiben kann. Wir möchten unsere Abhängigkeiten verringern und – populistisch ausgedrückt – weniger vom Chinesen oder Russen kaufen. Das belastet aber die zuvor angesprochenen Skaleneffekte der Globalisierung. Und nicht zuletzt fehlen aufgrund des demografischen Wandels links und rechts Fachkräfte. Das bedeutet höhere Kosten – insbesondere für Europa, wenngleich die Japaner und die Chinesen ähnliche Probleme haben. Übrigens trifft auch die Dekarbonisierung Europa härter als andere Weltgegenden. Die Amerikaner scheren sich nämlich relativ wenig um CO2-Zertifikate. Die USA haben auch kein Problem mit der Demografie und durch den aufwertenden Dollar importieren sie Deflation. In Europa das Gegenteil. Deshalb wird die EZB auch nicht durchgreifen können. Es gibt hier andere Themen, die die Relevanz der Geldwertstabilität massiv überlagern.

Meinen Sie damit das wirtschaftliche Nord-Süd-Gefälle innerhalb des Euroraums?

Unter anderem. Wenn wir uns anschauen, was Christine Lagarde als ihren Aufgabenbereich definiert hat, bekommt man das Gefühl, ESG und Gender Diversity wären relevanter als das Thema Geldwertstabilität. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das sind politisch relevante und wichtige Punkte. Im Aufgabenfeld einer Notenbank haben sie meiner Meinung nach aber nichts zu suchen. Mit dieser Meinung stehe ich wahrscheinlich aber ziemlich alleine da.

Wie ernstzunehmend ist die Gefahr einer Deglobalisierung aber überhaupt angesichts immer weiter kletternder Handelsvolumen – auch zwischen den USA und der Volksrepublik China?

Berechtigte Anmerkung. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass die Deglobalisierung kommen wird. Der Wettbewerb zwischen den USA und China um die Rolle als Führungsmacht der Welt wird sich noch weiter verschärfen. Die Unternehmen haben dagegen überhaupt keine Lust auf Deglobalisierung. Sie streben danach, ihre Gewinne zu maximieren, und da sind Skaleneffekte genau das, was sie haben wollen. Aber die Unternehmen sehen sich auch mit politischen Fakten konfrontiert. Es geht nicht allein darum, ob sie Güter nach Russland liefern wollen oder nicht, sondern auch darum, ob das politisch oder gesellschaftlich akzeptiert würde. Die Politik und auch die Medien werden den Unternehmen immer mehr Bürden auferlegen.

Seite 1 Kapitalmärkte: Die Deglobalisierung wird kommen

Seite 2 Die hohe Inflation ist doch aber hauptsächlich angebotsseitig begründet, oder? Stichworte: Energieknappheit und abgerissene Lieferketten.

Seite 3 Was für eine Welt erwartet uns geostrategisch in den kommenden Jahren?

 
Ein Interview mit
Philipp Vorndran