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23. März 2020
Kein Begleithund für einen beeinträchtigen Buben

Kein Begleithund für einen beeinträchtigen Buben

Ein beeinträchtigter Grundschüler, der einen Begleithund für sein soziales und schulisches Leben benötigt, bekommt das Tier nicht von der Krankenkasse finanziert. Die Pflegeeltern des Kindes einer alkoholkranken Mutter müssen selbst für die Kosten in fünfstelliger Höhe aufkommen, entschied das LSG Celle.

Wenn die gesetzliche Krankenkasse für die Anschaffung eines Blindenhundes aufkommt, gilt dies als Selbstverständlichkeit. Doch wie sieht es mit der Anschaffung eines Haustieres aus, wenn es um andere Beeinträchtigungen im Lebensalltag geht? Darüber musste das Landessozialgericht (LSG) in einem aktuellen Fall urteilen.

Alkoholkranke Mutter

Konkret ging es um einen Grundschüler, der an einem fetalen Alkoholsyndrom leidet. Dies rührt daher, dass seine alkoholkranke Mutter während ihrer Schwangerschaft erhebliche Mengen Alkohol getrunken hat und medizinische Hilfsangebote von Außenstehenden ablehnte. Nach der Geburt wurde der Sohn in staatliche Obhut überführt und an Pflegeeltern vermittelt.

Fetales Alkoholsyndrom und Entwicklungsstörungen

Aufgrund des übermäßigen Alkoholkonsums während der Schwangerschaft kam es bei dem Jungen zum fetalen Alkoholsyndrom und zu Entwicklungsstörungen. Diese äußern sich unter anderem darin, dass er zappelig ist und zum Redeschwall neigt. In der Schule benötigt er die Unterstützung einer Integrationshelferin, die ihn schon seit dem Kindergarten begleitet.

Kinderärztin verordnet Begleithund

Um seinen Zustand zu bessern, verordnete seine behandelnde Kinderärztin ihm einen Behindertenbegleithund. Dies begründete sie damit, dass Begleithunde Kindern mit einem fetalen Alkoholsyndrom helfen können, Unruhezustände leichter zu überwinden. Ein Begleithund könne Geborgenheit spenden und auch den Kontakt zu anderen Kindern fördern.

Krankenkasse lehnt Kostenübernahme ab

Die gesetzliche Krankenkasse des Jungen lehnte jedoch die Übernahme der Kosten für einen Begleithund ab. Die Krankenkasse gab an, dass die Anschaffung eines Haustieres nicht in ihren Aufgabenbereich falle. Daraufhin kauften die Pflegeeltern des Jungen einen Golden Retriever und begehrten dessen Ausbildung zum Begleithund. Für eine derartige Ausbildung können jedoch bis zu 30.000 Euro anfallen. Die Krankenkasse lehnte die Forderung der Pflegeeltern ab. Daraufhin erhoben diese stellvertretend für ihr Pflegekind Klage gegen die Krankenkasse.

Prozessverlauf

Das Sozialgericht Stade war erstinstanzlich zu der Entscheidung gelangt, dass die Krankenkasse die Kosten für die Ausbildung des Begleithundes zu übernehmen habe. Dies begründete das Gericht damit, dass dem Jungen somit der Kontakt mit Gleichaltrigen und der Schulbesuch ermöglicht werde. Außerdem verbessere der Begleithund auch die Fähigkeiten des Jungen zu sehen, zu gehen und zu hören. Gerade wenn die Gegenwart des Hundes dazu führt, dass er sich sicherer im Straßenverkehr bewegt und nicht mehr einfach wegläuft, sei dieses Hilfsmittel notwendig und müsse übernommen werden.

Begleithund ist kein Hilfsmittel des Behinderungsausgleichs

Das LSG Celle sah dies jedoch anders. Im durch die Krankenkasse angestrebten Berufungsverfahren urteilte das LSG, dass es sich bei einem Begleit- oder Assistenzhund nicht um ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung handele. Bei einem Hilfsmittel des Behinderungsausgleichs gehe es vornehmlich darum, Funktionsverluste des Hilfsbedürftigen auszugleichen. Das spiele bei dem Begleithund jedoch nur eine nachrangige Rolle. Es sei zwar tatsächlich so, dass der Hund eine positive Wirkung auf den Jungen habe. Jedoch sei die förderliche Wirkung allein kein ausreichendes Argument, um die Kostenübernahme durch die Krankenversicherung zu rechtfertigen. Der Beistand eines Haustieres erschließe kein Grundbedürfnis, weshalb es sich nicht um ein Hilfsmittel im Sinne von § 33 SGB V handeln könne. (tku)

LSG Celle, Urteil vom 18.02.2020, Az.: L 16 KR 253/18;

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