Die Entscheidung der EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness auf dem Eurofi Highlevel Seminar in Stockholm am letzten Donnerstag, 28.04.2023, kam etwas überraschend. Erst am Vortag wurde die Entscheidung über ein EU-weites Provisionsverbot in der Finanzberatung auf den 24. Mai verschoben, doch dann stand bereits am Donnerstag fest: Das Provisionsverbot ist vorerst vom Tisch.
Neben dem Bundesverband Finanzdienstleistung AfW, dem Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) und dem Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) gab es nach der Entscheidung noch einige weitere Stimmen aus der Branche.
Finanzwende mit starker Kritik
Es dürfte wenig überraschend sein, dass sich vonseiten des Verbraucherschutzes die Akzeptanz der Entscheidung in Grenzen hält. Für Britta Langenberg, Verbraucherschutzexpertin der Bürgerbewegung Finanzwende, ist die EU-Kommission „als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet. Schon vor der Vorstellung ihrer Pläne knickt sie vor der Finanzlobby ein“, so Langenberg.
Für Kunden im Finanzbereich bedeute dies, dass weiter vor allem verkauft und nicht beraten werde. Provisionen und Interessenkonflikte blieben Alltag, was für Verbraucher eine bittere Botschaft sei. Ihnen würden weiter viel zu teure und ineffiziente Produkte verkauft, die die Altersvorsorge schmälern würden.
McGuinness verteidigt Entscheidung
Im Nachgang verteidigte McGuinness ihre Entscheidung im Interview mit dem Handelsblatt. Auch wenn viele enttäuscht seien, dass es kein Verbot gibt, seien viele Verbraucherschützer zufrieden mit der Richtung, die sie einschlage. Denn ändern müsse sich nach wie vor etwas, der Status quo funktioniere nicht. Doch dass man eine so tief verwurzelte Praxis wie die Provisionsberatung sofort verbieten könne, daran habe sie nie geglaubt. Daher sei der Verzicht auf das Verbot zusammen mit der nun monatelangen Diskussion eine „pragmatische Lösung“, die aber Fortschritt gebracht habe. Denn ihrer Ansicht nach akzeptiere die Branche nun, dass es Veränderungen geben werde.
Von politischer Seite äußerte sich auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der sich erleichtert über die Entscheidung zeigt, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten. Gerade Kunden mit niedrigerem Einkommen hätte es ein Provisionsverbot schwerer gemacht, kostengünstig und niedrigschwellig eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Es sei gut, dass Kunden weiterhin die Freiheit haben zu wählen.
Jenssen kommentiert den Verzicht
Auch Branchenexperte Dr. Hans-Georg Jenssen äußerte sich in dem sozialen Netzwerk LinkedIn. „Die Entscheidung der Kommission zeigt deutlich: Einigkeit macht stark. Gerade weil die unterschiedlichen Vermittlerverbände an einem Strang gezogen haben, wurde deutlich, dass hier sich nicht nur ein bestimmter Vermittlertyp mit einem bestimmten Geschäftsmodell gewehrt hat, sondern der gesamte Markt. Gratulation!“
Es sei allerdings klar, so Jenssen, dass nunmehr an anderen Maßnahmen gearbeitet werde, um mehr Transparenz in diesem Bereich zu erhalten, was die „alte Diskussion“ nach einer Offenlegung der Vergütung erneut befeuern werde.
VOTUM Verband sieht „keinen Missstand“
Der VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa hat auf Anfrage von AssCompact ebenfalls auf die Entscheidung der EU-Finanzkommissarin reagiert. Der Geschäftsführende Vorstand des VOTUM Verbands, Martin Klein, erwartet bei der weiteren Diskussion um Regulierungen auch von der EU-Kommission Transparenz. Die von der Kommission zur Begründung eines möglichen Provisionsverbots herangezogene Kantar-Studie sei ein beredtes Beispiel dafür, dass gesetzgeberische Maßnahmen nicht auf einseitige und fehlerhafte Markterhebungen gestützt werden dürften, so Klein.
Auch kritisiert Klein, dass bei einigen Gesetzgebungsverfahren, in denen die EU-Kommission die Regulierung an sich gezogen hat, zu beobachten sei, dass der Praxisbezug bei den Vorhaben zu wenig Berücksichtigung finde. So sei beispielsweise die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage beim Kunden in einer derart komplexen Form gestaltet worden, dass selbst die Aufsichtsbehörden bereits Nachbesserungen erwarten würden.
Im Bereich der Beratung zu Finanzdienstleistungen sehe Klein derzeit „keinen Missstand, der ein solch weitreichendes Verbot rechtfertigen würde“. Daher sei er guter Hoffnung, dass man dem Verbraucher weiterhin das bestmögliche Ergebnis anbieten könne, und dazu gehöre für ihn weiterhin die Wahlfreiheit zwischen den Vergütungssystemen. (mki)
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