AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
28. Juli 2025
Keine automatische Mithaftung bei Überfahren von gelber Ampel
Keine automatische Mithaftung bei Überfahren von gelber Ampel

Keine automatische Mithaftung bei Überfahren von gelber Ampel

Wer bei Gelb an einer Ampel weiterfährt, haftet nicht automatisch mit. Eine Rollerfahrerin passierte ein Gelblicht und prallte gegen ein Auto. Das Gericht gab der Frau keine Mitschuld: Die volle Haftung treffe Autofahrer, Halter und dessen Versicherung.

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) hat in einem aktuellen Beschluss klargestellt, wie das Gelblicht an einer Ampel im Straßenverkehr rechtlich zu bewerten ist. Demnach verpflichtet ein Gelblicht gemäß § 37 StVO dazu, „vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen zu warten“ – allerdings nur dann, wenn das Anhalten bei mittlerem Bremsen ohne Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs möglich ist. Eine abrupte Vollbremsung ist nicht erforderlich.

Schwerer Verkehrsunfall mit Folgen für Rollerfahrerin

Auslöser des Verfahrens war ein schwerer Verkehrsunfall: Eine Rollerfahrerin kollidierte mit einem Auto, dessen Fahrer von einer untergeordneten Straße in die bevorrechtigte Bundesstraße einbog. Die Frau erlitt bei dem Zusammenstoß schwere Verletzungen. Kurz vor dem Unfall hatte sie noch eine rund 20 bis 25 Meter entfernte Fußgängerampel bei Gelblicht passiert.

Das zunächst mit dem Fall betraute Landgericht Lübeck hatte den Autofahrer, den Halter des Fahrzeugs sowie dessen Haftpflichtversicherung zur Zahlung von Schmerzensgeld und weiterem Schadensersatz verurteilt. Diese Entscheidung wurde nun vom OLG Schleswig bestätigt. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen.

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Autofahrer gegen das Vorfahrtsrecht verstoßen hatte. Ein etwaiges Mitverschulden der Rollerfahrerin wegen eines Gelblichtverstoßes verneinte das Gericht. Es sei nicht belegbar, wie lange das Gelblicht bereits angezeigt wurde, als die Frau in den Bereich der Fußgängerampel einfuhr – ebenso wenig, mit welcher Geschwindigkeit sie unterwegs war. Selbst wenn ein Gelblichtverstoß vorgelegen hätte, fehle ein rechtlich kausaler Zusammenhang zwischen dem Passieren der Ampel und dem eigentlichen Unfall an der Kreuzung.

Gelbe Ampel: noch fahren oder stehen bleiben?

Jeder kennt die Situation. Man nähert sich einer Ampel, die auf gelb umschaltet und man muss reagieren. Deshalb hier zusammengefasst die Leitsätze des Urteils:

  • Aus der besonderen Bedeutung der Vorfahrtsregelung, die dem wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer die Pflicht zu erhöhter Sorgfalt auferlegt und deren Verletzung daher besonders schwer wiegt, folgt in der Regel die Alleinhaftung des Vorfahrtverletzers.
  • Das Gelblicht einer Ampel stellt eine Allgemeinverfügung dar, die besagt, dass grundsätzlich „vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen gewartet werden soll“.
  • Bei Gelblicht muss es dem Verkehrsteilnehmer jedoch möglich sein, ohne Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs noch bis zur Haltelinie anzuhalten. Zu einer Vollbremsung ist er nicht verpflichtet. Kann dem Verkehrsteilnehmer bei Beachtung dieser Grundsätze nicht gelingen, vor der Haltelinie bei Gelb anzuhalten, darf er über die Haltelinie hinweg in den Kreuzungsbereich einfahren.
  • Es fehlt an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen einem – unterstellten – Gelblichtverstoß an einer Fußgängerbedarfsampel und der Kollision an einer > 20 m dahinter liegenden Kreuzung, weil die Fußgängerampel nur dem Schutz des querenden Fußgängerverkehres im Ampelbereich dient.
  • Ein Schmerzensgeld von 20.000 Euro ist bei einer jungen Frau, die neben mehreren Knochenbrüchen (Kiefer, Halswirbel, Schlüsselbein, Oberschenkel, Trümmerbruch des großen Zehs) mit entsprechenden Operationen und Folgeoperationen unter anderem auch bleibende Narben im Dekolleté-Bereich (15 cm) erlitten hat, angemessen und gerechtfertigt. (bh)

OLG Schleswig, Urteil vom 14.04.2025 – Az. 7 U 10/25