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2. Juni 2022
Kennen Sie das Durchschnittsalter Ihrer Belegschaft?
Thoughtful group of people

Kennen Sie das Durchschnittsalter Ihrer Belegschaft?

Demografischer Wandel und Akademisierungstrend erschweren die Fachkräftesicherung für Betriebe im Vermittlungsgeschäft. Die strategische Personalakquise und -bindung gewinnt an Bedeutung. Der Beitrag präsentiert Erfolgsfaktoren für eine proaktive Herangehensweise.

Ein Artikel von Dr. Alexander Ströhl, Redakteur AssCompact

Bei den kaufmännischen Berufen im Versicherungs- und Finanzbereich steigt die Engpassquote – also der Anteil der offenen Stellen in Engpassberufen an allen offenen Stellen – nach Angaben des Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) kontinuierlich an. Gründe sind der demografische Wandel, ein verändertes Bildungsverhalten sowie die gute Beschäftigungssituation am Arbeitsmarkt. Eine besondere Herausforderung beim Thema Fachkräftesicherung liegt für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) darin, dass sie im Wettbewerb um Fachkräfte nicht die gleiche personelle und finanzielle Ausstattung wie Großunternehmen haben.

Dabei haben KMU viele Stärken als Arbeitgeber: flache Hierarchien, abwechslungsreiche Aufgaben, eigenverantwortliches Arbeiten, eine starke Mitarbeiterorientierung und Familienfreundlichkeit. Doch zu wenige KMU punkten damit. Je frühzeitiger sich KMU also dem Thema Fachkräftesicherung und -bindung in Form einer internen Unternehmensanalyse widmen, desto besser können sie Handlungsbedarfe im Hinblick auf das Finden, das Binden sowie das Qualifizieren von Personal erkennen.

Kennen Sie eigentlich das Durchschnittsalter Ihrer Belegschaft?
Analyse der Personalstruktur

Um sicherzustellen, dass auch zukünftig das passende Personal mit entsprechendem Qualifikationsniveau beschäftigt ist, ist der Blick auf die gegenwärtige Personalsituation unerlässlich. Mittels einer Analyse der derzeitigen Altersstruktur des Personals ist ein demografisch bedingter Ersatzbedarf frühzeitig zu ermitteln. Idealerweise werden dabei die voraussichtlichen altersbedingten Austritte fortgeschrieben. Eine Ergänzung verschiedener Annahmen und Szenarien über die künftige Entwicklung – etwa hinsichtlich der allgemeinen Geschäftsentwicklung und des Unternehmensumfelds – runden die Altersstrukturanalyse ab.

Die Analyse legt offen, wo und wann kurz-, mittel- und längerfristig Personalengpässe auftreten könnten, die sich negativ auf den wirtschaftlichen Erfolg auswirken. So führt beispielsweise ein hohes Durchschnittsalter schnell zu einem Personalengpass, wenn das alters­bedingte Ausscheiden mehrerer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ansteht. Zumal altersbedingte Belegschaftsabgänge auch einen erheblichen Verlust an erfahrungsbasiertem Wissen wie das Wissen um Kundeneinstellungen und -präferenzen oder auch Kontakte zu persönlichen Netzwerken und „direkte Drähte“ zur Folge haben.

Analyse des Rekrutierungsprozesses

Ein zentraler Bestandteil der Personalarbeit ist die Rekrutierung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um den bestehenden bzw. künftigen Personalbedarf abzudecken. Daher ist es empfehlenswert, die bisherige Rekrutierungspraxis in Bezug auf Zielgruppen und Rekrutierungskanäle eingehend zu überprüfen. Insbesondere die Kontaktherstellung mit jungen potenziellen Fachkräften durch Praktikumsangebote oder Werkstudentenjobs, aber auch durch Kooperationen mit allgemeinbildenden Schulen eignet sich als Rekrutierungsstrategie. Gegenwärtig wichtige Rekrutierungskanäle sind außerdem Anzeigen in Online-Stellenbörsen wie StepStone oder indeed, Karriereseiten über Social Media, aber auch persönliche Kontakte der Beschäftigten und Mitarbeiterempfehlungen.

Analyse der Weiterbildungsmaßnahmen

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Nutzung interner Weiterbildungspotenziale. Als Teil der strategischen Personalplanung dient Weiterbildung dazu, einzelne Fachkräfte systematisch in ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen. So geht die angedachte Übernahme von Projekt- und Führungsverantwortung oder von Fachkarrieren bei einzelnen Mitarbeitern im besten Fall mit Weiterbildungsmaßnahmen einher. Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Weiterbildungsmaßnahmen im Versicherungsvertrieb können zunächst klassische Lehrveranstaltungen der Anpassung individueller Kompetenzen an sich verändernde berufliche Anforderungen dienen. Dazu zählt der Erwerb weiterer berufsspezifischer Kenntnisse in einem Spezialgebiet (betriebliche Altersvorsorge, Generationenberatung oder Gewerbekundengeschäft) oder sozialer Fertigkeiten wie der Umgang mit Konfliktsituationen. Weiter können Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung durch eine geregelte Aufstiegsfortbildung wie Fach- oder Betriebswirt für Versicherungen und Finanzen für anspruchsvolle Fach- und Führungstätigkeiten qualifiziert werden.

Beseitigung „blinder Flecken“ durch Netzwerkarbeit

Die genannten personalbezogenen Analysetools können jedoch eines nicht vermeiden: die Existenz strategischer blinder Flecken. Solche Flecken können die Wahrnehmung der Wettbewerbsrealität in der Personalakquise entscheidend verzerren mit der Folge von Fehlentscheidungen und ineffektiven Maßnahmen. Ein Erfolgsfaktor zur Beseitigung verzerrter Wahrnehmung ist das Verlassen der eigenen „Blase“, zum Beispiel durch Anbahnung einer regen Netzwerktätigkeit. Bezogen auf die Personalakquise erweitert die aktive Teilnahme an regionalen Ausbildungs- und Berufsmessen, an Stellenbörsen der Wirtschaftskammern oder auch an regionalen Firmenkontaktmessen den Such- und Entdeckungsradius des eigenen Maklerhauses erheblich.

Daneben sind in vielen Regionen Deutschlands – ausgehend von regional ansässigen Wirtschaftskammern – sowohl kurzzeitige Austauschformate wie Personalforen oder -kongresse als auch dauerhafte personalarbeitsbezogene Netzwerke und Initiativen entstanden. Dieser überbetriebliche Austausch bündelt Know-how im Personalbereich, um gegenseitig von bereits vorhandenen Erfahrungen bei anderen Unternehmen zu profitieren. Zudem ermöglicht eine branchen- und unternehmensgrößenübergreifende Zusammenarbeit eine praxisnahe Entwicklung effektiver Lösungsansätze für die personalrelevanten Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 05/2022, S. 102 f., und in unserem ePaper.

Bild: © pathdoc – stock.adobe.com

Grafik: AS, Quelle: eigene Forschungsarbeiten