Ein Artikel von Christian Sievers, Geschäftsführer der LAIC Vermögensverwaltung GmbH, KI-Tochter des Asset Managers LAIQON. Er verantwortet seit 2019 die Entwicklung und Anwendung KI-gestützter Strategien im Asset-Management sowie fünf mit KI gemanagte Fonds.
Die Diskussion um künstliche Intelligenz (KI) ist längst auch in der Finanz- und Versicherungsbranche angekommen. Viele Berater begegnen dem Thema mit großem Interesse – aber auch mit Skepsis. Zwischen medialem Hype und tatsächlicher Anwendung ist es nicht immer einfach, die Orientierung zu behalten. Fakt ist: KI ist kein Zukunftsthema mehr. Sie wird längst im Asset-Management eingesetzt – wenn auch in verschiedenen Ausprägungen und mit ganz unterschiedlichen Zielsetzungen. Auch Berater werden in den kommenden Jahren zunehmend mit KI-basierten Strategien in Berührung kommen – sei es in Gesprächen über innovative Fonds oder im Rahmen der Vermögensverwaltung für anspruchsvolle Kunden. Es lohnt sich also, das Thema differenziert zu betrachten.
Was ist KI – und was nicht?
Der Begriff „künstliche Intelligenz“ wird häufig unscharf verwendet. Nicht jede automatisierte Auswertung von Kursdaten ist bereits ein KI-System. Auch regelbasierte Ansätze wie die sogenannten Quant-Fonds oder modernere Robo-Advisor basieren meist nicht auf KI. Solche Konzepte folgen fest definierten Regeln: „Wenn A, dann B.“ Sie funktionieren in stabilen Marktphasen, stoßen aber schnell an ihre Grenzen, wenn sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen verändern.
Die heutigen KI-Ansätze – insbesondere solche, die auf Deep Learning basieren – gehen deutlich darüber hinaus. Sie testen nicht nur Hypothesen oder führen vorher festgelegte Aktivitäten aus. Sie erkennen selbstständig Muster in großen Datenmengen und passen ihre Einschätzungen kontinuierlich an neue Informationen an. Das ist wichtig, weil Unternehmen, Märkte und die Weltwirtschaft keinen physikalischen Gesetzen folgen. Was Rendite bringt und wo Risiken lauern, verändert sich ständig.
KI und Wahrscheinlichkeiten
Ein besonders innovativer Ansatz ist die Kombination von KI und Wahrscheinlichkeiten. In einem solchen Modellansatz modellieren die dazu eingesetzten neuronalen Netze nicht nur, was passieren könnte, sondern auch, wie sicher diese Vorhersage ist. Eine einfache KI gibt dagegen nur ein Kauf- oder Verkaufssignal – aber keine Aussage, wie wahrscheinlich ein Kursanstieg oder -abfall ist. Gerade diese Fähigkeit zur Quantifizierung von Unsicherheit hat sich im Portfoliomanagement schon als sehr wertvoll erwiesen.
Wo kommt KI konkret zum Einsatz?
KI kann den Investmentprozess unterstützen oder sogar vollständig steuern. Je nach Tiefe der Integration lassen sich in der Praxis drei Anwendungsformen unterscheiden. Weiter verbreitet ist der Einsatz von KI als Analysewerkzeug. Hier unterstützt die Technologie den Menschen, indem sie relevante Informationen aus umfangreichen Datenströmen filtert, zum Beispiel aus makroökonomischen Kennzahlen, Unternehmens- oder Kursdaten. Eine tiefere Integration ist die Nutzung von KI als Assistenten für bestimmte Teilprozesse, zum Beispiel für die Einzeltitelbewertung, die Asset Allocation oder das Risikomanagement. In dieser Variante bereitet die KI einzelne Handlungsempfehlungen vor, das Fondsmanagement bleibt aber weiter verantwortlich für die Zusammenstellung des Fonds.
KI als Fondsmanager
Noch selten, aber der Weg in die Zukunft, ist der Einsatz von KI als eigenständiger Fondsmanager. In echten KI-Fonds oder Mandaten steuert die KI den gesamten Anlageprozess – von der Analyse über die Titelauswahl bis zur Umschichtung. Die Ergebnisse solcher reinen KI-Fonds können sich sehen lassen: In hochliquiden Märkten wie US-Large-Caps erzielen KI-Strategien bereits längerfristige Outperformance gegenüber ihrer Benchmark – etwa durch frühe Reaktionen auf Marktveränderungen oder durch das Aufspüren neuer Renditetreiber im Datenuniversum.
Seite 1 KI im Asset-Management: Was Berater wissen müssen
Seite 2 Was KI gut kann ...

- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können