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19. Juli 2022
Makler und Versicherer arbeiten gemeinsam an Customer Centricity
Customer centricity concept. Arrows and wooden figure on the dark desk.

Makler und Versicherer arbeiten gemeinsam an Customer Centricity

Viele Versicherer konzentrieren ihre Strategie auf Customer Centricity. Damit kundenzentrierte und personalisierte Versicherungsangebote gemacht werden können, müssen passende Voraussetzungen geschaffen werden. Entscheidend sind dabei vor allem Makler und Vermittler als direkte Schnittstelle zum Kunden.

Ein Artikel von Claudia Fell, Head of Strategie- und Managementberatung bei KPMG Deutschland im Bereich Financial Services

Transparenz, Individualität, Accessibility – die Ansprüche moderner Kunden haben sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. „Digital first“-­Unternehmen tragen mit unkomplizierten Informationsbeschaffungs- und Bestellmethoden maßgeblich dazu bei: Hybride Kunden, die sich zwischen analogen und digitalen Touchpoints bewegen, verlangen maß­geschneiderte Dienstleistungen und Produkte, durchgängige Verfügbarkeit und reibungslose sowie vernetzte Customer Journeys. Darüber hinaus wollen sie sich nicht mit komplexen Details auseinandersetzen.

Eine schnelle, einfache und transparente Problemlösung und Beratung sind für potenzielle Mandanten von höchster Bedeutung. Um am Markt weiterhin relevant zu bleiben, müssen Makler und Vermittler diese Bedarfe bedienen. Um dies vollumfänglich zu ermöglichen, haben Versicherer in den letzten Jahren viel in Customer Centricity investiert, aber nicht alle sind schon am Ziel angelangt.

Umdenken und Umsteuern erforderlich

Customer Centricity erfordert ein Umdenken und Umsteuern in der gesamten Unternehmung: von der Produktentwicklung über Marketing und Kommunikation, Vertrieb und Vermittlerbetreuung bis hin zum Kundenservice und der Schadenbearbeitung. Der Kunde soll jederzeit im Mittelpunkt stehen, seine individuellen Bedürfnisse erkannt und bedient werden und die Ansprache entsprechend seiner Präferenzen erfolgen. Ziel ist es, eine ganzheitliche Sicht auf die Kunden zu erlangen und ihnen über verschiedene Kanäle die passenden Lösungen in einer auf sie abgestimmten Sprache anzubieten. Doch um für erklärungsbedürftige Versicherungsprodukte eine gute Customer Experience zu schaffen, ist es wichtig, dass zunächst einmal die Organisationsstrukturen, die Mentalität der Belegschaft sowie die Technologie im Hintergrund ineinandergreifen.

Um den Wandel vom stark abteilungsgeprägten Silo-Denken hin zur End-to-End-Sicht auf den Kunden einzuleiten, organisieren zahlreiche Versicherer einzelne Teams und teilweise sogar das gesamte Unternehmen nach agilen Prinzipien. Fachkräfte aus unterschiedlichen Linienfunktionen arbeiten projekt- oder themenbezogen zusammen. Dank ihrer verschiedenen Kompetenzen und Fähigkeiten sollen diese Mitarbeitenden die Erwartungen entlang der gesamten Customer Journey vorwegnehmen. Agile Zusammenarbeitsmodelle unterstützen dabei nicht nur durch ihre Interdisziplinarität und Ergebnisorientierung bei der Verankerung von Kundenfokus in der Organisation, sondern über angepasste Steuerungsmodelle wird auch das Mindset der Mitarbeitenden auf Kundenzentrierung ausgerichtet.

Was wünscht sich der Kunde?

Anders als in klassischen Unternehmensstrukturen treffen bei agilen Arbeitsweisen die Mitarbeitenden Entscheidungen und nicht die Führungsebene. Gefragt ist folglich eine Belegschaft, die an jeder Stelle in der Customer Journey die Verantwortung für ein ausgezeichnetes Kundenerlebnis übernimmt. Im Idealfall möchte jeder Mitarbeitende wirklich herausfinden, was sich der Kunde konkret wünscht, und hat die Befugnis sowie den Mut, schnell auf Rückmeldungen zu reagieren und Prozesse oder Kommunikationsstil entsprechend anzupassen. Hierfür braucht es auch Führungskräfte, die von einer Kontroll- und Entscheidungsinstanz zum Orchestrierer und Enabler ihrer Teams werden, damit diese selbst die relevanten Entscheidungen treffen können.

Um diese Veränderung voranzutreiben, spielen Technologie und Daten eine immense Rolle. Um allen beteiligten Mitarbeitenden entlang der Customer Journey bestenfalls in Echtzeit Kundenwünsche transparent zu machen, müssen Kundendaten erhoben, analysiert sowie die Erkenntnisse aus der Analyse nutzbar aufbereitet werden. Nur so lassen sich das Kundenerlebnis und die angebotenen Produkte und Services systematisch verbessern. Auch sind flexible Systeme die Voraussetzung für ein modulares Produktangebot, das eine Abbildung der konkreten Kundenbedürfnisse im individuell für den Kunden konfigurierten Produkt ermöglicht.

Makler gestalten Customer Journey ihrer Kunden

Damit auch Vermittler und Makler in die Lage versetzt werden, den steigenden Kundenansprüchen gerecht zu werden, muss die Schnittstelle zwischen Maklern und Versicherern kundenzentrisch gestaltet werden. Hierbei sind drei Punkte wesentlich: schnelle Schnittstellenkommunikation, strukturiertes Datenmanagement und Handlungsspielraum, den Versicherer den Maklern einräumen. Denn: Die Makler gestalten die Customer Journey ihrer Kunden.

Versicherer müssen also nicht nur modulare Produkte und Services, sondern auch moderne Por­tale anbieten, die neben einem intuitiven Tarifrechner auch eine 360-­Grad-Sicht auf Kundeninter­aktionen und -daten sowie reibungslose Prozesse und unmittel­bare Kontaktwege ermöglichen.

Am Beginn dieser Kundenreise steht die individuelle Bedarfsermittlung durch den Makler. Mithilfe einer Vergleichssoftware kann er diese im Gewerbegeschäft durch individuelle Konfigurationen bedienen, bei Privatkunden durch modulare Policen. Auch hier kommt es auf den Versicherer an: Aktives, kurzfristiges Management der eigenen Produkte hinsichtlich Bedingungen und Preis auf Basis von Wettbewerbsbeobachtungen sichern Top-Platzierungen in der Vergleicher-Software und ermöglichen es Maklern, präferierte Versicherer trotz Bewegungen der Wettbewerber im Portfolio zu halten und Kunden attraktive Angebote zu machen. Versicherer, die Datenanalysen fahren können, die in Echtzeit Rückschlüsse auf die „next best action“ oder das „next best product“ für den aktuellen Kunden zulassen und dies dem Makler zur Verfügung stellen, ermöglichen dem Makler ein kundenindividuelles Verhalten am Point of Sale und unterstützen ein positives Kundenerlebnis.

360-Grad-Sicht auf den Kunden

Eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden, die es dem Makler ermöglicht, jederzeit über Interaktionen des Kunden mit der Versicherung – sei es ein Schadenfall oder eine Rückfrage zu einer Standmittelung – informiert zu sein, klingt selbstverständlich, ist es aber heute noch nicht. Daher sind auch hier die Versicherer gefragt, in Datenverfügbarkeit zu investieren, um den kundenzentrischen Auftritt des Maklers zu unterstützen. Natürlich ist aber auch der Makler gefragt, seine Ansprache an die Präferenzen des Kunden, die er selbst erfragen oder herausfinden muss, anzupassen. So gibt es Kunden, die einer Kontaktaufnahme über WhatsApp offen gegenüberstehen, und andere, für die bereits eine E-Mail vom Vermittler zu formlos wäre. Die Ansprache einzelner Kunden entsprechend zu personalisieren, ist Aufgabe des Maklers, der die Information auch an den Versicherer weitergeben sollte, um ein durchgängiges und konsistentes Erlebnis für seinen Kunden zu generieren.

Die Leitplanken für die Datennutzung werden hierbei durch regulatorische Anforderungen sowie die Datenschutzgrundverordnung vorgegeben. Versicherer und Vermittler sollten diesen Rahmen, soweit es geht, ausnutzen, um das Kundenverständnis zu verbessern und die Kommunikation zu beschleunigen. Darüber hinaus müssen die Versicherer den Maklern Handlungsspielraum einräumen, um dem Kundenbedarf nach Individualisierung nachkommen zu können. Dies schließt nicht nur Rabattkompetenzen ein, sondern auch die Produktkonfiguration sowie die eben erwähnten Kommunikationswege und -mittel. Um ihren Kunden personalisierte Produkte und Services sowie individualisierte Touchpoint-Interaktion zu bieten, müssen Versicherer und Makler Hand in Hand an Customer Centricity und Kundenzufriedenheit arbeiten. Nur so werden sie im Wettbewerb um den hybriden Kunden bestehen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 07/2022, S. 96 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Vitalii Vodolazskyi – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Claudia Fell