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Steuern & Recht
10. Oktober 2019
Mieterhöhung: BGH präzisiert Härtefallabwägung

Mieterhöhung: BGH präzisiert Härtefallabwägung

In einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) präzisiert das Gericht neben der Entscheidung zum Einzelfall auch die Voraussetzungen, unter denen der Härteeinwand eines Mieters ausgeschlossen ist, weil die Modernisierung aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung des Vermieters nötig wird.

Eine Mieterhöhung ist für den Mieter immer ärgerlich. Doch wenn die finanzielle Lage ohnehin schon angespannt ist, kann sie unter Umständen bedrohlich für die gesamte Lebenssituation werden. Was aber ist, wenn die Wohnung des Mieters unangemessen groß ist und bauliche Veränderungen die Mieterhöhung rechtfertigen? Darüber musste der BGH in seinem Urteil vom 09.10.2019 befinden.

Seit 1962 in Wohnung

Im konkreten Fall ging es um einen Mieter, der in einer knapp 86 m² großen Wohnung in Berlin lebt. Es handelt sich dabei um ein Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1929. Der Mieter lebt bereits seit 1962 in dem Gebäude und führt einen Mietvertrag fort, den noch seine Eltern abgeschlossen haben. Da der Mieter momentan Arbeitslosengeld II bezieht, gestaltet sich seine finanzielle Lage eher angespannt.

Mieterhöhung ist finanzielle Härte

2016 kündigte seine Vermieterin an, dass die Miete aufgrund von Modernisierungsarbeiten ab Anfang 2017 um 240 Euro steigen wird. Die besagten Modernisierungsarbeiten umfassten Dämmungsarbeiten, eine Erneuerung der Balkone und die Wiederinbetriebnahme des Aufzugs. Der Mieter wandte ein, dass die Mieterhöhung für ihn eine unzumutbare finanzielle Härte darstellt, und klagte auf Feststellung, dass er die Mieterhöhung nicht entrichten müsse.

Prozessverlauf

Vor dem Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hatte die Feststellungsklage keinen Erfolg. Das Gericht entband ihn nur anteilig von der Mieterhöhung, die durch die Inbetriebnahme des Fahrstuhls begründet waren.

Das Landgericht Berlin änderte das Urteil ab und stellte fest, dass der Kläger die Mieterhöhung für die Dämmung der obersten Geschossdecke hinnehmen müsse. Daraus hätte sich jedoch lediglich eine Mieterhöhung von 4 Euro ergeben. Die Kosten für die Dämmung der restlichen Außenfassade, für die Erneuerung der Balkone und auch für die Erneuerung des Fahrstuhls können ihm aufgrund seines Härtefalls nicht zugemutet werden.

Schließlich zog die beklagte Vermieterin vor den BGH. Sie wandte ein, dass die Größe des Haushalts mit 86 m² für einen einzelnen ALG-II-Empfänger unverhältnismäßig sei. Schließlich gibt das Jobcenter für einen Einpersonenhaushalt 50 m² als angemessen an. Dementsprechend ließe sich der Mieter durch den Vorwand der finanziellen Härte seinen „Luxus“ von der Vermieterin finanzieren.

Richtwerte des Jobcenters bedeutungslos

Der BGH folgte diesem Argument jedoch nicht. Derartige Richtwerte dienten dazu sicherzustellen, dass staatliche Transferleistungen nicht ausgenutzt würden. Grundsätzlich sei die Größe der Wohnung zwar ein Faktor, der in die Abwägung einbezogen werden müsse, aber die Angaben des Jobcenters seien dafür nicht maßgeblich.

Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger seit ungefähr 55 Jahren in der Wohnung lebe und hier seinen Lebensmittelpunkt habe. Außerdem sei dadurch auch das Argument der Vermieterin hinfällig, dass er bereits von Anfang an über seine Verhältnisse lebe.

Waren Erneuerungen unausweichlich?

Des Weiteren merkt der BGH an, dass Erneuerungen des Außenputzes nur dann trotz finanziellem Härtefall mit einer Mieterhöhung geltend gemacht werden können, wenn sie unausweichlich sind. Das ist beispielsweise der Fall, wenn es aus Sicherheitsgründen nötig ist oder eine behördliche Anordnung dies erfordert. Eine Wärmedämmung ist bei Erneuerung des Putzes zwar gesetzlich geboten, aber wann die Erneuerung des Putzes stattfindet, steht im Ermessen des Vermieters. Auch das hat das Landgericht Berlin laut Sicht des BGH nicht ausreichend berücksichtigt.

Verfahren zurückverwiesen

Unter anderem aus diesen Gründen hat der BGH das Verfahren an das Landgericht Berlin zur erneuten Prüfung zurückverwiesen. Der besagte Einzelfall ist folglich immer noch nicht entschieden, aber die Rahmenbedingungen für Härtefallregelungen sind deutlich klarer formuliert. (tku)

BGH, Urteil vom 09.10.2019, Az.: VIII ZR 21/19

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