Wie bindend ist ein Mietspiegel? Die Bundesregierung ist aktuell dabei, das Mietspiegelrecht zu überarbeiten. Wenn es beim vorliegenden Gesetzesentwurf (AssCompact berichtete) bleibt, kann eine Mieterhöhung zukünftig entweder mit einem qualifizierten Mietspiegel oder anhand eines Sachverständigengutachtens begründet werden. Doch was ist, wenn beides vorliegt, jedoch nicht übereinstimmt? Wie mit so einem Fall umzugehen ist, musste schließlich der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.
Vermieterin will mehr Geld
Eine Vermieterin hatte 2017 von ihrer Mieterin verlangt, einer Mieterhöhung von 423 auf 475 Euro zuzustimmen. Als Begründung der Mieterhöhung für die Dreizimmerwohnung in Berlin-Spandau, führte die Vermieterin den Mietspiegel Berlin 2017 an. Die Mieterhöhung sollte ab dem 01.10.2017 wirksam werden. Die Mieterin stimmte der Mieterhöhung jedoch nicht zu, woraufhin die Vermieterin klagte.
Mieterhöhung laut Mietspiegel unbegründet
Vor dem Amtsgericht Berlin-Spandau hatte sie damit zuerst keinen Erfolg. Das Amtsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der von der Vermieterin herangezogene Mietspiegel eine Nettokaltmietenspanne von 4,90 Euro bis 7,56 Euro pro Quadratmeter vorsieht. Da die Mieterin jedoch bereits 5,03 Euro pro Quadratmeter bezahlte, erachtete das Gericht eine Mieterhöhung nicht als gerechtfertigt.
Sachverständigengutachten kommt zu anderem Ergebnis
Vor dem Landgericht Berlin sah die Sache dann anders aus. Das Berufungsgericht holte nämlich ein Sachverständigengutachten ein und stützte sich in seiner Entscheidung nicht auf den Mietspiegel. Anhand des Gutachtens kam das Gericht zu der Überzeugung, dass die Mieterhöhung zulässig sei und urteilte, die Mieterin müsse die erhöhte Miete ab dem 01.02.2018 entrichten. Brisant war jedoch, dass die Vermieterin dem Gericht das Sachverständigengutachten angeboten hatte. Die Mieterin ging daraufhin in Revision vor dem BGH.
Nur teilweise qualifizierter Mietspiegel
Der BGH gab der Vermieterin jedoch ebenfalls Recht und bestätigte das Urteil des Landgerichts. Nach Ansicht der Bundesrichter war das Landgericht in seiner Einschätzung nicht an den Mietspiegel gebunden. Ein Berufungsgericht dürfe ein Gutachten einholen, wenn es Zweifel an der Belastbarkeit des Mietspiegels habe. Der Mietspiegel hätte im vorliegenden Fall zwar auch ausgereicht, um ein Urteil zu fällen, das Gericht sei aber diesbezüglich frei in seiner Einschätzung und dürfe ein präziseres Gutachten einem Mietspiegel vorziehen. Außerdem sei der maßgebliche Mietspiegel nicht komplett qualifiziert. Die ursprünglich herangezogene Nettokaltmietenspanne diene nur als Orientierungshilfe und gehöre nicht zum qualifizierten Teil des Mietspiegels.
Dementsprechend bleibt die Frage offen, ob ein Sachverständigengutachten auch schwerer wiegt als ein vollständig qualifizierter Mietspiegel. Im vorliegenden Fall muss die Mieterin sich jedoch mit der Mieterhöhung abfinden. (tku)
BGH, Urteil vom 18.11.2020 – VIII ZR 123/20
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