Ein Artikel von Dr. Klaus Möller, Vorstand der DEFINO Institut für Finanznorm AG und Vorsitzender des NAFin (Normenausschuss „Finanzen“) bei DIN
Die Lebensrealitäten vieler Privatkunden wandeln sich: Selbstständigkeit, freiberufliche Tätigkeiten oder Nebenerwerbe sind längst keine Ausnahme mehr. Damit verschieben sich auch die Anforderungen an eine umfassende finanzielle Beratung. Die betriebliche Sphäre – also die beruflich bedingten Risiken, Vermögenswerte und Absicherungsbedarfe – gewinnt an Bedeutung.
Auch das Umfeld von Mittelständlern ändert sich, Anforderungen werden aufgrund politischer, wirtschaftlicher und, ja, auch klimatischer Risiken immer komplexer. Das stellt Makler und Vermittler vor erhebliche Herausforderungen. Gerade die kleineren Gewerbemakler ohne ein ausgewachsenes Risk-Management, wie es die großen Maklerfirmen vorhalten, kann die Komplexität der finanziellen Bedarfe in diesen Zielgruppen überfordern.
Defizite in der Risikoanalyse bei Gewerbekunden sind weit verbreitet
Kaum ein Privatkunden-Makler, der die betriebliche Sphäre der Selbstständigen, Freiberufler und Kleinunternehmer unter seinen Kunden mit abdecken will, ist in der Lage oder hat die Mittel, die vielen spezifischen Risiken und Bedürfnisse von Gewerbekunden systematisch zu erfassen. Dies führt häufig zu einer fragmentierten Beratung, bei der wichtige Aspekte unberücksichtigt bleiben und die Kunden nicht die umfassende Unterstützung erhalten, die sie benötigen. Das Haftungsrisiko ist damit hoch.
Niemand wird leugnen können, dass derlei Defizite zu Vertrauensverlust bei den Kunden führen müssen. Denn der Blick auf die Branche zeigt im Umgang mit Gewerbekunden einen Flickenteppich aus unterschiedlichsten Analyseverfahren, mit denen jeder Makler, jede Beraterin zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen muss: Mal tritt nur eine Übersicht zu den in den Augen des Vermittlers wichtigsten Risikofeldern zutage, mal nur zu den Spezialfeldern des jeweiligen Maklers, mal gänzlich unsortiert und mal auf einzelne Themen begrenzt.
Die Folge: Wettbewerber mit anderen Absicherungsprodukten können leicht in den Bestand eindringen und den Kunden womöglich sogar abspenstig machen. Bestandssicherung sieht anders aus. Und davon mal ganz abgesehen: Wie viel Neugeschäft kann einem Makler, einer Maklerin eigentlich entgehen, wenn er oder sie sich nur auf wenige Produktfelder begrenzt?
Viele positive Begleiteffekte: Haftungsreduzierung, mehr Neugeschäft
Auf Basis dieser Gemengelage und der daraus fast naturgesetzmäßig folgenden Tatsache, dass viele Makler um das Geschäft mit gewerblichen Kunden einen großen Bogen machen, haben hochkarätige Fachleute der Finanzdienstleistungsbranche, Juristen und Finanzwissenschaftler die DIN-Norm 77235 „Finanz- und Risikoanalyse für Selbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmen“ entwickelt – von Experten für Experten. Damit ist ein blinder Fleck in der Beratung von Gewerbekunden beseitigt, positiver ausgedrückt: Gewerbemakler, Versicherer und Banken bekommen ein Werkzeug geliefert,
- mit dessen Unterstützung sie mit nie da gewesener Genauigkeit und Sicherheit den Finanz- und Absicherungsbedarf von Gewerbetreibenden ermitteln können.
- das ihr Haftungsrisiko deutlich senkt: Die strukturierte Analyse schützt Berater durch nachvollziehbare Dokumentation und reduziert das Risiko von Beratungsfehlern. Anerkannte Beratungsstandards wie Normen haben auch vor Gericht viel Gewicht.
- das Vertrauen erzeugt: Gewerbetreibende kennen aus eigener Erfahrung den Zweck von Normen nur zu gut. Ein entsprechendes Zertifikat wirkt. Darüber hinaus erleben Kunden eine ganzheitliche, verständliche und jederzeit reproduzierbare Analyse und somit anschließend eine hochwertige Beratung – dies schafft Transparenz und stärkt die Bindung.
- das den Bestand festigt: Die ganzheitliche Analyse, aber auch das gestärkte Vertrauen vermindern das Risiko von Piraterie durch Wettbewerber.
- das nicht zuletzt das Neugeschäft forciert: Neue Geschäftsfelder sorgen für Cross-Selling-Potenziale. Die Vertragsdichte pro Gewerbekunde steigt. Die DIN-Norm 77235 öffnet immer wieder aufs Neue Gelegenheiten für Marketingaktionen, um im Kundenkontakt zu bleiben – ein Auftragsbuch für die Zukunft gleichsam. Davon profitiert auch das Empfehlungsgeschäft.
Ganzheitliche, individuelle Erfassung von betrieblichen Risiken
Die DIN-Norm 77235, gemeinhin auch „Gewerbenorm“ genannt, ermöglicht die Bestandsaufnahme in fünf Analysebereichen: Haftungsrisiken, menschliche Risiken, Liquiditäts- und Währungsrisiken, Verlust oder Beschädigung von Sachwerten und rechtliche Risiken. Die einzelnen Punkte innerhalb dieser Risikofelder ordnen sich in verschiedene Prioritätsstufen (Risikobewertung). Daraus ermittelt der Makler den individuellen Finanz- und Absicherungsbedarf: Welche Risikoabdeckungen sind sofort oder schnell vorzunehmen, welche gehören in die zukünftige Finanzplanung, wo sind noch spezifische Bedürfnisse des Unternehmens zu berücksichtigen? Insgesamt umfasst die DIN-Norm 52 einzelne Finanzthemen. Wer die DIN 77235 anwendet, kann im Umgang mit seinem gewerblichen Kunden kein Risiko- oder Finanzthema mehr vergessen. Nach der Analyse erfolgen konkrete Handlungsempfehlungen.
Zertifizierte Analysesoftware für mehr Effizienz
Die Umsetzung einer solch umfassenden Analyse mit vorhandenen elektronischen Hausmitteln oder gar nur mit Stift und Papier ist nicht möglich. Deshalb hält die Branche über die Anbieter Brokerport, Finoso und Thinksurance bereits drei von DEFINO auf die Gewerbenorm zertifizierte Softwarelösungen bereit. Mit ihnen gelangen Makler zu einer erheblichen Effizienzsteigerung. Denn die in Software gegossene Normsystematik erleichtert die umfassende Bestandsaufnahme und schafft einen klaren roten Faden im Beratungsprozess.
Darüber hinaus öffnet die Anwendung der DIN-Norm 77235 auch die Tür ins Privatkundengeschäft. Gewerbetreibenden ist der Nutzen von Normen ganz selbstverständlich und aus ihrer täglichen Arbeit geläufig. Kaum etwas liegt dann näher als die Frage, ob es denn eine solche Norm auch für die Analyse der privaten Finanzen gibt. Ja, die gibt es: die DIN-Norm 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“.
Finanzdienstleister, die sich auf die DIN-Norm 77235 zertifizieren lassen wollen, können sich dazu unter defino.de/zertifizierungen/erst-zertifizierung informieren.
Lesen Sie auch: AfW sieht bei Nutzung von DIN 77230 Luft nach oben
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