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29. Januar 2024
Mithaftung, wenn Müllwagen nicht langsam genug passiert wird
Picture of a garbage truck collecting waste in a big city

Mithaftung, wenn Müllwagen nicht langsam genug passiert wird

Wenn die Müllabfuhr in einer Straße unterwegs ist, wird es eng. Für die Autofahrer gilt es, besondere Vorsicht walten zu lassen. Dies hat eine Fahrerin nach Einschätzung des BGH bei einer Kollision mit einem gerade entleerten Müllcontainer nicht ausreichend getan.

Eine Pflegedienst-Mitarbeiterin kollidierte in einem Wagen des Pflegedienstes bei der Vorbeifahrt an einem Müllabfuhrfahrzeug mit einem gerade entleerten Müllcontainer. Dieser Unfall beschäftigt seit August 2022 die Gerichte, denn der Pflegedienst machte gegen den für die Abfallwirtschaft zuständigen Zweckverband Schadensersatzansprüche nach dem Verkehrsunfall geltend. Die Klägerin wollte damit die Erstattung der Fahrzeugreparaturkosten erreichen.

Die Situation vor Ort stellte sich so dar: Die Fahrerin fuhr aus der Gegenrichtung kommend an dem Müllabfuhrfahrzeug vorbei, das mit laufendem Motor, laufender Schüttung und eingeschalteten gelben Rundumleuchten sowie Warnblinkanlage in der Straße stand. Bei der Vorbeifahrt kollidierte sie mit einem Müllcontainer, den einer der Müllwerker hinter dem Müllabfuhrfahrzeug quer über die Straße schob.

Wer haftet wie viel für den Unfall?

Der Fall landete vor dem Landgericht Hannover (Az.: 12 O 103/21), das der Klage gegen den Zweckverband unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 50 zu 50 teilweise stattgegeben hat.

Auf die Berufung des klagenden Pflegedienstes hat das Oberlandesgericht Celle (Az.: 14 U 111/22) das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und dem Müllabfuhrunternehmen unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 75 (Beklagter) zu 25 (Klägerin) zu weiterem Schadensersatz verurteilt. Es ist dabei davon ausgegangen, dass der Fahrerin des Pkw kein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung anzulasten sei.

Fahrerin muss Geschwindigkeit anpassen

Mit dieser Entscheidung wiederum war der Zweckverband nicht einverstanden und legte Revision ein. Damit hatte der BGH zu entscheiden.

Demnach steht dem Pflegedienst ein Schadenersatzanspruch aus § 7 StVG zu. Die Gefahr, die von einer gerade entleerten Mülltonne auf der Straße für andere Verkehrsteilnehmer ausgehe, sei dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs zuzurechnen, so der BGH. Der Müllwerker habe den Müllcontainer quer über die Straße geschoben, ohne auf den Verkehr zu achten.

Allerdings wirft der BGH auch der Fahrerin des Pkw ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung vor. In Kurzfassung lautet der Beschluss, dass die Fahrerin in dieser Situation die Geschwindigkeit gemäß § 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO so weit hätte drosseln müssen, dass sie ihr Fahrzeug sofort zum Stehen hätte bringen können. Konkret: Bei einem Seitenabstand von maximal 50 cm zum Müllabfuhrfahrzeug war die Ausgangsgeschwindigkeit von 13 km/h, mit der die Fahrerin am Müllfahrzeug vorbeifuhr, für einen abrupten Stopp zu hoch.

Wie sich die Haftungsquote nun tatsächlich verhält, legte der BGH nicht fest. Es ist nun an der Vorinstanz, diese neu zu berechnen. (bh)

BGH, Urteil vom 12.12.2023, Az.: VI ZR 77/23

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