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26. Oktober 2020
Nachhaltige Finanzprodukte: Mehr als nur Marketing

Nachhaltige Finanzprodukte: Mehr als nur Marketing

Nachhaltigkeit ist ein Megatrend – auch bei Finanzfragen. Auf dem Kongress Nachhaltigkeit der DKM digital.persönlich zeigten praxiserfahrene Experten am 26.10.2020 auf, welche Möglichkeiten die Gesellschaften mittlerweile in Sachen grüner Finanzprodukte anbieten – und warum und wie sie für Berater, Produktanbieter und Kunden ein gutes Geschäft sein können.

Nachhaltige Investments und Versicherungen sind ein riesiger Wachstumsmarkt. Noch führen sie aber meist ein Nischendasein. Das kann und sollte sich aber ändern. Das ist die Kernaussage des Kongress Nachhaltigkeit der DKM digital.persönlich in Kooperation mit der MehrWert GmbH. Ralf Berndt von der Stuttgarter Versicherungsgruppe verwies unter anderem auf den anstehende EU-Regulierung. Ab 2021 werden demnach ESG-Kriterien von besonderer Bedeutung – in der Kapitalanlage, in den Produkten wie aber auch in der Beratung. Obwohl der EU-Aktionsplan bereits nächstes Jahr relevant wird, kennen ihn laut einer Umfrage 95% der Berater nicht oder nur ungenau. Das bedeute eine hohe Informationsnotwendigkeit. Berater sollten sich spätestens jetzt damit auseinandersetzen.

Wachsende Bedeutung bei Lebensversicherern

Die Stuttgarter selbst bietet seit 2013 die GrüneRente an. Mit GrüneRente Index-safe zudem seit 2019 die erste grüne Indexrente. Beide sind sowohl in der bAV wie auch in der privaten Vorsorge erhältlich und machen derzeit einen Anteil am Neugeschäft von 17% aus, bis Jahresende dürften es laut Berndt sogar voraussichtlich von 20%. Der Großteil davon entfällt auf fondsgebundene Produkte. Auch bei der Allianz Lebensversicherung gewinnt Nachhaltigkeit stark an Bedeutung, wie Gabriele Recke von Leiterin des Ressorts Nachhaltigkeit der Allianz Leben, zusammen mit Neil A. Robertson, vom Asset-Liability- & Product Management Life/Health bei der ALLIANZ Deutschland AG, aufzeigte.

Grüne Renditen unabhängig von der Börse

Über „Grüne Renditen unabhängig von der Börse“ sprach Christian Lhotka in Vertretung von Uwe Mahrt für Pangea-Life. Er zeigte, was nachhaltige Investments bei der Tochter der Bayerischen konkret bedeuten – von Windparks über Solarprojekte bis hin zu Kleinwasserkraftwerken, die Anlegern Zielrenditen von 7% und mehr bieten. Mit dem Pangaea Life Fonds strebt Pangaea-Life zudem börsenunabhängige Rendite an, da viele Kunden, speziell in Deutschland, mit den üblichen Marktschwankungen schlecht umgehen können.

Einfluss auf nachhaltige Entwicklungen nutzen

Die ALH Gruppe sieht in nachhaltigen Geldanlagen ebenfalls die Zukunft. Experte Heiko Storjohann zeigte in seinem digitalen Vortrag die Schwerpunkte der Alte Leipziger – Hallesche in Sachen Nachhaltigkeit auf. Dabei spielen sechs Faktoren eine besonders wichtige Rolle: Boden, Luft und Wasser als Lebensvoraussetzungen und Umwelt/Natur, Gesundheit, soziale Kontakte als Faktoren für ein glückliches Leben. All diese Faktoren gelte es bei nachhaltigen Kapitalanlagen zu erhalten. Die ALH Gruppe stellt zudem vier der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN besonders heraus heraus: keine Armut, Gesundheit und Wohlergehen, Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum und Maßnahmen zum Klimaschutz. Auf diese Faktoren hätten Versicherer den größten Einfluss und diesen sollten sie auch nutzen.

Immenses Potenzial für Vermittler

Storjohann verwies auf das immense Potenzial für Vermittler. Zwei Drittel der Deutschen haben denmach noch nicht von der Möglichkeit einer nachhaltigen Geldanlage gehört. Sechs von zehn würden aber darin investieren, bei wohlhabenden Kunden sogar nahezu neun von zehn. Zudem würden Kunden nachhaltiger Fonds stabiler investieren. Das habe sich auch während des Corona-Crashs im Fürhjahr gezeigt. Während Anleger aus den übrigen Fonds im ersten Quartal 2020 massiv Geld abzogen, verbuchten nachhaltige Fonds sogar Mittelzuflüsse. Das stabilere Anlageverhalten der Kunden reduziere nicht nur unangenehme Gespräche, sondern habe auch einen positiven Einfluss auf die Stornoquote.

Nachhaltigkeit muss keine Rendite kosten

Der Crash vom Frühjahr hat zudem gezeigt, dass nachhaltige Fonds ihren konventionellen Pendants in Sachen Rendite in nichts nachstehen müssen. Im Gegenteil. In der Abwärtsphase entwickelten sie sich sogar etwas stabiler. Das deckt sich mit den Erkenntnissen der Finanzmarktforschungen. Auf diese verwies unter anderem Jan-Peter Schott von der PRIMA Fonds Service GmbH. Die Investmentbranche habe mittlerweile verstanden, dass Nachhaltigkeit die Risiken reduziert.

Nachhaltigkeit geht auch bei Sachversicherungen

Frederik Waller, Abteilungsleiter der Itzehoer Versicherungen und Geschäftsführer der Bessergrün GmbH, zeigte auf, dass es nicht nur bei der Kapitalanlage, sondern auch bei Sachversicherungen nachhaltige Angebote gibt – wie zum Beispiel bessergrün. In Beratung und Verkauf kämen solche Angebote gut an. Bei bessergrün verpflichtet sich jeder Versicherer 100% des Jahresbeitrags in nachhaltige Kapitalanlagen einzubringen und zugleich einen Baum in Deutschland zu pflanzen – die Umsetzung der Pflanzung übernimmt bessergrün.

Angebot oft nicht bekannt

Roland Räcker von der Concordia oeco Lebensversicherungs-AG, einem Vorreiter bei nachhaltigen Vorsorgeprodukten, berichtete über Erfahrungen aus 25 Jahren nachhaltige Altersversorgung und zeigte dabei zugleich Perspektiven für Vermittler und Kunden auf. Auch er verwies auf das Missverhältnis zwischen Kundenwunsch nach Nachhaltigkeit und dem trotz allem Wachstum verschwindend geringen Anteil, der bereits tatsächlich nachhaltige Finanzprodukte gekauft hat. Für den Experten ist es nachvollziehbar, dass viele Kunden noch immer nicht über das Angebot Bescheid wissen. Lange Zeit hätten sich schließlich auch nur wenige Gesellschaften damit beschäftigt. Und noch immer gebe es nur eine Handvoll Versicherer, die sich damit beschäftigen würden.

Zwei zentrale Herausforderungen

In einer von Gottfried Baer, Geschäftsführer der MehrWert GmbH für Finanzberatung und Vermittlung, Diskussion sahen die Experten mehrheitlich zwei Schlüssel für den Durchbruch von nachhaltigen Kapitalanlagen. „Nachhaltigkeit ist eine Frage der Einstellung. Das beinhaltet zwei zentrale Themen: Transparenz und Ansprache“, so zum Beispiel Hans-Gerd Coenen, Vorstandsvorsitzender bei der GHV VERSICHERUNG. Dem Experten zufolge ist Nachhaltigkeit mehr als ein Trend. Gerade bei den Beratern herrsche aber noch viel Skepsis. Jeder vierte Makler hat noch nie ein solches Produkt vermittelt. Als Grund für die Nichtvermittlung geben 82% davon an, weil Kunden nicht danach fragen.

Am häufigsten im Bereich der Altersvorsorge vertreten

Frederik Waller sieht darin einen Fehler. Auf den Kunden zu warten, sei generell keine gute Idee. Wenn man auf den Kunden warten würde, hätte es etwa das iPhone nie gegeben. bessergruen habe bisher um die 100 Vertriebspartner. Die große Mehrheit davon seien denn die, die sich trauen und nicht diejenigen, die darauf warten, bis der Kunde fragt.

Mangelnde Transparenz bei den Gesellschaften

Jan-Peter Schott verwies auf ähnliche Erfahrungen aus dem Investmentbereich. Auch dort bedarf es der Ansprache durch den Berater, damit die Produkt vermittelt werden. Eine glaubhafte Ansprache setzt aber auch eine Glaubwürdigkeit und damit Transparenz der Gesellschaften voraus. Laut einer Umfrage glaubt die Mehrheit der Makler, dass nachhaltige Produkte den Gesellschaften vorwiegend als Werbezugpferd und zur Imagepflege dienen. Berndt sieht darin zwar ein generelles Mistrauen der Gesellschaft gegen ökologische Aussagen von Unternehmen. Dem könne nur durch tatsächliches und transparentes Verhalten entgegengewirkt werden. 100% Transparanz ist auch für Jan-Peter Schott der Weg, der gegangen werden muss, um Glaubhaftigkeit zu erlangen.

Aufklärungsarbeit weiter dringend notwendig

Dann dürfte auch das Interesse der Berater an Weiterbildungen zum Thema Nachhaltigkeit steigen. 47% haben laut einer Umfrage noch nie an einer Nachhaltigkeitsweiterbildung teilgenommen. 39% planen das auch nicht. Ralf Berndt sieht darin eine eindeutige Bestätigung dafür, dass wie eingangs erwähnt 95% der Makler sich nicht mit der geplanten EU-Regulierung für nachhaltige Finanzen auskennen. Daneben seien auch die Renditebedenken weiterhin vorhanden, obwohl sie durch Studien längst widerlegt sind. Das bedeute viel Aufklärungsarbeit, denn die Regulierung wird nicht nur das Angebot deutlich vergrößern, sondern auch den Informationsbedarf. Um davon zu profitieren sollten sich Berater frühzeitig darauf vorbereiten.

Die DKM geht bis zum 29.10.2020. Eine Anmeldung ist jederzeit hier möglich. Bereits angemeldete Teilnehmer gelangen hier direkt auf die digitale Messeplattform.