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26. Mai 2021
Nachhaltige Multi-Asset-Portfolios erfordern keine Etragsabstriche

Nachhaltige Multi-Asset-Portfolios erfordern keine Etragsabstriche

Nachhaltigkeit steht bei Anlegern hoch im Kurs. Zugleich wird befürchtet, dass sie die Erträge verringert. Dabei lassen sich mit diversifizierten Investments Ertrags- und Nachhaltigkeitsziele erreichen – meint Jakob Tanzmeister von der Multi-Asset Solutions Gruppe von J.P. Morgan AM.

Empirische Analysen zeigen, dass es möglich ist, ohne nennenswerte Ertragseinbußen den CO2-Fußabdruck zu verringern. Denn Unternehmen, die Nachhaltigkeit ernst nehmen, weisen üblicherweise eine höhere Qualität auf, was wiederum auch ihre Erträge nachhaltiger macht. Dabei ist ein aktiver Investmentansatz verbunden mit einem mittel- bis langfristigen Zeithorizont entscheidend, um die Vorteile des nachhaltigen Investierens realisieren zu können.

Andere Herausforderungen je nach Anlageklasse

Während sich nachhaltige Investments zunächst auf Aktien fokussierten, sind nun auch auch andere „grüne“ Anlageklassen bis hin zu Multi-Asset-Investments verfügbar. Dabei gilt es jedoch, einige Hürden zu überwinden. So sind beispielsweise Daten der Emittentenqualität in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) nicht für alle Anlageklassen gleich gut verfügbar. Auch ist es ebenso sinnvoll wie herausfordernd, die Beurteilung wesentlicher Nachhaltigkeitsmerkmale anlageklassenübergreifend vergleichbar zu machen.

Anleiheninvestoren stehen vor dem Problem, dass die Sektoren mit den vermeintlich besten ESG-Ratings – nämlich Staatsanleihen – derzeit eine Rendite von nahe 0% aufweisen. Hochzinsanleihen bieten zwar weiterhin Ertragspotenzial, werden auf Indexebene aber als weniger nachhaltig angesehen. Andere Instrumente des festverzinslichen Spektrums wie etwa Verbriefungen werden von vielen ESG-Datenan­bietern erst gar nicht abgedeckt.

Nachhaltige Aktieninvestments wiederum erfordern aber umso größere Expertise in Regionen wie den Schwellenländern, wo weniger Daten verfügbar sind und vor allem die Governance-Thematik sorgfältig bewertet werden muss.

So gilt es, Nachhaltigkeit über mehrere Dimensionen hinweg zu bewerten. Dazu gehört eine detaillierte Bottom-up-Analyse, um nachhaltige ertragsgenerierende Wert­papiere identifizieren zu können. Es ist aber auch ein umfassender, anlageklassenübergreifender Nachhaltigkeitsbezugsrahmen erforderlich. Ziel ist es, ein nachhaltiges ertragsorientiertes Multi-Asset-Portfolio zu erstellen, ohne Ertragschancen außen vor zu lassen.

Nachhaltige Dividendenrendite ohne Einbußen

Für Aktionäre ist es nichts Neues, ESG-Aspekte zu berücksichtigen. Doch der Zusammenhang zwischen ESG-Faktoren und Dividendenrendite stand bisher weniger im Fokus. Unsere Analyse zeigt, dass ertragsorientierte Anleger, die Unternehmen mit hohen ESG-Scores wählen, keine Abstriche bei der Dividendenrendite machen müssen. Das gilt auch für das Dividendenwachstum. Es lässt sich vielmehr beobachten, dass die nominale Dividendenrendite und das Dividendenwachstum bei Unternehmen mit hohem ESG-Score am höchsten sind.

Ähnliches lässt sich beim CO2-­Fußabdruck beobachten: Umweltfreundlichere Unternehmen mit einem geringen CO2-Fußabdruck erzielen im Durchschnitt eine ähnlich hohe Dividendenrendite wie ihre Wettbewerber mit höheren CO2-Emissionen. Das stützt unsere These, dass Anleger, die regelmäßige Erträge anstreben, dieses Ziel mit nachhaltigen Investments verbinden und die Erträge aus nachhaltigen Quellen beziehen können.

In Schwellenländern ist die Bedeutung von Governance- und Nachhaltigkeitsaspekten bei der Bewertung von Dividendenaktien besonders hoch. Unsere Analyse zeigt, dass Anleger ein Portfolio mit einer höheren Dividendenrendite erstellen können, wenn sie in höherwertige und nachhaltigere Unternehmen im Vergleich zum breiten Index investieren.

Höhere risikobereinigte Anleiheerträge dank Nachhaltigkeit

Unser Research zeigt auch, dass ein ESG-Fokus die Risiko-Ertrag-­Eigenschaften von Anleihenport­folios verbessern kann. Wie bereits erläutert, ist das ESG-Datenangebot über das Fixed-Income-Universum hinweg uneinheitlich und für einige Segmente sehr begrenzt. Die Emittenten von Investment-Grade-Unternehmens- und Staatsanleihen sind in der Regel gut abgedeckt, aber zu Sub-Investment-Grade-Unternehmensanleihen oder Schwellenländeranleihen gibt es häufig nur wenige Daten. Darüber hinaus werden große Segmente des Anleihenmarktes wie Verbriefungen von Anbietern wie MSCI überhaupt nicht abgedeckt. Das verdeutlicht, dass es für Multi-Asset-Anbieter essenziell ist, eigenes fundamentales Nachhaltigkeitsresearch durchzuführen, um Anlegern den Zugang zum gesamten Anleihenuniversum zu ermöglichen.

Die Sorge der Anleger, dass mehr Nachhaltigkeit zwangsläufig zulasten der Renditen und Erträge geht, können unsere Analysen erneut widerlegen. Auch wenn die Indexkennzahlen den Eindruck erwecken können, manche Fixed-Income-Märkte böten nachhaltigen Anlegern nur weniger attraktive Anlagemöglichkeiten. Die breite Streuung der Daten auf Einzeltitel­ebene deutet aber auch darauf hin, dass ein aktiver Ansatz wichtig ist, um Investments zu finden, die im Hinblick auf Rendite und Nach­haltigkeit attraktiv sind.

So lässt sich wie bei Aktien auch bei Anleihen argumentieren, dass strengere ESG-Ansätze zur Auswahl qualitativ höherwertiger Unternehmen führen. Damit leisten ESG-Faktoren einen wertvollen zusätzlichen Beitrag bei der Wertpapierauswahl – und zwar für alle Anleger, nicht nur für diejenigen mit Nachhaltigkeitsfokus. Besonders spannend ist die Beobachtung, dass die Berücksichtung von ESG-Faktoren bei fallenden Märkten für Zusatzerträge sorgt. Die Analyse vergleicht die Anleihenindizes mit ESG-orientierten Portfolios. Die Ergebnisse des Backtests zeigen, dass eine ESG-­Fokussierung vor allem in Fixed-­Income-Sektoren wie High Yield oder Schwellenländern zu einer Verbesserung des Zusatzertrags, des Risiko-Ertrag-Verhältnisses und des Drawdowns führen kann.

Verbindung der Ziele Ertrag und Nachhaltigkeit ist möglich

Unsere empirische Analyse zeigt also eindrucksvoll, dass ertragsorientierte Anleger attraktive Erträge aus einer Reihe nachhaltiger Quellen erzielen können. Die Fokussierung auf Nachhaltigkeit führt tatsächlich zu qualitativ höherwertigen Portfolios mit stabileren Erträgen. Das ist insofern nachvollziehbar, weil nachhaltigere Unternehmen einerseits dazu tendieren, langfristig zu denken. Andererseits sind Unternehmensaktivitäten, die Sorge für die Umwelt und die Gesellschaft tragen, auf lange Sicht auch häufig wirtschaftlich sinnvoll. Ein aktiver Investmentansatz ist dabei der Schlüssel für nachhaltige Investitionen in die gesamte Kapitalstruktur. Auch gilt es, Nachhaltigkeit ganzheitlich zu bewerten. Nicht zuletzt ist eine mittel- bis langfristige Sichtweise von entscheidender Bedeutung, da manche Risiken erst über Jahre hinweg zu beobachten sind. So lässt sich anhand realer Markt­daten zeigen, dass das Erreichen der beiden Ziele Ertrag und Nachhaltigkeit mit einem aktiven Multi-­Asset-Ansatz möglich ist.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 05/2021, Seite 64 f., und in unserem ePaper.

© Elnur – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Jakob Tanzmeister