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17. März 2022
Nachhaltigkeit im Vermittleralltag: Was läuft gut, woran hapert es?

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Nachhaltigkeit im Vermittleralltag: Was läuft gut, woran hapert es?

Wie verkörpern Sie als Vermittler Nachhaltigkeit?

GB Mir ist wichtig, dass Mandantinnen und Mandanten erkennen, dass Nachhaltigkeit bei MehrWert ernst gemeint und nicht irgendwie Mittel zum Zweck ist. Beispielsweise veröffentlicht MehrWert im Laufe des Jahres 2022 eine Gemeinwohl-Bilanz – eine Prüfung, inwieweit das Vermittlerbüro dem gesellschaftlichen Gemeinwohl durch ökologische und soziale Aspekte dient. Zudem versuche ich durch Netzwerkarbeit Begeisterung und Motivation für das Thema „Nachhaltigkeit“ zu entfachen. Hier kann ich Kolleginnen und Kollegen inspirieren, wie Nachhaltigkeit im Vermittlerbetrieb authentisch möglich ist.

VH Ökostrom, eine klimafreundliche Mobilität, die digitale Beratung oder das Verwenden von Recyclingpapier sind inzwischen selbstverständlich. Für mich ist es wichtig, immer wieder dazuzulernen und das Wissen dann auch weitergeben zu können. So bin ich Mitgründer einer Dienstleistungsgenossenschaft, der CLIMAVIVA eG, die durch Wissensvermittlung und klimaschützende Projekte zur Energiewende beitragen möchte. Wir arbeiten dabei eng mit Menschen aus der Wissenschaft, Verbänden und anderen Genossenschaften zusammen.

Welche Produkte werden denn besonders stark nachgefragt?

GB Die stärkste Nachfrage herrscht sicherlich bei der nachhaltigen Geldanlage. Bei nachhaltigen Versicherungslösungen gilt indes, dass die meisten Kundinnen und Kunden wenig davon wissen. Gleichzeitig herrscht hier gemäß etlichen Meinungsumfragen erhebliches Potenzial. Da ist viel Aufklärungsarbeit für uns Vermittlerinnen und Vermittler zu tun, denn dabei handelt es sich um einen absoluten Wachstumsmarkt!

Wie nachhaltig sind denn Finanz- und Versicherungs­produkte überhaupt?

GB Im Bereich der grünen betrieblichen Altersvorsorge gibt es namhafte Anbieter, die mit ihren grünen Produkten überzeugen. In Kooperation mit Produktgebern haben wir sogar einige Tarife mitentwickelt. Generell gibt es bei Versicherungsprodukten jedoch noch viel Potenzial nach oben. Weniger zählt die mittlerweile übliche Praxis, bei Abschluss einer Police irgendwo einen Baum zu pflanzen. Was wirklich zählt, ist immer die Qualität der Absicherung! Wenn ein grüner Versicherer dann ein optimales Gesamtpaket zum Beispiel im Bereich „Biometrie“ bietet, dann wählen wir natürlich diesen Anbieter. Wobei zur Wahrheit gehört, dass es gerade im Sach- und Biometrie-Segment nur sehr wenige nachhaltige Produktlösungen gibt.

VH Dem kann ich mich nur anschließen, wobei ich vor allem im Kompositbereich noch interessante Entwicklungspotenziale sehe, die aktiver sozial und ökologisch wirken können.

Auch die Produktgeber präsentieren sich allesamt nachhaltig. Wie schätzen Sie denn dieses Verhalten ein?

VH Die Produktgeber sind verständlicherweise vertriebsorientiert aufgestellt und sehen das Thema überwiegend eher opportunistisch. Obwohl die Klimakrise direkte Auswirkungen auf die Schadenbilanz der Versicherer hat, wird das Thema jedoch zu sehr marketing- und vertriebstechnisch angegangen. Natürlich muss jedes Unternehmen Geld verdienen, doch ob ich nun meine Produkte „grün“ oder „blau“ nenne – schlussendlich geht es hier um eine transparente Nachhaltigkeitsstrategie und wirksame Innovationen, die bestenfalls messbar sind. Und darüber kann man dann ehrlich berichten. Das ist tatsächlich ein Lernprozess, der mit Bäumepflanzen oder Spendenaktionen noch nicht abgeschlossen ist.

GB Die Versicherer sahen sich in den letzten Jahren ja auch mit mehreren Regulatorik-Themen konfrontiert. Da ist Nachhaltigkeit eben lediglich eines von vielen Themen. Wenn die Versicherer das Thema „Nachhaltigkeit“ anpacken, dann erlebe ich überraschenderweise, dass dort viele Zusammenhänge noch gar nicht verstanden werden.

Das ist für Sie beide doch bestimmt ein Stück weit unverständlich …

VH … viele der sogenannten „nachhaltigen“ Produkte sind nicht bis zum Ende durchdacht. Viele Produktgeber meinen anscheinend, sie seien hier recht fortschrittlich und werbewirksame Aussagen würden ausreichen. Als Versicherungsmakler gehört es zu meinem Beruf, Tarife zu vergleichen. Beruflich und privat kenne ich jedoch auch die Einstellung von Menschen, die umweltfreundlichere Produkte bevorzugen und ganz anders leben als die meisten Versicherungsvorstände. Dadurch und durch meine Erfahrung mit Assekuradeuren entwickelte sich dann in den letzten Jahren die Idee, sich in die Produktentwicklung persönlich und über die Klimagenossenschaft stärker einzubringen. Der Vorteil ist, dass wir als Gemeinschaft von vielfältig spezialisierten Menschen nicht nur eher wahrgenommen werden, sondern auch hier stärker zu innovativen „dunkelgrünen“ Tarifen beitragen können als eine einzelne Person.

GB Ich schüttle häufiger mit dem Kopf. Ich bin genervt von diesen maximal hellgrünen Produkten, sodass ich mich von den Produktgebern in der Beratung tatsächlich ein Stück weit limitiert fühle. Dabei hätten wir Makler einen echten Hebel: Wenn wir uns allesamt vereinigen würden, könnten wir gegenüber den Produktgebern mehr Macht ausüben, weil wir die zum Teil hellgrünen Produkte einfach nicht mehr vermitteln würden. Ich habe auch schon Versicherer aus dem Angebotsspektrum entfernt, weil die bei Nachhaltigkeit nicht liefern. Diejenigen Produkte, die auf dem Markt sind, sind zwar ökonomisch effektiv, hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit aber zum Teil wenig konsequent. Leider kann ich selbst die Produkte nicht grüner machen.

 
Ein Interview mit
Gottfried Baer
Volkmar Haegele