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30. Juni 2022
Nachhaltigkeitspräferenzen: „Es geht vor allem um die Sache“

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Nachhaltigkeitspräferenzen: „Es geht vor allem um die Sache“

1. Produkt- und Beratungsregulierung passen nicht zusammen

Die EU hat bemängelt, dass die Industrie zu viele unterschiedliche Ladestecker für Mobiltelefone anbietet und nun einen Standard festgelegt. Im Bereich der nachhaltigen Geldanlage hat sie es selbst verschuldet, dass ihre Bestimmungen zu Produktentwicklung – Fonds nach Artikel 8 und 9 der Offenlegungsverordnung – nicht zu den Vorgaben zur Befragung der Kunden nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen passen. Sinnbildlich haben wir nach den nunmehr vorgegeben Fragepflichten keine passende Steckverbindung zu den Anlageprodukten. Die Produktanbieter sind jetzt gezwungen, nochmals die Beschreibung und Definition ihrer Produkte umzubauen, um eine Schnittstelle zu schaffen. Ein weiteres Beispiel dafür, dass es inzwischen häufig die fehlerhafte Regulatorik ist, die zu Lasten der Kunden Kosten schafft und die Renditen mindert.

2. Mangelnde Datenlage

Ursprünglich war der Plan der EU, zuerst die Nachhaltigkeitsberichterstattung für die Unternehmen und die damit verbundenen sogenannten „technischen Regulierungsstandards“ – RTS – in Kraft zu setzen, bevor im Anschluss die Abfragepflicht von Nachhaltigkeitspräferenzen kommen sollte.

Diese Vorgehensweise ergab Sinn, denn nur auf Basis von verbindlichen Standards kommen wir an jene Daten, die entscheidend dafür sind, wie nachhaltig ein Unternehmen und damit auch ein Anlageprodukt sein kann. Nun hat die EU jedoch bereits mehrfach die Implementierung der RTS verschoben – zuletzt auf den 1. Januar 2023 –, die Abfragepflicht für Berater jedoch nicht. Ganz zu schweigen davon, dass bisher nur Standards für „E-Kriterien“ eingeführt werden sollen und für „S“ und „G“ bisher allenfalls Entwürfe vorliegen.

Den Einwand, dass unsere Berater für ihre Empfehlung haften, hat man in Brüssel mit dem Kommentar „wir hoffen, dass die Aufsichten in der Übergangsphase mit Augenmaß agieren“ abgeschmettert.

3. Mindestanteil an Nachhaltigkeit

Sollte der Kunde Nachhaltigkeitspräferenzen angeben, ist der Berater in der Regel verpflichtet, den vom Kunden gewünschten Mindestanteil an Nachhaltigkeit für ein mögliches Produkt zu ermitteln. Dabei darf sich der Berater jedoch kaum Hilfsmittel wie Spannweiten oder ähnliches bedienen.

Und wenn der Kunde so versiert ist, seinen gewünschten Anteil an Nachhaltigkeit konkret nennen zu können, wird der Berater aufgrund der bereits angesprochenen mangelhaften Datenlage aktuell kaum ein Produkt finden, welches diesen gewünschten Anteil entspricht.

Dann darf der Berater jedoch nach Ansicht der europäischen Aufsichtsbehörden auf keinen Fall den Fehler machen, dem Kunden zu sagen, welchen Anteil an Nachhaltigkeit er anbieten könnte. Vielmehr muss er den Kunden bitten, seine Präferenzen anzupassen – diese Endlosschleife muss so lange wiederholt werden, bis der Kunde irgendwann in dem Prozentbereich landet, in dem ein Match mit einem Produkt möglich wäre, oder bis der Kunde entnervt aufgibt.

Das zeigt eindrucksvoll, wie undurchdacht der rechtliche Rahmen aktuell noch ist. Und das wird verständlicherweise Akzeptanz bei den vielen Millionen Menschen kosten, die sich zu Versicherungs- und Finanzanlageprodukten beraten lassen möchten.