AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
30. Juni 2022
Nachhaltigkeitspräferenzen: „Es geht vor allem um die Sache“

3 / 3

Nachhaltigkeitspräferenzen: „Es geht vor allem um die Sache“

Können Sie uns ein oder zwei Beispiele geben, welche Abfragen auf Finanzanlagenvermittler und/oder Versicherungsvermittler zukommen?

Martin Klein: Das Thema Mindestanteile habe ich bereits angesprochen. Eine zweite Vorgabe, bei der wir uns die Haare raufen, ist das Thema Staatsanleihen. Der europäische Gesetzgeber und die EIOPA verpflichten Versicherungsvermittler aktuell, den Kunden explizit zum Thema Staatsanleihen zu befragen.

Konkret heißt das: Wenn Sie als Versicherungsnehmer im Gespräch mit Ihrem Berater angeben, dass Sie bei ihrer fondsgebundenen Lebensversicherung einen Mindestanteil an Nachhaltigkeit von beispielsweise 20% wünschen, dann muss der Berater Sie danach auch noch fragen, ob dieser gewünschte Mindestanteil unter Berücksichtigung des in einem möglichen Versicherungsprodukt enthalten Anteils von Staatsanleihen ermittelt werden soll oder nur für den Teil gelten muss, der nicht in Staatsanleihen investiert wird. Das Ganze völlig losgelöst von der Frage, ob der Berater überhaupt Produkte mit Staatsanleihen im Portfolio hat oder nicht. Dieser von der EIOPA vorgesehene Beratungsweg ist für die Praxis völlig absurd. VOTUM und AfW haben gegenüber der EIOPA und der BaFin eingefordert, dass diese Vorgabe angepasst wird.

Nun bahnt sich auf EU-Ebene erneut eine Wende an. Der Umwelt- und Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments hat sich mehrheitlich gegen die – umstrittene – Aufnahme von Gas- und Atomkraft in die Taxonomie ausgesprochen. Wie geht es da weiter und welche Auswirkungen sind zu erwarten?

Norman Wirth: Das Votum der beiden Ausschüsse des EU-Parlaments hat erst einmal nur eine gewisse Signalwirkung gegen den Vorschlag der EU-Kommission. Spannend wird es Anfang Juli. Dann kommt die Abstimmung im gesamten EU-Parlament. Wenn mindestens die Hälfte der über 700 Abgeordneten dann gegen den Kommissionsvorschlag stimmt, tritt diese Regelung nicht in Kraft. Noch ist hier alles offen. Gern appelliere ich hier an die Leserinnen und Leser, an die eigenen EU-Abgeordneten heranzutreten und sich gegen diesen Versuch des Greenwashings auf höchster Ebene zu positionieren.

Wir sind uns wohl alle im Klaren darüber, dass beim Thema Nachhaltigkeit nichts perfekt ist. Wie viel können aber Ihrer Meinung nach die Maßnahmen in der Finanz- und Versicherungsvermittlung in der allgemeinen angestrebten Transformation bewirken?

Martin Klein: Ich bleibe bei meiner Meinung, die ich vor allem gegenüber den politischen Entscheidungsträgern immer wieder äußere: Unsere Branche nimmt eine zentrale Schlüsselfunktion beim Thema Nachhaltigkeit ein. Wir sind es, die Millionen von Kunden zu den Themen Versicherungsschutz, Altersvorsorge und Vermögensanlagen beraten. Wir sind es, die die finanzielle Bildung in die Haushalte der Republik tragen. Und die Reaktionen, die ich aus dem Kreis unserer Mitgliedsunternehmen wieder gespiegelt bekomme, zeigen auch, dass unsere Branche sich dieser Bedeutung bewusst ist. Auch das Kundeninteresse ist groß und die stark steigenden Zahlen der nachhaltigen Investitionen der Privatanleger zeigen, dass wir auf einem sehr guten Weg sind.

Ohne die Berater wird es aber nicht gehen. Wenn man Beratungspflichten schafft, die den Kunden in seinem Auswahlprozess maßlos überfordern, bewirkt man das Gegenteil. Wir stehen aber in den Startlöchern. Es wird Zeit, dass die Politik nun endlich nachzieht und einen verlässlichen gesetzlichen Rahmen schafft, damit wir unsere Arbeit machen und somit einen wichtigen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen können.

Lesen Sie auch:

Wirtschaftsministerium befreit 34f-Vermittler von ESG-Abfragepflicht

Seite 1 Nachhaltigkeitspräferenzen: „Es geht vor allem um die Sache“

Seite 2 1. Produkt- und Beratungsregulierung passen nicht zusammen

Seite 3 Können Sie uns ein oder zwei Beispiele geben, welche Abfragen auf Finanzanlagenvermittler und/oder Versicherungsvermittler zukommen?