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30. Juni 2022
Nachhaltigkeitspräferenzen: „Es geht vor allem um die Sache“

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Nachhaltigkeitspräferenzen: „Es geht vor allem um die Sache“

Ab 02.08.2022 sind Versicherungsvermittler verpflichtet, bei der Vermittlung fondsgebundener Lebensversicherungen die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden zu ermitteln. 34f-Vermittler vorerst nicht. Nachgefragt bei Martin Klein, Vorstand des VOTUM-Verbands, und Norman Wirth, Vorstand des AfW-Verbands.

Seit Kurzem ist klar, dass 34f-Vermittler vorerst von der Abfragepflicht von Nachhaltigkeitspräferenzen bei Kunden befreit sind. Wie lässt sich das erklären?

Norman Wirth: Das ist leider kompliziert und nicht wirklich schlicht zu erklären. Kurzfassung: Pfusch des deutschen Gesetzgebers. Langfassung: Das Problem liegt in einer unkorrekten Umsetzung von Artikel 3 der MiFID-II-Verordnung begründet: Mitgliedsstaaten wie Deutschland, die von der sogenannten Bereichsausnahme Gebrauch machen, sind verpflichtet, hinsichtlich der Anforderungen an die Berufsausübung der der Bereichsausnahme unterliegenden Personen – bei uns die 34f-Vermittlerinnen und Vermittler – bezüglich des Verbraucherschutzes die gleichen Wohlverhaltensregeln umzusetzen, wie sie für Wertpapierfirmen gelten. Es wird aber nun im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz davon ausgegangen, dass es sich bei dem Verweis in § 16 Finanzanlagenvermittlungsverordnung – FinVermV – auf Artikel 54 der Delegierten Verordnung der EU um einen starren Verweis handelt, der nicht auf die jeweils gültige Verordnung verweist, sondern auf die Verordnung zum Zeitpunkt der Verabschiedung der FinVermV. Statisch statt dynamisch also.

Versicherungsvermittler müssen ab 02.08.2022 mit der Abfrage starten, 34f-Vermittler noch nicht. Außer, dass dies zu absurden Situationen in der Beratung führen kann: Bis wann rechnen Sie mit der Umsetzung für die Finanzanlagenvermittler?

Martin Klein: Hierfür muss der deutsche Gesetzgeber die FinVermV anpassen. Bisher liegt hierfür nicht einmal ein Entwurf vor, der zwischen drei Ministerien abzustimmen ist und der Zustimmung des Bundesrats bedarf. Die frühestmögliche Bundesratssitzung nach der Sommerpause ist am 16. September. Bis diese Änderung dann im Bundesgesetzblatt offiziell veröffentlicht wird, wird dann auch noch etwas Zeit vergehen. Also ist eher das Jahresende realistisch.

Wir stellen in Gesprächen fest, dass die kommende Pflicht noch nicht überall so wahrgenommen wird, wie es sein sollte. Der Aufschub bei den 34f-Vermittlern könnte das Gefühl verstärken „hat ja alles noch Zeit“. Ist aber nicht so, oder?

Norman Wirth: Korrekt. Aktuell läuft die Informations- und Qualifizierungswelle zum Thema ESG erst so richtig an. Warum so spät? Weil viele Parameter seitens des Gesetzgebers auch erst sehr spät und sukzessive veröffentlicht werden. Auch ich halte nahezu täglich Vorträge für Pools, Vertriebe und Versicherer und muss immer wieder feststellen, dass häufig noch extrem viel Aufklärungsbedarf in der Vermittlerschaft vorhanden ist. Ob es der 2. August oder 1. Januar sein wird, ist letztlich auch fast egal. Es geht ja vor allem um die Sache. Und AfW und VOTUM appellieren gemeinsam, dass das Thema von den 34-Vermittlerinnen und -vermittlern so oder so angesprochen wird. Für die Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler steht der 2. August im Übrigen fest. Da gibt es keine Diskussion.

In der AssCompact Redaktion wurde eine Information so interpretiert, dass der erreichte Aufschub begrüßt wird. Ihnen und Ihren Verbänden ging es dabei aber nicht um die Abfragepflicht als solches, sondern um die Praktikabilität in der Beratung. Hier sind noch viele Fragen offen. Wo liegen die Hauptprobleme?

Martin Klein: Um Missverständnisse vorzubeugen: Einen „Aufschub“ des Wirtschaftsministeriums gab es nicht. Das Ministerium hat einfach übersehen, dass die 34f-Vermittler von der aus Brüssel kommenden Delegierten Verordnung schlicht nicht unmittelbar betroffen sind. Hätte das Ministerium dies von Beginn an erkannt, wäre der nun fehlende nationale Rechtsakt rechtzeitig angestoßen worden.

Norman Wirth und ich möchten noch einmal ausdrücklich betonen, was wir seit geraumer Zeit gegenüber der Politik und in der Öffentlichkeit gebetsmühlenartig wiederholen: Natürlich ist sich unsere Branche bewusst, welche maßgebliche Rolle sie bei der Erreichung der Klimaziele einnimmt! Und wir sind bereit, unseren Teil beizutragen! Das geht aber nur, wenn wir uns auf einen klaren und eindeutigen Rechtsrahmen verlassen können.

Lassen Sie mich Ihre Frage nach den Hauptproblemen an drei Beispielen exemplarisch beantworten: