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13. Februar 2021
Neue Kooperation für die digitale Beratung von Gewerbekunden

Neue Kooperation für die digitale Beratung von Gewerbekunden

Eine Integration der Maklerverwaltungsprogramme von assfinet und der Beratungsplattform von Thinksurance verknüpft Betreuung und Beratung im Gewerbe- und Industriekundensegment – zum Vorteil der Makler.

AssCompact hat zu der noch jungen Kooperation und zum Digitalisierungsstand der Branche nachgefragt bei Christopher Leifeld, Geschäftsführer der Thinksurance GmbH, und Marc Rindermann, Geschäftsführer der ASSFINET GmbH.
Im Herbst vergangenen Jahres haben Sie Ihre technische Kooperation bekannt gegeben. Welche Funktionalitäten sind schon im MVP von assfinet integriert?

Marc Rindermann: Im Moment können Vermittler Kundendaten aus ams.5 heraus in die Gewerbeplattform von Thinksurance übertragen und im Anschluss an den Beratungsprozess alle Vertragsdokumente inklusive Dokumentation aus der Plattform in ams.5 zurückführen. Alle ams.5-Anwender haben so nun auch die Möglichkeit – ganz analog zur im Privatgeschäft bekannten Integration der NAFI- und Franke & Bornberg-Vergleichsrechner – eine komplett digitale Beratung von Gewerbekunden durchzuführen.

Was sind die nächsten Schritte? Und können Sie diese auch zeitlich in etwa definieren?

MR: Ganz aktuell integrieren wir die Thinksurance-Plattform in unsere Maklerverwaltungssysteme ams.4 und vias. Diese wird in den kommenden Wochen abgeschlossen sein.

Christopher Leifeld: Als digitale Pioniere lassen es assfinet und Thinksurance aber nicht darauf beruhen. Künftig soll es für Vermittler auch möglich sein, ganze Versicherungsportfolios zu analysieren, zu optimieren und zu übertragen. Ist ein Kunde einmal angelegt und verknüpft, können Jahresfragebogen, Jahresgespräch und Vertragscheck technisch automatisiert werden.

Aus der konkreten, prak­tischen Sicht des Users: Welche Prozesse werden in der Beratung und Betreuung der Gewerbe­kunden schneller, einfacher, sicherer?

CL: Wir denken den Betreuungs- und Beratungsprozess ganzheitlich und versuchen, den Makler dort abzuholen, wo er steht. Heißt konkret: Meist hat er im MVP bereits eine Vielzahl von Kundendaten hinterlegt. Diese werden automatisch über die Schnittstelle aus dem MVP heraus in die Thinksurance-Plattform übertragen, sodass Risikoerfassung und Tari­fierung deutlich zügiger vonstatten laufen. Im Idealfall muss der Makler in der Plattform keine zusätzlichen Daten mehr eingeben, sondern kann direkt mit dem API-Underwriting (Tarifrechner) oder dem Case-­Underwriting (Ausschreibung) beginnen. Auch bestehende Verträge sollen bald mit übermittelt und so während der Bedarfsanalyse, im Vergleich, bei der Angebotserstellung und in der Beratungsdokumentation berücksichtigt werden. Ähnliches gilt für die Portfolio­analyse: Wir planen, dass Makler den Bestand eines Partners „on demand“ auf Deckungslücken und Optimierungspotenziale prüfen und dann unverzüglich eine automatisierte Umdeckung anstoßen können.

An Technik scheint es grundsätzlich nicht zu mangeln, eher daran, diese zusammenzusetzen. Maklerverbände beklagen einen Flickenteppich. Ist Besserung in Sicht oder bleibt es kompliziert?

MR: Ich kann diese Perspektive nachvollziehen. Der zentrale Konsens über Prioritäten branchenweit umzusetzender Digitalisierungsprojekte sowie die zentrale Steuerung der Umsetzungsarbeiten sind meines Erachtens essenziell für die Weiterentwicklung. Dazu ist Besserung in Sicht: Dieses Jahr wurden erstmalig unter der gemeinsamen Führung der BiPRO und des GDV zwei Projekte mit einer nie dagewesenen Branchenbeteiligung aufgesetzt. Sie werden zentral gesteuert und alle Teilnehmer haben sich vertraglich verpflichtet, die Umsetzungs- und Anbindungsarbeiten innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens zu realisieren. Beide Projekte verlaufen sehr vielversprechend und wir sind optimistisch, dass wir 2021 zu den Themen BiPRO-Bestandsdatenübermittlung und Maklerinkasso mit vielen relevanten Versicherern Ergebnisse liefern werden.

Kooperationen wie Ihre sollen die Situation ja verbessern. Mit den genannten Projekten verändert sich ja auch was. Wie kooperationsfähig ist denn die Branche?

CL: Unsere Erfahrung ist eindeutig: Der Kooperationswille ist da. Mittlerweile ist in der Breite angekommen, dass man mit Zusammenarbeit viel mehr erreichen kann als mit Konfrontation. Entscheidend für diese Erkenntnis ist zum einen die Digitalisierung – sie führt zu einem anderen Mindset. Zum anderen wird der unabhängige Maklermarkt immer wichtiger. Der Markt ebenso wie auch die Digitalisierung lassen sich schwer im Alleingang erschließen. Gleichzeitig muss man anerkennen, dass viele Kooperationen keine Selbstläufer sind. Es gibt einige technische und organisatorische Hürden, die gemeistert werden wollen.

Könnte aus Ihrer technischen Kooperation mehr werden?

MR: Bei dieser Frage kann ich ganz klar für Thinksurance und uns sprechen: Nein. Im Zeitalter der API-Economy sind solche Anbindungen völlig normal und bedürfen keiner gegenseitigen gesellschaftsrechtlichen Verknüpfungen. Neben der Vernetzung von Plattformen der Versicherungswirtschaft werden bei assfinet zusätzlich auch die Vernetzung von Plattformen anderer Branchen wie zum Beispiel der Immo­bilienwirtschaft realisiert.

Dann noch einmal zu der technischen Komponente: Datenaustausch, Dokumentenauslieferung, Deeplinks, Prozesse ohne Medienbruch sind so die Begriffe, die durch die Gegend fliegen. Woran hapert’s, wo läuft es gut? Und was muss denn überhaupt der Maklerbetrieb darüber wissen?

MR: Die aktuell größte Herausforderung liegt meiner Meinung nach beim Thema Authentifizierung: Wir verwalten eine abstruse Anzahl Benutzer-Logins mit allen bekannten Problemen wie beispielsweise abgelaufenen und ungültigen Passwörtern oder Zertifikaten. Zudem scheiden Nutzer aus oder kommen neu hinzu. Über die Akzeptanz der Maschine-zu-Maschine-Authentifizierung müsste dringend Branchenkonsens hergestellt werden. Fairerweise muss man sagen, dass das logischerweise nicht das einzige Digitalisierungsproblem ist. Es ist fraglich, ob es wirklich relevant ist, dass jeder Makler darüber alles weiß. Sicherlich nicht. Deshalb entkoppelt assfinet den Makler mit seinen Services bereits seit Jahren von den technischen Detailproblemen der Digitalisierung. Unabhängig von den Detailproblemen glaube ich aber, dass jeder Maklerbetrieb für seinen Schwerpunkt seine individuelle Digitalisierungs­strategie definieren muss, um langfristig die aktuell stattfindende Transformation erfolgreich zu meistern. Dafür ist wenigstens ein Überblick über die aktuell in der Branche bestehenden Möglichkeiten zur Digitalisierung erforderlich.

Glauben Sie, dass es 2021 aufgrund der Corona-Entwicklungen schneller in der Digitalisierung vorangeht?

CL: Das Jahr 2020 hat einen Schub für die Digitalisierung gebracht – auch in der Versicherungsbranche. Viele Dinge, die noch Anfang des Jahres undenkbar waren, sind nun Alltag. Meine Einschätzung daher: Wir werden einen weiteren Digitalisierungsruck erleben, der allerdings mit einer Rückbesinnung auf klassische Werte einhergeht. Ein Beispiel: Während das persönliche Beratungsgespräch ein Revival erlebt, werden digitale Ansätze für Parallel- und Folgeaufgaben wie etwa die Risikoerfassung, den Tarifvergleich oder die Ausschrei­bung komplexer Risiken an Bedeutung gewinnen. Für die Branche bedeutet das viele hybride Ansätze.

MR Bis Anfang 2020 hatte ich nie miterleben müssen, dass ein Ereignis wie die Covid-19-Pandemie in kürzester Zeit das normale Privat- und Wirtschaftsleben so umfassend verändern kann. Dies hat nicht nur negative Auswirkungen, sondern zeigt auch, dass jede Krise eine Chance bietet. Gerade die Digitalisierung wurde in fast allen Teilen der Gesellschaft in ihrer Entwicklung beschleunigt. Diesen Trend sehen wir auch aus der Sicht unseres Unternehmens und können somit unterstreichen, dass die Digitalisierung in unserer Branche einen Boom erlebt.

Und im Weitwinkel: Wie steht es zum Jahresstart 2031 um die genannten Themen?

CL: Bill Gates sagte mal, dass wir dazu tendieren, die Veränderung der nächsten zwei Jahre zu überschätzen und die der nächsten zehn Jahre hingegen zu unterschätzen. Ich glaube, er hat damit recht und in zehn Jahren wird die Branche stark verändert sein. Sowohl die Demografie der Maklerschaft als auch die Digitali­sierung werden als Megatrends starken Einfluss nehmen. Wir sehen uns dabei in einer gestaltenden Rolle und freuen uns, diesen Wandel aktiv zu begleiten.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 01/2021, Seite 92 f., und in unserem ePaper.

Bild: © fizkes – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Christopher Leifeld
Marc Rindermann