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8. Februar 2011
Neue Wege als Wachstumschance

Neue Wege als Wachstumschance

Am Markt gibt es immer mehr Alternativen zur BU. Swiss Re wirft als Rückversicherer einen Blick auf die Entwicklung. Ein Beitrag von Markus Unterkofler, Head of Client Markets Life & Health Germany, Katja Briones, Client Manager und Manuela Drayer, Pricing Actuary der Swiss Re

Am Markt gibt es immer mehr Alternativen zur BU. Swiss Re wirft als Rückversicherer einen Blick auf die Entwicklung. In Deutschland wird der Markt der biometrischen Produkte seit einigen Jahren stark durch die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) dominiert. Das überrascht nicht. Die BU wird in der Öffentlichkeit quasi als „Pflichtversicherung“ dargestellt und vom Vertrieb aktiv verkauft. Hinzu kommt, dass viele Kunden die Notwendigkeit einer solchen Absicherung erkannt haben.

Betrachtet man den BU-Markt etwas genauer, so weisen etliche Faktoren jüngst darauf hin, dass er derzeit die „Reifephase“ durchläuft. Der Wettbewerb hat sich zugespitzt, die Produktbedingungen unterscheiden sich nicht mehr wesentlich voneinander und ein Ende des Preiskampfes ist nicht in Sicht. Echtes Neugeschäftswachstum ist für viele Anbieter schwierig geworden, oft werden lediglich die Marktanteile hin- und hergeschoben. Das Produkt ist grundsätzlich im Neugeschäft zwar erfolgreich, die Positionierung und Differenzierung der einzelnen Anbieter wird jedoch zunehmend schwieriger.

Ein kleines Stück vom großen Kuchen – aber wie?

Letztlich geht es darum, sich als Anbieter ein nicht zu kleines Stück des „großen Kuchens“ BU-Neugeschäft zu sichern. Neue Trends bei der BU sind rar, das Produkt ist in seiner Ausgestaltung relativ standardisiert. Da die BU in ihrer aktuellen Form grundsätzlich erfolgreich und von Produkt-Ratingagenturen positiv bewertet ist, besteht kein Grund, an dem Design etwas zu ändern.

An dem zunehmenden Preiswettbewerb kommt dennoch kein Anbieter vorbei, will er sich im Neugeschäft erfolgreich positionieren. Eine mögliche Stellschraube ist eine weitergehende Umverteilung der Berufsgruppen. Ziel ist es, für spezielle Zielgruppen durch eine noch feinere Risikosegmentierung günstigere Preise darzustellen. Das ist leichter gesagt als getan. Eine weiter gefächerte Berufsgruppeneinteilung soll im Preis attraktiv für den Vertrieb, gleichzeitig aber auch risikoadäquat kalkuliert sein. Um diesen Spagat zu schaffen, hat Swiss Re ein fachübergreifendes Projekt aufgesetzt, in das die aktuariellen Erfahrungswerte aus langjährigen Datenpools ebenso einflossen wie die Expertise von Berufskundlern und Risikoprüfern. Im Ergebnis kann die Gesamtheit an Berufen in feine „Berufsscheiben“ eingeteilt werden, die dem Erstversicherer eine flexible Neueinteilung der Berufsgruppen ermöglichen – unter Berücksichtigung der jeweiligen Invalidisierungswahrscheinlichkeiten.

Im umkämpften Neugeschäftsmarkt bleibt oft auch der Bestand nicht vor dem Zugriff anderer Anbieter verschont. Deshalb spielt Kundenbindung eine immer größere Rolle. Services wie Assistanceleistungen während der Laufzeit, zum Beispiel in Form einer Servicecard, die dem Versicherungsnehmer unter gewissen Voraussetzungen Rabatte ermöglicht, sorgen für eine positive Rückkopplung mit dem Kunden. Erfahrungen im Ausland zeigen, dass diese nicht-monetären Zusatzbausteine nicht nur einen wertvollen Beitrag zur Kundenbindung leisten, sondern möglicherweise auch helfen, präventiv Schäden zu verhindern, oder gar natürliche Ansatzpunkte für Upselling-Aktionen im Bestand sein können.

Neue Wege – Rückversicherer als Partner und Ideengeber

Eine Alternative dem zunehmendem Wettbewerb im reifen BU-Markt zu entgehen, ist es, in der Produktentwicklung komplett neue Wege zu gehen und mit modernen Produkten neue Märkte und Kundengruppen zu erschließen – unter Umständen sogar mit anderen Vertriebswegen. Mag auch mancher neue Nischenmarkt kleiner als der traditionelle angestammte BU-Markt sein, so bietet der Eintritt für „First-Mover“ in der Regel vielversprechende Wachstumschancen – und das bei geringem Wettbewerb und höheren Margen. Den positiven Imagegewinn noch gar nicht eingerechnet. Basierend auf dem Know-how aus einer Vielzahl von Märkten im Ausland hat Swiss Re sich auf die Fahne geschrieben, Erstversicherer dabei zu unterstützen, derartige Marktchancen frühzeitig zu erkennen und gemeinsam entsprechende Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.

Der rege Austausch über Ländergrenzen hinweg fungiert hier als wichtiger Ideengeber; nicht selten können neue Trends identifiziert oder erfolgreiche Produktideen erfolgreich übertragen werden. Dafür hilfreich sind regelmäßige Gespräche mit Erstversicherern, Kontakte zu Vertrieben sowie Konsumentenbefragungen. Die Ergebnisse der jüngst veröffentlichten Swiss Re-Endkundenstudie „Customers for life“, Europäischer Versicherungsreport 2010, geben beispielsweise wertvolle Hinweise auf Kundenbedürfnisse und notwendige Schritte in der Versicherungsbranche, um den Zugang zum Endkunden zu verbessern. Vor diesem Hintergrund ist Swiss Re als Rückversicherer aktiver Partner und Ideengeber von Erstversicherern und Vertriebseinheiten bei der Entwicklung und Umsetzung innovativer Produktkonzepte.

Ein großes Stück vom kleineren Kuchen - Dread Disease und Grundfähigkeitsversicherung

Obwohl im Fokus des Gesamtmarktes die BU steht, ist ein verstärktes Interesse an alternativen Risikoprodukten zu beobachten. Die Offenheit gegenüber Nischenprodukten, wie einer Dread Disease-Deckung oder Grundfähigkeitsversicherung, hat sowohl bei Erstversicherern als auch bei den Vertrieben erheblich zugenommen. Dies liegt nicht nur daran, dass Gesellschaften nach innovativen Produktideen suchen. Zahlreiche Umfragen belegen, dass die Sorge in der Bevölkerung vor einer schweren Krankheit ausgeprägter ist als angenommen und damit ein unterschätzter Bedarf vorliegt. Swiss Re als Marktführer, sowohl in der Rückversicherung als auch bei der Entwicklung dieser Produkte, führt jährliche Studien zur Entwicklung des Dread Disease- und Grundfähigkeitsversicherungsmarktes in Deutschland durch. Die Ergebnisse dieser Studien bestätigen diesen positiven Trend. Die Studie „Swiss Re Dread Disease Update“ umfasst aussagekräftige Daten aller relevanten Anbieter zur Entwicklung des Produkts seit dem Jahr 2004. Die Auswertungen zeigen deutlich, dass sich der Markt stark verändert hat: Produkte wurden überarbeitet, neue Anbieter kamen hinzu, schlanke Produktversionen wurden als Zusatztarife entwickelt.

Die Dread Disease befindet sich in Deutschland sicherlich als Nischenprodukt noch in der Wachstumsphase, bietet dort den Anbietern aber eine weite „Spielwiese“ in der Nutzung und Ausgestaltung, um sich im Markt zu differenzieren. Die Neugeschäfts- und Bestandsprämie in Deutschland hat sich in den Jahren 2004 bis einschließlich 2009 jeweils mehr als verdoppelt.

Auch die Grundfähigkeitsversicherung macht mehr und mehr auf sich aufmerksam. Ein weiteres Produkt, das Potenzial hat, sich in dem breiten Spektrum zwischen einer Unfallversicherung und einer Premium BU zu positionieren. Ein Charme des Produkts liegt darin, Kunden, für die eine BU aufgrund ihres Berufes oder des hohen Preises nicht in Frage kommt, aktiv ansprechen und einen Versicherungsschutz anbieten zu können. Swiss Re hat erst kürzlich einen zusätzlichen Grundfähigkeitenkatalog „Intellektuelle Fähigkeiten“ entwickelt. Beide Produkte bergen noch erhebliches Potenzial im hiesigen Markt, vor allem, da sie vielfältig einsetzbar sind. Neben einer „Vollversion“ sind schlanke Zusatztarife genauso denkbar wie geschickte Kombinationen einzelner Deckungskomponenten beider Produktkonzepte.

Multi Risk Produkte – aus der Nische zur Innovation

Solche sogenannten Multi Risk-Produkte sind aktuell im Trend und stellen eine interessante Differenzierungsmöglichkeit im Markt dar. Durch die intelligente Bündelung einzelner passender Produktmodule lassen sich neuartige Produktlösungen darstellen. Besonders geeignet sind Multi Risk-Lösungen für die Ansprache bestimmter Zielgruppen. Für diese können bedarfsgerechte Deckungspakete geschnürt werden. Eine passende „Verkaufsstory“ für den zielgruppenaffinen Vertriebsweg rundet das Angebot ab. Speziell die Dread Disease und die Grundfähigkeitsversicherung bieten vielfältige Möglichkeiten, sich das Multi Risk-Konzept zu Nutze zu machen – als Alternative zur BU oder als Ergänzung. Weite Teile der Bevölkerung sind in der BU nur schwer oder gar nicht versicherbar. Ein Effekt, der sich durch die fortschreitende Berufsgruppendifferenzierung noch verstärken dürfte. Multi Risk-Produkte bieten Versicherern eine interessante Möglichkeit, auch diesen Kunden einen preislich attraktiven Versicherungsschutz anzubieten.

Fazit

Die Berufsunfähigkeitsversicherung befindet sich in der „Reifephase“, weitgehend fehlende Differenzierungsmöglichkeiten und hoher Preisdruck stellen die Anbieter im Neugeschäftswachstum vor Herausforderungen. Gleichzeitig klafft in der Produktlandschaft eine große Lücke zwischen der Unfallversicherung und einer Premium-BU. Führt man sich die sehr unterschiedlichen Kundensegmente und -bedürfnisse vor Augen, stellt diese Lücke ein nicht unerhebliches Neugeschäfts-potenzial dar und bietet beste Chancen für neue attraktive Produktansätze. Es kann für Gesellschaften also durchaus interessant sein, in diesem Bereich mit bedarfsgerechten und zielgruppenorientierten Produkten neue Wege zu gehen.

Den Artikel finden Sie auch in der AssCompact 02/2011, Seite 42f.

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