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11. November 2019
Neues DSGVO-Urteil: Versicherte haben Recht auf Akteneinblick

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Neues DSGVO-Urteil: Versicherte haben Recht auf Akteneinblick

Ein aktuelles Urteil zur Datenschutz-Grundverordnung stärkt die Rechte der Versicherten gegenüber ihren Versicherern und deren Vermittlern. Besonders in Streitfällen nach einer Deckungsablehnung zieht das Urteil, das auch Makler kennen sollten, Folgen nach sich. Von Cäsar Czeremuga und Peer Hendrik J. Deckers, Kanzlei Wilhelm Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB.

Wenn Versicherte mit ihrem Versicherer im Streit über einen Deckungsanspruch liegen, würde wohl jeder Versicherte gern Einblick in seine Akte beim Versicherer nehmen. Aus internen Unterlagen wie Telefonnotizen, Gesprächsprotokollen aus der Schadenabteilung und Stellungnahmen des Schadenregulierers könnte der Anwalt des Versicherten wertvolle Informationen zur Strategie und Argumentation des Gegners entnehmen.

Dank der jüngsten Rechtsprechung zur DSGVO kann dieses Szenario künftig Realität werden: Das OLG Köln trug einem Versicherer mit einem aktuellen Urteil (Entscheidung vom 26.07.2019, Az. 20 U 75/18) auf, dem Versicherten alle auf seine Person bezogenen Dokumente herauszugeben – auch interne Vermerke und Notizen mit Bezug zum Versicherten. Das ungewöhnlich weite Auskunftsrecht des Versicherten stützt das Gericht auf die noch junge EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Auch Datenschutzrechtler zeigen sich von der Entscheidung und dem weiten Umfang des Auskunftsanspruchs des Versicherten überrascht.

Der Versicherer muss alle personenbezogenen Daten herausgeben

Im entschiedenen Deckungsstreit ging es um Leistungsansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung des Versicherten als Kläger gegen den Versicherer (als Beklagten). Wohl aus prozessstrategischen Gründen begehrte der Versicherte vom Versicherer auf Grundlage der DSGVO Auskunft über sämtliche vom Versicherer gesammelten personenbezogenen Daten. Mit einem einfachen Auszug aus der elektronischen Stammakte begnügte sich der Versicherte nicht. Er verlangte darüber hinaus alle weiteren Notizen, Vermerke und Unterlagen, die in Bezug zu seiner Person stehen.

Der Versicherer hielt dies für unzumutbar. Die Datenbestände seien zu umfangreich. Dieses Argument ließ das OLG Köln jedoch nicht gelten: Es verurteilte den Versicherer zu einer umfassenden Auskunft über sämtliche den Kläger betreffenden personenbezogenen Daten. Die Pflicht zur Preisgabe der gesammelten Daten dürfe sich nicht auf leicht ermittelbare Daten aus der elektronischen Stammakte beschränken. Die Herausgabe aller personenbezogenen – auch manuell erfassten – Daten an den Versicherten ist einem Versicherungsunternehmen zumutbar. Voraussetzung ist nur, dass die Datensammlung gleichartig aufgebaut (z. B. nach Namen oder Versicherungsscheinnummer sortiert) und nach bestimmten Kriterien zugänglich ist (Art. 4 Nr. 6 DSGVO). Auch Geheimhaltungsinteressen oder Rechte Dritter stünden dem Auskunftsrecht des Versicherten nicht entgegen.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich der Auskunftsanspruch also auch auf einzelne Dokumente erstrecken, die mit Absicht oder aus Versehen nicht zur Schadenakte genommen wurden. Das können interne Vermerke des Sachbearbeiters über die Gründe der Deckungsablehnung, protokollierte Gespräche über die Begründung der Deckungsablehnung oder auch eine versicherungsrechtliche Begutachtung der Anwälte des Versicherers sein.

Daten können Gold wert sein

Vor allem im Streitfall mit dem Versicherer kommt dem weiten Auskunftsrecht des Versicherten besondere Brisanz zu. Wie eingangs geschildert können sich aus solchen internen Vermerken und Notizen des Versicherers Informationen ergeben, die für den Versicherten in einem Gerichtsprozess hilfreich sind. Alle aus datenschutzrechtlichen Gründen erlangten Informationen aus der Sphäre des Versicherers darf der Rechtsanwalt des Versicherten versicherungsrechtlich verwerten und im Verfahren einbringen.

Ein Beispielszenario: Nach einem Brand verzögert der Feuer-Versicherer des Geschädigten eine Regulierung des entstandenen Gebäudeschadens über Monate. Als schließlich durch vom Versicherer bestellte Anwälte eine knappe Deckungsablehnung mit Verweis auf Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers erfolgt, klagt der Versicherungsnehmer auf Leistung.

Der Anwalt des Versicherungsnehmers verlangt im Rahmen des Verfahrens auf Grundlage der DSGVO Auskunft vom Versicherer über alle personenbezogenen Daten des Versicherungsnehmers. Der Versicherer gibt zunächst nur einzelne Stammdaten des Versicherungsnehmers heraus. Das Gericht verpflichtet den Versicherer jedoch, auch die Korrespondenz des Versicherers mit dessen Rechtsanwälten an den Versicherungsnehmer herauszugeben, da sie personenbezogene Daten des Versicherungsnehmers enthält.

Die Korrespondenz zwischen dem Sachbearbeiter beim Versicherer und den Rechtsanwälten der Versicherungsgesellschaft enthält eine juristische Bewertung der Deckungsansprüche des Versicherungsnehmers, die die Anwälte für grundsätzlich begründet halten, aber die Möglichkeit von Obliegenheitsverletzungen diskutieren. Die Strategie des Versicherers, auf Zeit zu spielen und Druck aufzubauen, wird mit den gewonnenen Informationen transparent.

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Seite 2 Eine Durchsetzung des Anspruchs ist schwierig

 
Ein Artikel von
Cäsar Czeremuga
Peer Hendrik J. Deckers

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Wilfried Strassnig am 11. November 2019 - 09:48

Bürokratiesupermonster. Richter entscheiden, die Beamtensuperversorgt sind. bei 1,7 Billionen Euro Rückstellungsdefizit Ihrer-auch der Beamten -und Politikerversorgung-locker das wieder einmal Makler alles ohne Gebührenberechnung machen müssen. Politiker haben sich zu allen vorhandenen Spesenvergütungen schnell einen Digitalzuschuss VERORDNET. Maklern denen die Provisionen gekürzt, Stornohaftungen verlängert werden, darf man alles zumuten-kostet Richtern ja nix. 2 Welten der angeblich gleichberechtigten Bürger. #