Für eine stationäre Behandlung während eines Türkeiurlaubs richtet sich die Leistungspflicht der deutschen Krankenkassen nach türkischem Recht. Das bedeutet, es gelten diejenigen Sätze, die der türkische Sozialversicherungsträger in einem Vertragskrankenhaus für die entsprechende Behandlung hätte zahlen müssen. Eine deutsche Versicherte hat daher keinen Anspruch auf Übernahme von Kosten, die darüber hinausgehen, weil sie sich in einer türkischen Privatklinik behandeln ließ.
Frau muss nach bewusstloser Einlieferung Tarif aus Privatklinik zahlen
Im vorliegenden Fall erlitt die Klägerin während Ihres Urlaubs in der Türkei eine Herzattacke. Sie wurde in bewusstlosem Zustand in eine Privatklinik eingeliefert und erhielt einen Herzschrittmacher eingesetzt. Hierfür stellte die Privatklinik 13.000 Euro in Rechnung, die die Klägerin aus eigenen Mitteln beglich. Auf ihren Erstattungsantrag bewilligte die Versicherung 1.252,41 Euro. Diese Summe wäre für eine Sachleistungsgewährung in der Türkei angefallen. Mit der Klage begehrte die Klägerin Kostenerstattung in voller Höhe. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens seien erfüllt. Sie habe erst nachträglich erfahren, dass es sich um eine Privatklinik gehandelt habe.
Altersbedingte Unmöglichkeit einer privaten Krankenversicherung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Gericht stellte zunächst klar, dass die Frau keinen Anspruch auf weitergehende Erstattung im Sinne des § 18 Abs. 1, Abs. 3 SGB V habe. Dieser Paragraph besagt, dass die Erstattung von Kosten für eine Notfallbehandlung im Ausland wegen altersbedingter Unmöglichkeit einer privaten Versicherung möglich ist. Im hiesigen Fall seien dafür die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Abkommen zu Notfallbehandlung im Ausland
Ein Anspruch ergibt sich laut dem Gericht aus einem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit (DT2SVA). Versicherten in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung könne danach auch bei einem Aufenthalt in der Türkei ein Anspruch auf Leistungen zustehen. Voraussetzung ist, dass der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet der anderen Vertragspartei eingetreten sei und wenn sie wegen ihres Zustands sofort Leistungen benötigten.
Trotz erheblichem Kostenunterschied kein Anspruch auf Erstattung
Ein solcher medizinischer Notfall habe zwar im hiesigen Fall vorgelegen. Der Grundsatz des SGB V werde allerdings durch Art. 15 DT2SVA dahin modifiziert, dass sich der Anspruch der Versicherten nach türkischem Recht richte. Maßstab für den Kostenerstattungsanspruch sei demnach der Kostenansatz, der bei einer vergleichbaren Behandlung in einem Vertragskrankenhaus erstattungspflichtig wäre. Die diesbezügliche Kostenauskunft des türkischen Sozialversicherungsträgers hat das Gericht trotz der erheblichen Differenz zu dem Rechnungsbetrag als zutreffend erachtet.
Versicherte hätte Berechtigungsnachweis mit sich führen müssen
Darüber hinaus könne die Klägerin eine weitergehende Kostenerstattung nur dann verlangen, wenn der türkische Sozialversicherungsträger seinen Pflichten im Rahmen der Leistungsaushilfe nicht oder nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Zwar habe es sich um eine Privatklinik gehandelt, mit der der türkische Sozialversicherungsträger einen Vertrag gehabt habe. Für die Notfallbehandlung hätten in diesem speziellen Fall nach türkischem Recht auch keine weiteren Kosten anfallen dürfen. Dies hätte aber vorausgesetzt, dass der Privatklinik bis zur Entlassung kenntlich gemacht wird, dass die Klägerin nach dem DT2SVA berechtigt ist. Hierzu hätte die Klägerin einen Nachweis über diese Berechtigung von vornherein mit sich zu führen bzw. sich einen solchen während des Krankenhausaufenthaltes beschaffen müssen. Nachdem dies nicht geschehen sei, habe die Klinik eine Privatrechnung stellen dürfen. Ein Systemversagen sei dem türkischen Sozialversicherungsträger damit nicht anzulasten. (tos)
SG Gießen, Urteil vom 12.03.2019¸ S 7 KR 261/17
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