AssCompact suche
Home
Management & Wissen
30. September 2019
Pflegebürgerversicherung: Stiftung wirbt dafür, SPD fordert sie ein

Pflegebürgerversicherung: Stiftung wirbt dafür, SPD fordert sie ein

Die SPD fordert die Pflegevollversicherung im Rahmen einer Bürgerversicherung. Rückendeckung bietet ihr hierfür eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung, die durchgerechnet hat, wie gering zukünftige Beitragserhöhungen ausfallen würden, wenn die private Pflegeversicherung abgeschafft wird.

Kommt sie doch? Vielleicht in Raten? Die Bürgerversicherung ist bereits seit Längerem ein Herzensanliegen der Sozialdemokraten. Nun wagt die Regierungspartei einen weiteren Vorstoß mit der Forderung nach einer Pflegebürgerversicherung mit Vollversicherung. Auftrieb hierfür gibt ihr eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung.

Es existieren mittlerweile zahlreiche Modelle, die unter dem Begriff Bürgerversicherung firmieren. Eine für den Teilbereich der Pflegeversicherung hat die SPD-nahe Hans-Böckler-Stiftung in ihrem aktuellen Arbeitspapier der Forschungsförderung skizziert und durchgerechnet. Die SPD hat den Ball am Wochenende auf ihrer Klausur in Berlin aufgegriffen und fordert nun die Zusammenlegung der privaten und gesetzlichen Pflegeversicherung zu einer Bürgerversicherung, bei gleichzeitiger Umwandlung zu einer Vollversicherung, ohne Eigenbeteiligung.

Kombination aus Pflegebürgerversicherung und Vollversicherung

Dabei beziehen sich die Sozialdemokraten auf die Studie der Hans-Böckler-Stiftung, die die beiden Konzepte miteinander verschmelzen möchte: Nämlich zum einen die gesetzliche Bürgerversicherung, die zukünftig nicht nur Angestellte und Arbeiter umfassen soll, sondern auch Beamte, Selbstständige, Freiberufler usw. Zum anderen gehen die Studienmacher bei ihren Berechnungen von einer Pflegevollversicherung aus, die alle pflegerischen Leistungen abdeckt, die ein Pflegebedürftiger benötigt. Die Kombination aus beiden Konzepten wird von der SPD-nahen Stiftung als Pflegebürgerversicherung mit Vollversicherung bezeichnet.

Keine ausgewogene Lastenverteilung

Die beiden Studien-Autoren Heinz Rothgang und Dominik Domhoff weisen darauf hin, dass seit der Einführung der dualen Gestaltung der Pflegeversicherung in Deutschland bis heute nicht erfüllt ist, was das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil 2001 gefordert hat. Nämlich, dass es bei der Ausgestaltung des gesetzlichen und privaten Pflegeversicherungssystems zu einer ausgewogenen Lastenverteilung kommen müsse. Dieser Punkt lasse sich mit der Einführung einer Pflege-Bürgerversicherung verwirklichen, geben die Studienmacher an.

Teurer, aber berechenbar für die Privatversicherten

Viel Schatten und ein wenig Licht am Horizont für die Privatversicherten. So ist der Studie zu entnehmen, dass die Privatversicherten, die momentan eher niedrige Beiträge zu entrichten haben, deutlich stärker zur Kasse gebeten würden. Im Durchschnitt müsste ein privat Pflegeversicherter pro Jahr 530 Euro mehr entrichten als zuvor und auf den Arbeitgeber würden Zusatzkosten in Höhe von 240 Euro zukommen.

Ebenso wie die bisher gesetzlich Pflegeversicherten, würden natürlich auch die Privatversicherten von der Umstellung auf die Vollversicherung profitieren, da diese mehr Leistungen abdeckt und keinen Eigenanteil erfordert. Langfristig sieht die Studie jedoch noch einen größeren Vorteil auf die Privatversicherten zukommen, wenn das Modell der Pflegebürgerversicherung als Vollversicherung käme: Berechenbarkeit. Aufgrund der überschaubaren Zahl der Versicherten in der privaten Pflegeversicherung sei diese anfälliger für Beitragsschwankungen. Der momentane demografische Vorteil mit einer jungen, gesunden, zahlungskräftigen Mitgliedsstruktur, könne sich im Laufe der Zeit umkehren und zu massiven finanziellen Belastungen der Beitragszahler führen. Eine Umwandlung zu einer Bürgerversicherung, würde die Zukunft für die privaten Beitragszahler leichter planbar machen.

Kaum teurer und viel mehr Leistung für die gesetzlich Versicherten

Die gesetzlich Versicherten würden von dem Konzept der Hans-Böckler-Stiftung auf ganzer Linie profitieren. Dadurch, dass die finanzkräftige, junge Klientel der Privaten eingemeindet werden würde, könnten ihre Beiträge fast konstant bleiben, bei gleichzeitiger massiver Erhöhung der Leistung. So rechnen die Studienmacher, dass – trotz Umstellung auf eine Vollversicherung – die Beiträge im Vergleichsjahr 2017 nur um 0,02 Prozentpunkte gestiegen wären. Bis zum Jahre 2060, würden die Beiträge auch nur 0,25 Prozentpunkte Differenz zum aktuell gültigen Modell der gesetzlichen Pflegeversicherung aufweisen.

Die Linke und die Grünen hatten zuvor bereits ähnliche Forderungen aufgeworfen. Besonders der immer weiter steigende Eigenanteil für Pflegebedürftige hat zuletzt den Ruf nach Reformen lauter werden lassen. Kritiker der Bürgerversicherung, wie der Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung Dr. Florian Reuther, gehen jedoch davon aus, dass der Vorstoß der SPD lediglich auf die Kapitalvorsorge der Privatkrankenkassen schielt. (AssCompact berichtete) Eine derartige Zusammenlegung sieht er jedoch als verfassungsrechtlich nicht möglich. (tku)

Bild: © Thomas Reimer – stock.adobe.com