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24. November 2020
Pflegeversicherung: Wann sind verspätete Meldungen unverschuldet?

Pflegeversicherung: Wann sind verspätete Meldungen unverschuldet?

Ein Versicherer lehnte rückwirkende Pflegetagegeldzahlungen ab, weil ihm der Versicherungsfall verspätet angezeigt wurde. Die Versicherte war jedoch gesundheitlich nicht dazu in der Lage und ihr Ehemann wusste nicht von dem Versicherungsvertrag. Letztlich musste das OLG Frankfurt am Main eine Entscheidung fällen.

Ein Mann hatte vom Pflegeversicherer seiner mittlerweile verstorbenen Frau rückwirkend Pflegetagegeld eingefordert. Die geschlossene Pflegeversicherung sollte gemäß der AVB dann leisten, wenn die Frau schwerstpflegebedürftig würde. 2012 erlitt sie dann einen schweren Schlaganfall, der eine halbseitige Lähmung, den vollständigen Verlust der Sprachfähigkeit und eine erhebliche Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens nach sich zog. 2013 wurde der Grad ihrer Pflegebedürftigkeit mit der damals gültigen Pflegestufe III angegeben, wodurch sie als schwerstpflegebedürftig galt. Pflegestufe III ist dabei nicht zu verwechseln mit dem Pflegegrad 3 der aktuellen Pflegestufen. Informationen zur Abgrenzung sind hier zu finden.

Ehemann weiß nichts von der Pflegeversicherung

Der Ehemann der pflegebedürftig gewordenen Frau besaß zwar eine Vorsorgevollmacht für seine Ehefrau, aber wusste nichts von der Pflegeversicherung, die sie abgeschlossen hatte. Die Frau wiederum war nicht mehr in der Lage sich ihm mitzuteilen und ob sie sich noch an die Versicherung erinnert hätte, darf hinsichtlich des beeinträchtigten Erinnerungsvermögens angezweifelt werden.

Pflegetagegeld rückwirkend beantragt

Als der Mann 2015 auf die Pflegeversicherung aufmerksam wurde, die weiterhin monatlich Beiträge vom Konto seiner Frau abbuchte, meldete er den Versicherungsfall und beantragte eine rückwirkende Leistungserbringung ab 2013. Der Versicherer lehnte die rückwirkende Leistungserbringung jedoch ab. Seiner Meinung nach habe der Mann den Fall selbst verschuldet zu spät gemeldet. Daraufhin klagte der Mann gegen das Versicherungsunternehmen.

OLG erachtet Verspätung als unverschuldet

Vor dem Landgericht unterlag er, doch im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main bekam er Recht zugesprochen. Nach Ansicht des Gerichts habe es sich um eine unverschuldet verspätete Anzeige des Versicherungsfalles gehandelt. In den AVB heiße es diesbezüglich: „Bei einer unverschuldet verspäteten Anzeige des Versicherungsfalls werden die Leistungen jedoch rückwirkend erbracht.“ Dementsprechend sei der Versicherer in der Leistungspflicht.

Keine „Vorsorgeobliegenheit“

Das Gericht erklärte in seiner Urteilsbegründung, dass der Versicherungsfall grundsätzlich durch den Versicherungsnehmer zu erfolgen habe. Die Frau und Versicherungsnehmerin war dazu jedoch nicht mehr in der Lage. Auch die Weitergabe der Information an den Ehemann und Bevollmächtigten war ihr nicht möglich. Auch sei sie nicht verpflichtet gewesen, ihren Mann im Vorfeld über das Bestehen des Versicherungsvertrages in Kenntnis zu setzen. Eine derartige „Vorsorgeobligenheit“ existiere nicht, machte das OLG deutlich.

Kein Versäumnis durch den Ehemann

Auch treffe den Ehemann selbst kein Verschulden. Zwar habe er Zugriff auf das Konto seiner Ehefrau gehabt und wusste von den monatlich abgebuchten Versicherungsbeträgen, jedoch konnte aus dem Buchungstext nicht auf die Art der Versicherung geschlossen werden. Auch sei der Betrag von 20 Euro pro Monat nicht so hoch gewesen, um einen Anlass zu bieten, den Zahlungen auf den Grund zu gehen. (tku)

Bild: © stokkete – stock.adobe.com

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