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3. Juni 2022
PKV: Betriebliche Versicherungen als ergänzende Säule

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PKV: Betriebliche Versicherungen als ergänzende Säule

Die PKV hat auch ein demografisches Problem. Sind die Kunden überaltert?

Der Wechsel von der GKV in die PKV ist durch den überproportionalen Anstieg der Versicherungspflichtgrenze erschwert worden. Als Folge ist das Durchschnittsalter der PKV-Neukunden in den letzten Jahren gestiegen. Durch unser Kapitaldeckungsverfahren gibt es bei den PKV-Kunden jedoch kein demografiebedingtes Finanzierungsthema. Denn jeder neue PKV-Versicherte zahlt von Beginn an einen transparenten altersabhängigen Beitrag, baut also quasi eine Demografie-Reserve auf. Die generelle Alterung hat auf die Beitragskalkulation der PKV – anders als in der umlage­finanzierten GKV – keinen Einfluss.

Wie sehen Sie denn die Zugänge in der PKV und die Wechselbewegungen zwischen GKV und PKV?

Die Lage der PKV in der Vollversicherung hat sich in den letzten Jahren weiter verbessert. Schon das vierte Jahr in Folge wechseln mehr Menschen aus der GKV in die PKV als umgekehrt. Im Saldo ergab sich 2021 ein Plus von 22.500 Versicherten zugunsten der PKV: 145.700 Personen entschieden sich für einen Wechsel aus der GKV in die private. Umgekehrt wechselten 123.200 Personen in die GKV, wobei diese Abgänge zumeist nicht freiwillig erfolgen. Jedes Jahr müssen Tausende seit Geburt privatversicherte junge Leute beim Eintritt ins Berufsleben gezwungenermaßen in die GKV wechseln. Derselbe Effekt betraf tausende Selbstständige bei Auf­nahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Hier setzt sich ein langjähriger Trend fort: Seit 2011 ist die Zahl der Selbstständigen in Deutschland um rund 600.000 gesunken.

Die großen Zuwächse in der PKV kommen aus der Zusatzversicherung. Hoffnungsträger ist die bKV. Wie sehen Sie die Entwicklung?

Bei den Zusatzversicherungen hat die PKV im vergangenen Jahr mit insgesamt 28,4 Millionen Versicherungen einen neuen Höchstwert erreicht. Großer Treiber dieses Wachstums ist die betriebliche Krankenversicherung: Über 17.500 Unternehmen in Deutschland bieten heute ihren Mitarbeitern eine komplett vom Arbeitgeber gezahlte Zusatzversicherung. Das entspricht einem Wachstum von 34% gegenüber dem Jahr 2020. Die Zahl der Beschäftigten, die von einer betrieblichen Krankenversicherung profitieren, ist sogar um 56% auf rund 1,6 Millionen Personen angewachsen.

Für den Erfolg der betrieblichen Kranken- und Pflegezusatzversicherungen gibt es gute Gründe. Arbeitgeber müssen heute den qualifizierten Fachkräften mehr bieten als ein gutes Gehalt und geregelte Arbeitszeiten. Die betriebliche Krankenversicherung ist deshalb ein wichtiger Hebel, um neue Mitarbeiter zu gewinnen und die Beschäftigten zu halten. Wir gehen zudem davon aus, dass betriebliche Lösungen weiter an Bedeutung gewinnen werden. Im demografischen Wandel wird die finanzielle Schieflage der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen zwangsweise zu Leistungs­begrenzungen führen. Betriebliche Versicherungen eignen sich hier sehr gut als ergänzende Säule.

Fordern Sie eine staatliche Förderung von betrieblichen Pflege- und Krankenversicherungen? Und wenn ja, kommt hier Bewegung bei der Politik rein?

Unsere alternde Gesellschaft setzt die umlagefinanzierten Sozialversicherungen unter Druck – besonders in der Pflege. Ohne private Vorsorge wird diese große gesellschaftliche Herausforderung nicht zu meistern sein. Um die private Pflegevorsorge in möglichst allen Schichten der Gesellschaft zu verankern, sind diverse Förderinstrumente denkbar, unter anderem die Förderung betrieblicher Pflegeversicherungen durch Steuer- und Sozial­abgabenfreiheit. So lassen sich ganze Belegschaften gegen das Pflegerisiko absichern. Wie es gehen kann, zeigt die arbeitgeberfinanzierte tarifliche Pflegezusatzversicherung in der Chemie-Branche. Innerhalb von nur vier Monaten haben 430.000 Versicherte eine ergänzende Absicherung für den Pflegefall abgeschlossen. Bei der betrieblichen Krankenversicherung sind Zuwendungen von Arbeitgebern schon heute steuer- und sozialabgabenfrei. Arbeitgeber können ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine betriebliche Versicherung im Rahmen der Freigrenze von 50 Euro für Sachbezüge steuer- und sozialab­gabenfrei gewähren.

Wir hören gerade davon, dass es gerade im Bereich der bKV zu neuen Formen des Provisionswettbewerbs kommt. Das kann Ihrem Anliegen gegenüber der Politik nicht förderlich sein, oder?

Die betriebliche Krankenversicherung ist trotz der beachtlichen Entwicklung immer noch ein relativ junges Geschäftsfeld. Viele Unternehmen und Arbeitgeber kennen die Angebote noch nicht, das bedeutet zusätzliche Beratungsleistungen für den Vertrieb. Das ist angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung eine wichtige Aufgabe – und jeder Betrieb erfordert eine maßgeschneiderte Lösung, also hohe Beratungsqualität. Die Vergütung des Vertriebs ist ein Element des Wettbewerbs zwischen den Versicherungsunternehmen.

 
Ein Interview mit
Dr. Florian Reuther