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3. Juni 2022
PKV: Betriebliche Versicherungen als ergänzende Säule

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PKV: Betriebliche Versicherungen als ergänzende Säule

Corona-Pandemie, Digitalisierung und Alterung der Gesellschaft stellen private Krankenversicherer vor neue Aufgaben. Zugleich sorgt eine sprunghafte Beitragsentwicklung nicht gerade für verbesserte Attraktivität. Wie meistert die PKV zurzeit die großen Aufgaben und wie ist die Entwicklung bei den Zusatzversicherungen?

Interview mit Dr. Florian Reuther, Direktor des PKV-Verbandes
Herr Dr. Reuther, die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei, auch wenn es sich anders anfühlt. Inwiefern wird sie das Krankensystem und insbesondere die PKV noch beschäftigen?

Nach zwei Jahren Corona­virus können wir festhalten, dass die Pandemie die private Krankenversicherung erheblich belastet hat. Insgesamt haben die PKV-Unternehmen seit Beginn pandemiebedingte Leistungen von mehr als 2,8 Mrd. Euro erbracht, um die medizinische Versorgung in der Corona-Krise zu sichern. Wie sich die Corona-Pandemie weiterentwickeln wird, ist schwer vorherzusagen. Und auch die langfristigen Folgen der Absage und Verschiebung von Behandlungen sowie von Covid-19-Erkrankungen sind noch offen, wie beispielsweise das neuartige Krankheitsbild „long covid“ zeigt.

Die vergangenen zwei Jahre haben aber auch gezeigt, dass das Virus in Deutschland auf ein widerstandsfähiges Gesundheitssystem getroffen ist. Wir haben die Corona-Krise im internationalen Vergleich bislang sehr gut gemeistert. Diese stabile Substanz verdanken wir auch unserem dualen Gesundheitssystem mit seinem bewährten Nebeneinander aus privater Krankenversicherung und Sozialversicherung. Im stetigen Wettbewerb miteinander treibt es den medizinischen Fortschritt und die Versorgungsqualität voran.

Rechnen Sie mit größeren Auswirkungen auf das Krankensystem (auch PKV) wegen der Ukraine-Flüchtlinge?

Der Angriffskrieg gegen die Ukraine ist eine große humanitäre Katastrophe. Die Aufnahme und Versorgung von Hunderttausenden Geflüchteten ist eine große gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Schutzsuchende aus der Ukraine erhalten in Deutschland eine hochqualitative medizinische Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dazu gehören die Testung und Impfungen gegen Covid-19. Die Kosten dafür trägt der Staat, wie es sich bei einer gesamt­gesellschaftlichen Aufgabe gehört.

Eigentlich sollte ein zentrales Thema des deutschen Gesundheitssystems die Digitalisierung sein. Ein Thema ist dabei die elektronische Patientenakte. Wie sieht es denn damit und mit anderen Projekten aus?

Für die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des E-Rezeptes von herausragender Bedeutung. Diesen Prozess treiben wir mit viel Energie voran. Als Mitgesellschafter der gematik, die die Telematikinfrastruktur in Deutschland betreibt und weiterentwickelt, engagiert sich der PKV-Verband für einen offenen und sicheren Zugang der PKV-Versicherten zur digitalen Gesundheitsversorgung. Darüber hinaus arbeiten wir an der Einführung von sogenannten digitalen Identitäten. Sie sind der moderne Schlüssel zur Telematikinfrastruktur und werden die elektronische Gesundheitskarte als überholte Technologie ablösen. Die PKV wird direkt mit einer ePA 2.0 einsteigen: Die Unternehmen werden ihren Versicherten dann schon wesentlich umfangreichere Funktionen wie den Impf- und den Mutterpass in digitaler Form anbieten können.

Geht Ihnen die Digitalisierung zu langsam voran? Ehrlich gesagt ist der persönliche Eindruck, den man hat, wenn man bei so manchem Hausarzt aufschlägt: Da ist noch wenig digitalisiert.

Bei der Digitalisierung gibt es im deutschen Gesundheitssystem auf jeden Fall Nachholbedarf – das zeigt auch der Blick ins Ausland. Aber wir sind auf einem guten Weg. An vielen Stellen gleichzeitig wird am Roll-out neuer digitaler Anwendungen gearbeitet. Die ersten PKV-Unternehmen werden ihren Versicherten ab 2023 die ePA 2.0 per Smartphone-App zur Verfügung stellen. Über die ePA 2.0 will die PKV ihren Versicherten dann auch das E-Rezept zur Verfügung stellen. In anderen Bereichen sind wir auf die Unterstützung der Politik angewiesen. Gesetzliche Klarstellungen und Rechtssicherheit braucht es zum Beispiel bei der Integration neuer Leistungen wie den Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGa) in bestehende Tarife sowie der Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Digitale Innovationen treiben wir aber auch als Gründer des Venture-Capital-Fonds „Heal Capital“ voran. Mit 100 Mio. Euro fördert der Fonds junge Unternehmen, die digitale Innovationen für die Gesundheitsversorgung entwickeln. In nur zwei Jahren hat „Heal Capital“ ein dynamisches Portfolio von internationalen Healthtech-Unternemen aufgebaut und sich als ein führender europäischer Investor für digitale Gesundheits­lösungen etabliert.

 
Ein Interview mit
Dr. Florian Reuther