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24. September 2022
Possenspiel in Nordfriesland und die Frage nach der Kündigung
two businessmen arguing

Possenspiel in Nordfriesland und die Frage nach der Kündigung

Im sonst so beschaulichen und gastfreundlichen Nordfriesland bieten seit einiger Zeit zwei Versicherungsvertreiber ein unwürdiges Schauspiel zulasten ihrer Kunden. Die Parteien streiten und die Kunden kündigen Verträge. Ein Possenspiel, findet Hans-Ludger Sandkühler.

Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler

Im sonst so beschaulichen und gastfreundlichen Nordfriesland bieten seit einiger Zeit zwei fast namensgleiche Versicherungsvertreiber ein unwürdiges Schauspiel zulasten ihrer Kunden: Der Ver­sicherer Schleswiger Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit in Emmelsbüll-Horsbüll und der Ver­sicherungsmakler und Assekuradeur Schleswiger Versicherungsservice AG in Neumünster. Die Parteien streiten wie die Kesselflicker über die Rechtswirksamkeit einer vom Assekuradeur vorgenommenen Umdeckung von Wohngebäudever­sicherungen von dem Schleswiger VVaG auf einen anderen Versicherer. Die Kunden stimmen mit den Füßen ab und kündigen Verträge. Ein Possenspiel.

Chronik der Ereignisse – Stein des Anstoßes

Ursprünglich arbeiteten die Akteure friedlich und erfolgreich zusammen. Der Versicherer als Risikoträger, der Assekuradeur als vom Risikoträger Bevollmächtigter für Policierung, Inkasso, Vertragsverwaltung und Schadenregulierung. Ende 2020 wendete sich das Blatt.

Am 16.10.2020 schreibt der VVaG seiner Kundin K. in Bochum, dass er die Vollmachten widerrufen habe und Frau K. künftig fällig werdende Beiträge direkt an den VVaG „zu entrichten“ habe. Am 19.10.2020, also drei Tage später, schreibt der Assekuradeur derselben Kundin K., dass er für Fälligkeiten ab dem 01.11.2020 „Veränderungen bei unserem Risikoträger vornehmen“ werde. Zur Hauptfälligkeit 01.11.2020 ihres Vertrages erhält Frau K. am 30.10.2020 (!) vom VVaG eine Beitragsrechnung für den Zeitraum 01.11.2020 bis 01.11.2021. Am 11.11.2020 bucht der Assekuradeur bei der Kundin den Jahresbeitrag ab. Der VVaG erinnert Frau K. am 10.12.2020 an die Zahlung des Jahresbeitrags. Diese reklamiert am 12.12.2020 und am 28.12.2020 beim Assekuradeur und verweist dabei auf die erfolgte Abbuchung vom 11.11.2020. Bereits am 10.02.2021 antwortet der Assekuradeur. Nach den Vertragsbestimmungen sei er berechtigt, den Versicherungsschein zu erstellen, den Verwaltungsschriftwechsel zu führen sowie den Beitragseinzug durchzuführen. Die reklamierte Zahlungsaufforderung sei nicht von ihm, sondern vom Risikoträger veranlasst. Wenn dieser erneut zur Zahlung auffordere, möge Frau K. den Assekuradeur informieren. Dann werde er sich darum kümmern. Im Übrigen bestätigt der Assekuradeur den Eingang des Jahresbeitrages vom 01.11.2020 bis 01.11.2021. Die Sache scheint sich erledigt zu haben.

Erste Eskalation

Am 20.05.2021 mahnt der VVaG Frau K. gemäß § 38 VVG genau wegen dieses Jahresbeitrags. Der Mahnung beigefügt ist eine Kundeninformation, in der der VVaG auf sein Schreiben vom 16.10.2020 Bezug nimmt und darauf verweist, dass die Verwaltung des Wohn­gebäudevertrages aus den in den Schreiben genannten Gründen „direkt aus seinem Hause getä­tigt“ werde. Der Assekuradeur sei demgegenüber der Meinung, ohne Rücksprache mit seinen Kunden einen neuen Versicherungsvertrag bei einem anderen Versicherer abschließen zu dürfen und behaupte, den bestehenden Versicherungsvertrag bei dem VVaG im Namen und in Vollmacht der Frau K. fristgerecht gekündigt zu haben. Eine entsprechende Kündigung liege aber beim VVaG nicht vor. Möglicherweise bestünden bei Frau K. nunmehr gegebenenfalls zwei Versicherungsverträge für dasselbe Risiko. Grundsätzlich bestehe die Möglichkeit, den später geschlossenen Vertrag gemäß § 79 VVG aufheben zu lassen.

Frau K. ist entsetzt. Der Jahresbeitrag ist ja schon am 11.11.2020 vom Assekuradeur abgebucht worden. Trotzdem läuft sie jetzt Gefahr, zwei Wochen nach Zugang der Mahnung des VVaG ohne Versicherungsschutz dazustehen. Eine neue Police vom Assekuradeur hat sie noch nicht. Frau K. hat in ihren Unterlagen den Zahlungsnachweis vom 11.11.2020 und beschließt, die Mahnung des VVaG zu ignorieren. Es kommen keine weiteren Nachrichten vom VVaG. Die Sache scheint sich erledigt zu haben.

Zweite Eskalation

Am 14.10.2021 teilt der Assekuradeur Frau K. mit, er sei im Rahmen einer regelmäßigen Überprüfung des Marktes bei ihrem Vertrag zu dem Ergebnis gekommen, den Versicherer zu wechseln und gleichzeitig ein „beitragsneutrales TarifUpdate“ zu gewähren. Dem Schreiben beigefügt ist ein neuer Versicherungsschein mit neuem Risikoträger und neuer Versicherungsnummer. Der Einzug des Jahresbeitrages per Lastschrift wird für den 01.11.2021 avisiert.

Am 26.10.2021 schickt der VVaG Frau K. zu der „alten“ Ver­sicherungscheinnummer eine Beitragsrechnung für den Zeitraum vom 01.11.2021 bis zum 01.11.2022. Frau K. hat mittlerweile längst den Überblick verloren, zumal die Firmierung der beiden Akteure zum Verwechseln ähnlich ist und Frau K. sowieso nicht weiß, welche Unterschiede zwischen einem Risikoträger, einem Assekuradeur und einem Versicherungsmakler bestehen. Ihr Ausgangsvermittler war ohnedies ein ganz anderer, nämlich die Swiss Life Select Deutschland GmbH. Wieder vertraut Frau K. auf den erfolgten Beitragseinzug und kümmert sich nicht weiter um die Sache.

Showdown

Ein gutes halbes Jahr später, am 23.06.2022, mahnt der VVaG Frau K. wegen des Jahresbeitrages vom 01.11.2021 bis zum 01.11.2022 gemäß § 38 VVG. Wiederum ist der Mahnung eine Kundeninformation beigefügt, die abermals auf das Schreiben des VVaG vom 16.10.2020 Bezug nimmt und auch im Übrigen inhaltlich der Kundeninformation vom 20.05.2021 entspricht.

Mittlerweile völlig verunsichert ruft Frau K. wütend beim Assekuradeur an und bittet um Klärung. Mit Schreiben vom 19.07.2022 versucht dieser eine Erläuterung des Sachverhaltes. Er verweist zunächst abermals auf seine umfangreichen Vollmachten durch die entsprechenden Risikoträger und teilt dann mit, dass er im September 2020 den Versicherungsvertrag der Frau K. beim VVaG zum 01.11.2021 (!) gekündigt und beim neuen Risikoträger abgeschlossen habe. Kein Wort davon, dass er mit Schreiben vom 19.10.2020 Änderungen beim Risikoträger bereits zum 01.11.2020 angekündigt hatte. Frau K. sei also über ihn beim neuen Risikoträger versichert. Die Aussage des VVaG, dass der Vertrag der Frau K. dort rechtsgültig bestehe, könne er nicht bestätigen. Der Eingang der Jahresprämie vom 01.11.2021 bis zum 01.11.2022 werde bestätigt. Demnach bestehe Versicherungsschutz über den neuen Risikoträger.

Völlig entnervt kündigt Frau K. ihren Wohngebäudeversicherungsvertrag sowohl beim VVaG als auch beim Assekuradeur. Beide Akteure bestätigen jeweils die Aufhebung des Vertrages.

Fatale Signale

Beide Versicherungsvertreiber haben der Branche einen Bärendienst erwiesen und großen Schaden zugefügt. Dem Vernehmen nach konnte noch nicht einmal der Ombudsmann die Parteien zu einer vernünftigen Beilegung ihres Streites bewegen. Es ist erbärmlich, wenn Versicherungsvertreiber nicht in der Lage sind, ein bestehendes Rechtsverhältnis richtig und würdig zu beendigen. Soweit ersichtlich, streiten die Parteien wechselseitig über die Rechtmäßigkeit ihrer Kündigungen. Eigentlich banal. Kündigung ist eine einseitige, zugangsbedürftige Willenserklärung. Bestreitet der Empfänger den Erhalt, muss der Kündigende den Zugang der Kündigung beweisen. Dazu und zu Rechtsfragen rund um die Rechtsfigur des Assekuradeurs demnächst mehr an dieser Stelle.

Über Hans-Ludger Sandkühler

Hans-Ludger Sandkühler ist aus­gewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Außerdem ist er Mitinitiator des Arbeitskreises „Beratungsprozesse“ sowie Geschäftsführer des Instituts für Verbraucherfinanzen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2022, S. 92 f., und in unserem ePaper.

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