Zum Jahresende geht es noch einmal Schlag auf Schlag beim Thema Altersvorsorge. Letzten Freitag verabschiedete das politische Berlin das Rentenpaket, mit dem die Haltelinie von 48% bis 2031 gesichert wurde. Und noch am selben Tag ging es weiter an die zweite Säule: die private Altersvorsorge.
Das Bundesfinanzministerium hat den Referentenentwurf zur Reform der privaten Altersvorsorge öffentlich gemacht – samt Vorschlägen zur Reform der Riester-Rente und einem staatlich geförderten Altersvorsorgedepot. Stichwörter: Kostendeckelung für Produkte bei maximal 1,5%, Auszahlungsplan statt lebenslanger Rente, Vorsorgen mit garantielosen Produkten und eine Möglichkeit, staatlich gefördert in Aktien und ETFs zu investieren. Die genauen Infos hat AssCompact hier zusammengetragen.
Was hält die Versicherungs- und die Vermittlerbranche soweit von dem Entwurf? Dass es sich dabei um einen guten ersten Schritt handelt, darüber sind sich praktisch alle einig – aber nicht jedes Detail schmeckt allen Branchenvertretern.
Versicherer sehen Gefahr von Vorsorgelücken
Als eines der ersten Statements noch am Freitagabend ging der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft an die Presse und erläutert, dass der Entwurf an den richtigen Stellen ansetze und eine „solide Grundlage“ für eine zukunftsfeste Vorsorge biete. Er erweitere die Entscheidungsmöglichkeiten in der Rentenphase. Die nun neben der klassischen lebenslangen Rente geplanten zeitlich befristeten Zahlungen bis zum 85. Lebensjahr würden mehr Flexibilität schaffen und ermöglichen, auch im Rentenalter stärker von Kapitalmarktchancen zu profitieren. Und: Wenn nicht mehr jeder eingezahlte Euro zu 100% garantiert werden muss, könne mehr Geld chancenorientiert am Kapitalmarkt angelegt werden, was zu höheren Renten als in der Riester-Rente führen könne.
Allerdings dürfe aus Sicht des GDV staatlich geförderte Altersvorsorge niemanden im hohen Alter ungeschützt lassen. Die Kehrseite der im Entwurf vorgesehenen neuen Freiheit sei also, dass viele Menschen heute 90 oder 95 Jahre erreichen würden, weswegen ein wachsender Teil der Bevölkerung im sehr hohen Alter ohne Einkommen da stehen könne, wenn Zahlungen bereits mit 85 enden.
Auch sieht der GDV die Ausgestaltung des Standarddepots ohne Garantien kritisch. Für viele Menschen sei eine verlässliche Mindestabsicherung entscheiden, um Vertrauen in die private Altersvorsorge zu fassen. Ein rein chancenorientiertes Produkt könne diesem Sicherheitsbedürfnis nur begrenz gerecht werden.
BVI sieht entscheidenden Schritt
Der Fondsverband BVI steht, fast schon erwartungsgemäß, dem Entwurf noch positiver gegenüber als GDV. Hauptgeschäftsführer Thomas Richter sieht darin einen wichtigen Schritt, damit die Menschen ihre wachsende Rentenlücke verringern können. Mit dem Altersvorsorgedepot könnten Sparer aus einer Vielzahl an Produkten wählen und für das Alter vorsorgen. Der gesetzliche Zwang zu Garantien und lebenslanger Verrentung entfalle damit und mache den Weg frei für flexible Spar- und Auszahlmodelle. Das eröffne Sparern höhere Renditechancen als die Riester-Rente, da Beitragsgarantien und Verrentung teuer seien und die Rendite schmälern würden.
Vermittlerverbände: Guter erster Schritt, aber …
Die Vermittlerverbände sind sich weitgehend einig: Das Paket greift an den richtigen Stellen an, um die private Altersvorsorge zu verbessern und zu modernisieren. Doch bspw. der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW sieht „erheblichen Nachbesserungsbedarf“, wenn es darum geht, inwiefern Beratung beim Altersvorsorgedepot involviert ist. Die geplante Möglichkeit, das Standarddepot ohne Beratung abzuschließen, stehe im Widerspruch zu allen bisherigen Bemühungen, die Beratungsqualität zu stärken.
Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW: „Gute Beratung ist kein Kostenfaktor, sondern ein Schutzfaktor. Wer Altersvorsorge allein über den Preis definiert, blendet aus, dass Verbraucherinnen und Verbraucher eine individuelle Orientierung benötigen. Der Gesetzgeber muss ‚Value for Advice‘ anerkennen und darf unabhängige Beratung nicht strukturell benachteiligen.“ Auch führe die geplante Begrenzung der Effektivkosten auf 1,5% beim Standarddepot in der Praxis zu einem Vergütungsdeckel, von dem insbesondere unabhängige Vermittlerinnen und Vermittler betroffen wären.
Ganz ähnlich klingt die Einschätzung von Bernhard Gause, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler (BDVM). Er sagt auf AssCompact Anfrage: „Altersvorsorge muss beraten werden, daher sehen wir die Möglichkeit, das Standardprodukt ohne Beratung abzuschließen, sehr kritisch. Unklar bleibt auch die Rentenphase: am Ende braucht es einen Versicherer für Rente bzw. Auszahlungsplan. Der Kunde kauft heute ein Produkt, dessen Rentenausgestaltung in 30 bis 40 Jahren völlig offen ist. Damit ist das Modell in der Praxis nur mit erheblichen Schnittstellen und Kosten darstellbar. Man etabliert ein neues Produkt, obwohl die Reformpunkte einfach in das bestehende Riester-System integrierbar wären.“
Und auch der BVK sieht die Beratung nicht ausreichend repräsentiert und betont, dass er die Überlegung, dass Verbraucher beim Standarddepot Anlageentscheidungen ohne qualifizierte Beratung treffen können, kritisch sehen. Der Verband ist allerdings ebenso damit unzufrieden, dass der Entwurf stärker auf ETFs ausgerichtet ist. „Kritisch sehen wir […], dass der Gesetzgeber kapitalmarktorientierte ETFs präferiert, wo doch gerade die Versicherungswirtschaft das Langlebigkeitsrisiko absichert. Dass bei einem Ende der Auszahlungen bereits mit 85 Jahren ein wachsender Teil der Bevölkerung im sehr hohen Alter ohne Einkommen aus der geförderten Altersvorsorge verbleibt, ist daher wenig zielführend“, so BVK-Präsident Michael H. Heinz.
Makler-Einschätzung: Reform könnte „noch viel weiter gehen“
Für Alexander Kukovic von bamboo finance sieht in den bisherigen Reformpläne, insbesondere der Modernisierung der Riester-Förderung und der Einführung eines geförderten Altersvorsorgedepots einen wichtigen und längst überfälligen Schritt, die allerdings noch viel weiter gehen und den Bürgern damit auch einen unmittelbaren sowie langfristigen Mehrwert bieten könnte.
Kukovic würde an mehreren Stellen ansetzen. Beispielsweise könne er sich vorstellen, von einer starren Beitragsgarantie, wie man sie bei Riester-Verträgen bisher hat, abzuweichen. Ein flexiblerer Garantierahmen könne die Attraktivität der Riester-Rente deutlich erhöhen.
IVFP erhofft sich Klarheit
Prof. Michael Hauer vom Institut für Vorsorge und Finanzplanung zeigt sich auf AssCompact Anfrage vorsichtig hoffnungsvoll: „Aus IVFP-Sicht ist die Schlussfolgerung klar: Die Reformagenda greift das richtige Bedürfnis auf – frühe, einfache und investive Vorsorge. Entscheidend wird sein, ob ein Altersvorsorgedepot tatsächlich so verständlich, flexibel und kostentransparent gestaltet wird, wie die Gen Z es erwartet, und ob die Kommunikation die Funktionslogik ohne Fachbarrieren erklärt.“
Viele Details sind also noch nicht geklärt – und auch der Beschluss ist noch nicht sicher. Am 17.12.2025 will das Kabinett zur privaten Altersvorsorgereform tagen. (mki)
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