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Steuern & Recht
21. April 2023
Sind Einrichtungen einer Gruppenversicherung Vermittler?
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Sind Einrichtungen einer Gruppenversicherung Vermittler?

Gruppenversicherungen ermöglichen Firmen und Vereinen unkomplizierten Versicherungsschutz für Mitarbeiter und Mitglieder. Doch nach einem Urteil von EuGH und BGH sind Einrichtungen, die solche Policen abschließen, künftig als Vermittler einzustufen.

Ein Artikel von Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat durch aktuelles Urteil vom 15.12.2022 (Az.: I ZR 8/19) klargestellt, dass ein Unternehmen als Versicherungsvermittler im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 Gewerbeordnung (GewO) einzustufen ist und deshalb einer vermittlerrechtlichen Erlaubnis der zuständigen IHK bedarf, wenn es

  • als Versicherungsnehmer eine Auslandsreisekrankenversicherung sowie eine Auslands- und Inlandsrückholkostenversicherung als Gruppenversicherung für seine Kunden bei einem Versicherungsunternehmen unterhält und
  • gegenüber Verbrauchern Mitgliedschaften vertreibt, die zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen im Falle einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland berechtigen und
  • überdies hierfür von den geworbenen Mitgliedern eine Vergütung für den erworbenen Versicherungsschutz erhält.
Rechtsstreit weist ein lange Historie auf

Der vom BGH am 15.12.2022 entschiedene Rechtsstreit weist eine lange Historie auf. Das durch den Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände auf Unterlassung in Anspruch genommene Unternehmen beauftragte Werbeunternehmen, im Wege der Haustürwerbung Verbrauchern den Beitritt zu einer Mitgliedergemeinschaft anzubieten. Dieser berechtigte zur Inanspruchnahme verschiedener Leistungen im Falle einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland. Hierzu zählten die Erstattung der Kosten für medizinisch notwendige Heilbehandlungen und Krankentransporte, die Organisation und Durchführung entsprechender Transporte sowie der Betrieb einer telefonisch erreichbaren Alarmzentrale. Die versprochenen Leistungen wurden entweder aus dem Vermögen des verklagten Unternehmens direkt oder über Ansprüche aus einer Gruppenversicherung erbracht, soweit Versicherungsleistungen in Rede standen.

Das verklagte Unternehmen war mit einem anderen Unternehmen vertraglich verbunden, welches mit seinem medizinischen Personal und seinem Fluggerät für das verklagte Unternehmen einen Teil der Versicherungsleistungen sowie die Organisation der rund um die Uhr besetzten Alarmzentrale erbrachte, wofür es seitens des beklagten Unternehmens eine Vergütung erhielt. Das beklagte Unternehmen selbst unterhielt ferner als Versicherungsnehmer eine Gruppenversicherung bei einer Versicherungsgesellschaft, durch die für ihre Kunden Versicherungsschutz im Rahmen einer Auslandsreisekrankenversicherung sowie eine Auslands- und Inlandsrückholkostenversicherung gewährt wurde. Über eine Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung verfügte das verklagte Unternehmen nicht, weil es der Auffassung war, es vermittle als Versicherungsnehmerin einer Gruppenversicherung keine Versicherungsverträge.

Diese rechtliche Einschätzung teilte das Landgericht Koblenz in seinem Urteil vom 26.06.2018 (Az.: 2 HK O 67/17) nicht und gab dem Unterlassungsantrag des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände recht. Das Oberlandesgericht Koblenz (OLG) änderte hingegen durch Urteil vom 19.12.2018 (Az.: 9 U 805/18) das Urteil des Landgerichts Koblenz und wies die Klage ab. Der BGH sah die Frage, ob in Konstellationen der beschriebenen Art eine Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung benötigt werde, als europarechtlich nicht ausreichend geklärt und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) durch Beschluss vom 15.10.2020 die Beantwortung der Frage zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH bejahte das Erfordernis einer Vermittlererlaubnis durch Urteil vom 29.09.2022 (Az.: C 633/20). Vor diesem Hintergrund hob der BGH das Urteil des OLG vom 19.12.2018 auf und wies die Berufung des verklagten Unternehmens zurück.

BGH: Hohes Niveau der Vermittlung muss gewahrt bleiben

Der BGH führt in seinem jüngst veröffentlichten Urteil aus, die in § 34d Abs. 1 S. 1 GewO vorgesehene Eintragungspflicht habe das Ziel sicherzustellen, dass als Versicherungsvermittler nur tätig werde, wer die strengen beruflichen Anforderungen in Bezug auf Sachkompetenz, Leumund, Berufshaftpflichtschutz und finanzielle Leistungsfähigkeit erfülle. Es solle zum einen ein hohes berufliches Niveau der Versicherungsvermittlung und zum anderen der Verbraucherschutz verbessert werden. Hiervon ausgehend hat der BGH für den von ihm zu entscheidenden Fall entschieden, dass in derartigen Fällen auch der Versicherungsnehmer einer Gruppenversicherung Versicherungsvermittler im Sinne des § 34d Abs. 1 S. 1 GewO jedenfalls dann ist, wenn jede Mitgliedschaft eines Kunden des Versicherungsnehmers, der den Gruppenversicherungsvertrag mit dem Versicherer abgeschlossen hat und in diesem Rahmen Versicherungsbeiträge an den Versicherer entrichtet, freiwillig ist und der Versicherungsnehmer für die Zuführung des Kunden von dem Versicherer eine Zahlung erhält.

In diesem Fall trage nämlich der Versicherungsnehmer gegen Erhalt einer Vergütung dazu bei, dass seine Kunden den Versicherungsschutz erlangten, der in dem von dem Versicherungsnehmer mit einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Vertrag vorgesehen ist. Die Aussicht auf diese Vergütung stelle für den Versicherungsnehmer ein eigenes wirtschaftliches Interesse dar, welches sich von dem Interesse der Mitglieder unterscheide und geeignet sei, sie zu veranlassen, angesichts der Freiwilligkeit des Beitritts zu diesem Vertrag auf eine große Zahl von Versicherungsbeitritten hinzuwirken, wovon im Übrigen auch der Rückgriff auf Werbeunternehmen zeuge, die den Vertragsbeitritt im Wege der Haustürwerbung angeboten hatten. Für den BGH war bei dieser Konstellation unerheblich, dass es sich bei dem verklagten Unternehmen als Versicherungsnehmer nicht um eine außerhalb des Versicherungsvertrags stehende Person handelte, da ein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Beitritt der Kunden auf möglichst breiter Ebene auch bei dieser Konstellation nicht zu leugnen sei, was wiederum eine erhöhte Schutzbedürftigkeit der Kunden indiziere.

Fazit und Schlussfolgerung

Der BGH hat betont, dass in Fällen dieser Art die Tätigkeit des Versicherungsnehmers mit der zu vergütenden Tätigkeit eines Versicherungsvermittlers oder eines Versicherungsvertrages vergleichbar sei, sodass der Umstand, dass das verklagte Unternehmen selbst Versicherungsnehmerin des Gruppenversicherungsvertrags sei, keine Bedeutung habe. Damit hat der BGH einen jahrelangen Streit entschieden, bei welcher Konstellation auch der Versicherungsnehmer eines Gruppenversicherungsvertrags Versicherungsvermittler ist. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Versicherungsnehmer eines Gruppenversicherungsvertrags stets als Versicherungsvermittler einzustufen ist.

Sowohl die Entscheidung des EuGH als auch das Urteil des BGH waren durch die Besonderheiten des zu entscheidenden Sachverhalts geprägt, bei dem der Versicherungsnehmer der Gruppenversicherung wie ein Versicherungsvermittler agierte, insbesondere für die Vermittlung der Beitrittserklärungen eine Vergütung erhielt und der Beitritt freiwillig erfolgte. Inwieweit somit die oben skizzierten Gedanken des BGH auf andere Fallkonstellationen übertragen werden können, bleibt abzuwarten. Jedenfalls bleibt es dabei, dass der Versicherungsnehmer eines Gruppenversicherungsvertrags auch nach dem Urteil des BGH nicht per se die Eigenschaft eines Versicherungsvermittlers hat.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2023, S. 106 f., und in unserem ePaper.

Bild: © cat027 – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Frank Baumann