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22. Februar 2022
Stürmischer Dreiklang kommt Versicherer teuer zu stehen

Stürmischer Dreiklang kommt Versicherer teuer zu stehen

Innerhalb weniger Tage sind drei Sturmtiefs über Deutschland hinweggezogen. Mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 150 Stundenkilometern fegten die Orkantiefs „Ylenia“, „Zeynep“ und „Antonia“ über das Land. Wie lautet die vorläufige Schadenbilanz und gibt es einen Zusammenhang zum Klimawandel?

„Ylenia“, „Zeynep“ und „Antonia“ nennt sich der verhängnisvolle Dreiklang an ausgewachsenen Sturmtiefs, die innerhalb weniger Tage in rascher Reihenfolge über Deutschland hinweggetobt sind. Die Sturm-Serie kostete in Europa mindestens 16 Menschen das Leben und richtete in Deutschland Schäden in Höhe von vorläufig etwa 1,5 Mrd. Euro an, wie die Versicherungsmathematiker des Kölner Beratungsunternehmens Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) schätzen.

Ylenia wütete nahezu in ganz Deutschland

Bereits am Donnerstag, 17.02.2022, zog die Kaltfront des Sturmtiefs Ylenia über Deutschland mit orkanartigen Böen hinweg. Nahezu alle Regionen Deutschlands waren davon betroffen. An mehr als 35% der Stationen wurden Maximalböen von 100 km/h und mehr gemessen. Im Unterschied zu Sturm Nadia im Januar waren dieses Mal wieder Bergstationen die Spitzenreiter, voran der Brocken mit 152 km/h. „Wir schätzen den versicherten Schaden in Deutschland auf 500 Mio. Euro“, sagt Onnen Siems, Geschäftsführer bei MSK, und ordnet ein: „Die Schadensumme verteilt sich durch das großflächige Ereignis gleichmäßiger im Markt und sollte keine Rückversicherungsprogramme betreffen. Eine Schadensumme dieser Größe kommt alle ein bis zwei Jahre vor“. Außerdem, so Siems, dürfe die überwiegende Schadensumme in Europa aus Deutschland kommen, auch wenn Dänemark oder Polen ebenfalls betroffen waren.

Zeynep besonders in Norddeutschland aktiv

Sturm Zeynep – mit internationalem Namen Eunice – überquerte West- und Mitteleuropa vom 18.02. bis 19.02.2022 mit Orkanböen und verursachte auf seinem Weg enorme Schäden. Zeynep brachte hohe Windgeschwindigkeiten, wobei der Leuchtturm „Alte Weser“ mit 162 km/h den höchsten Messwert registrierte. Begleitet wurden die Orkanböen von Sturmfluten an der Nordsee. Hamburg wurde so von einer „sehr schweren Sturmflut“ mit 3,5 m über dem mittleren Hochwasser getroffen. Das Zentrum des Sturmfelds lag im Norden Deutschlands. Südlich einer Linie von Saarbrücken bis Nürnberg waren die Auswirkungen gering. Nach MSK-Angaben zählt Zeynep damit zum stärksten Sturmereignis seit Kyrill 2007, das seinerzeit Schäden in Höhe von 3 Mrd. Euro verursachte. Bei Zeynep prognostiziert Onnen Siems Schäden in Höhe von etwa 900 Mio. Euro. Allerdings: Die Schadensumme durch Zeynep könne sich möglicherweise noch weiter erhöhen, abhängig z. B. von der Inflationsrate und Baupreissteigerungen, gibt Siems zu bedenken. Mit 200 Mio. Euro beziffern sich indes die Schadenssummen infolge von Sturmtief "Antonia" nach MSK-Angaben erheblich geringer. Allerdings, so Siems, habe es in den Wetteraufzeichnungen, die mehr als 50 Jahre zurückreichen, in Deutschland eine solche Sturmserie bisher nicht gegeben. Unterdessen gab der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) e.V. auf AssCompact-Anfrage an, dass erst zum Ende dieser Woche eine Schadenschätzung zur aktuellen Sturm-Serie veröffentlicht werden wird.

2022 als weiteres schadenintensives Naturgefahrenjahr?

Zusammen genommen sind die Auswirkungen auf die Assekuranz mit versicherten Schäden in Höhe von mindestens 1,6 Mrd. Euro gleich zu Jahresbeginn 2022 enorm. Dabei beziffern diese Schätzungen nur die versicherten Schäden. Viele Schäden und Zerstörungen sind aber gar nicht versichert, sodass der gesamte wirtschaftliche Schaden deutlich höher liegen dürfte. Erst 2021 war nach Angaben des GDV das teuerste Jahr für die Versicherer. „Mit versicherten Schäden an Häusern, Hausrat, Betrieben und Kraftfahrzeugen von rund 12,5 Mrd. Euro ist 2021 das teuerste Naturgefahrenjahr seit Beginn der Statistik Anfang der 1970er-Jahre“, analysierte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer beim GDV. Dabei steht die Intensitätszunahme der Wetterkapriolen in engem Zusammenhang mit dem Klimawandel, wie AssCompact bereits anhand eines Experteninterviews berichtete. Nun deutet sich erneut ein weiteres, recht schadenintensives Jahr für die Versicherer in Deutschland an, was möglicherweise auch der Debatte um eine Pflichtversicherung beim Elementarschutz eine neue Dynamik einhauchen könnte, wovon ebenfalls bereits auf AssCompact.de zu lesen ist.

Auch Großbritannien betroffen

Unterdessen waren neben Deutschland auch weitere westeuropäische Länder, darunter Großbritannien, Belgien und die Niederlande, von der Sturmserie betroffen. Im sturmerprobten Vereinigten Königreich betragen nach Angaben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) allein infolge des Sturms Zeynep die Schäden wohl zwischen umgerechnet rund 240 und 420 Mio. Euro. Hier waren insbesondere Wohn- und Unternehmensgebäude beschädigt. Außerdem wurde der Bahn- und Flugverkehr auf der Insel erheblich beeinträchtigt.

Höhere Temperaturen, stärkere Stürme?

Grundsätzlich kann der DWD nur darauf hinweisen, dass es natürliche jährliche Schwankungen in der Häufigkeit und Intensität von Stürmen gibt, aber ein langjähriger Trend zu Änderungen bisher nicht eindeutig zu erkennen ist. So ist in den letzten Jahrzehnten an der Nordsee infolge der globalen Erwärmung nach DWD-Angaben keine Änderung der mittleren Windgeschwindigkeit und der Spitzenböen festzustellen. Die Zeitreihen der Jahresmittel zeigen ab 1950 eher eine leichte Abnahme, die allerdings von deutlichen Unterschieden von Jahr zu Jahr gekennzeichnet ist. Für das deutsche Binnenland finden sich sogar Hinweise, dass die Zahl der Sturmtage in den letzten 30 Jahren abgenommen haben könnte. Generell, so die Klimaforscherin Friederike Otto vom Imperial College in London, sei der Einfluss des Klimawandels auf die Stärke von Winden nicht nachgewiesen. (as)

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