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9. September 2023
Tarifvertragliche bAV – drei Profis nehmen Stellung
Ordner mit der Beschriftung Tarifvertrag

Tarifvertragliche bAV – drei Profis nehmen Stellung

Wo liegen die Herausforderungen einer tarifvertraglich gebundenen bAV? Davon handelte eine Diskussion auf dem AssCompact Forum betriebliche Versorgung im Juni 2023. Initiator und Moderator der Runde war Rechtsanwalt Christian Guse, der die zentralen Aussagen zusammenfasst.

Ein Artikel von Christian Guse, Inhaber der Rechtsanwaltskanzlei Guse

Mit dem Thema „Rechtsfragen beim Verkauf betrieblicher Vorsorgeprodukte vor tarifvertraglichem Hintergrund“ hatte das AssCompact Forum betriebliche Versorgung am 20.06.2023 in Neuss ein praxisrelevantes Thema in seine Veranstaltung aufgenommen, denn das Betriebsrentengesetz regelt mit verschiedenen Vorschriften auch die tarifvertraglich gebundene betriebliche Altersversorgung (bAV). In § 20 BetrAVG heißt es z. B.: „Soweit Entgeltansprüche auf einem Tarifvertrag beruhen, kann für diese eine Entgeltumwandlung nur vorgenommen werden, soweit dies durch Tarifvertrag vorgesehen oder durch Tarifvertrag zugelassen ist.“ Nach den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes betrifft dies 41% aller Beschäftigungsverhältnisse. Makler, bAV-Berater und Vermittler sind im Kundengespräch damit konfrontiert. Daher war es nur konsequent, dass sich das AssCompact Forum diesem Aspekt in Form einer Podiumsdiskus­sion mit prominenten Teilnehmern widmete.

Eingeladen war Stephan Huber von Xempus/eVorsorge. Er hatte als Spezialist für digitale Verwaltung und digitale Vertriebsunterstützung zugesagt. Nach dem Firmenzusammenschluss von Xempus und eVorsorge im Mai dieses Jahres waren alle gespannt zu hören, welche Rolle er den digitalen Dienstleistungsplattformen in Vertrieb und Verwaltung der tarifvertragsgebundenen bAV beimessen würde. Außerdem hatte Christian Birkenheier zugesagt, Geschäftsführer der prorente-Debeka Pensions-Management GmbH. Last, but not least Prof. Dr. Bert Rürup: Der ehemalige Wirtschaftsweise der Bundes­regierung war als Keynote-Speaker mit einem eigenen Vortrag angereist und nahm spontan an der Podiumsdiskussion teil. Schnell wurden unterschiedliche Interessenlagen sichtbar.

Die Versicherer – Partner der Sozialpartner?

Die produktgebenden Versicherer haben das nachvollziehbare Interesse, in Tarifverträgen als Umsetzungspartner genannt zu werden. In diesem Zusammenhang war Christian Birkenheier einge­laden worden. Als Mitverantwort­licher der Deutschlandrente hatte er mehrfach mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaftsvertretern unterschiedlicher Branchen gesprochen. Die Deutschlandrente ist eines der Konsortien zur partnerschaftlichen Umsetzung einer soge­nannten gemeinsamen Einrichtung. Bei einer gemeinsamen Einrichtung geht es darum, dass die Tarifvertragsparteien zusammen mit einer oder mehreren produktgebenden Gesell­schaften tarifvertragliche bAV betreiben und auch gemeinsam verwalten. Gefragt nach seinen Erfahrungen aus den Gesprächen mit den Tarifvertragsparteien berichtete er von der Offenheit bei den Sozialpartnern und guten Gesprächen mit ihnen, gleichzeitig aber auch davon, dass dem Interesse keine konkrete Umsetzung seitens der Tarifvertragsparteien gefolgt sei. Ein Eindruck, der sich mit der Realität deckt, denn die konkrete Umsetzung einer gemeinsamen Einrichtung, wie sie durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz unterstützt werden sollte, kann in Deutschland an einer Hand abgezählt werden.

Die Politik – der Impulsgeber?!

Vor diesem Hintergrund war der Standpunkt von Prof. Dr. Bert Rürup interessant: Als Rentenexperte vertrat er die Auffassung, mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz und der damit eingeführten reinen Beitragszusage des § 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG habe man in Europa eines der besten Mittel zur tarifvertraglichen bAV geschaffen. Mit der reinen Beitragszusage wurde im Rahmen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes die Möglichkeit geschaffen, dass der Arbeitgeber nur eine Beitragszahlung verspricht, sich seine Einstandspflicht aber nicht – wie sonst in der bAV – auch auf die Leistung bezieht. Allerdings ist die reine Beitragszusage nur möglich, wenn es in Tarifverträgen vereinbart wird. Im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens hätten sogar die Gewerkschaften zugestimmt. Auch er konnte sich jedoch nicht erklären, weswegen diese Möglichkeiten nur sehr zurückhaltend bzw. gar nicht von den Sozialpartnern genutzt werden.

Die „Digitalisierung“ ist bereit!

Aus einem ganz anderen Blickwinkel sah es Stephan Huber. Er machte deutlich, dass es an digitalen Umsetzungsmöglichkeiten und fach­licher Unterstützung durch anwenderfreund­liche Software-as-a-Service-Modelle nicht fehle. Auch tarifvertragliche Vorgaben könnten – wie jede andere Vorgabe im Rahmen von Entgeltumwandlung und Arbeitgeberleistung – selbstverständlich umgesetzt werden. Dabei gehe es nicht nur um Angebotssoftware für den Vertrieb, sondern insbesondere auch um plattformgestützte bAV-Personalverwaltung, die den Personalabteilungen zur Vereinfachung ihrer Arbeit zur Verfügung gestellt werden kann. Gleichzeitig haben diese Plattformen eine Schnittstelle zu den produktgebenden Gesellschaften – also beste Umsetzungsvoraussetzungen.

Die vertriebliche Praxis – rechtliche Herausforderungen im Kundengespräch

Zum Ende der Podiumsdiskussion hatten die Zuhörer die Möglichkeit, sich mit Fragen und Kommentaren an der Diskussion zu beteiligen. Schnell wurde klar, wo die Herausforderungen für Berater, Vermittler und Makler bei dem Thema tarifvertraglich gebundene bAV liegen. Zum einen müssen Grundkenntnisse zu tarifrecht­lichen Fragen vermittelt werden: Wann ist ein Betrieb überhaupt an Tarifverträge gebunden? Was bedeutet Allgemeinverbindlichkeit? Kann ein Arbeitnehmer auf seine tarifvertraglichen Rechte verzichten? Muss ein Arbeitgeber seinen nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern die gleiche tarifvertragliche betriebliche Versorgung anbieten wie den gewerkschaftszugehörigen? Welche Regelungen des Betriebsrentengesetzes können durch Tarifver­träge geändert werden etc.? Sodann ist aber auch die Kenntnis der einschlägigen Tarifverträge erforderlich. Gerade in dieser Frage wurde die zurückhaltende Veröffentlichungspolitik der Sozialpartner bemängelt. So kamen viele unterschiedliche Stimmen praxisorientiert zu Gehör. Insgesamt ein AssCompact Format, das Lust auf mehr machte.

 Über die Rechtsanwaltskanzlei Guse

Die Kanzlei aus Hamburg ist auf die betriebliche Versorgung spezialisiert. Sie bietet u. a. auch Webinare für Makler an. Mehr Informationen unter: rechtsanwalt-christian-guse.de

Diesen Artikel lesen Sie auch in der AssCompact Sonderedition Betriebliche Versorgung 09/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Zerbor – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Christian Guse