AssCompact suche
Home
Management & Wissen
8. August 2022
(Un-)Gesunde Führung? Dunkle Triade erkennen und handeln
Business concept vector illustration of a businessman with his devil shadow

(Un-)Gesunde Führung? Dunkle Triade erkennen und handeln

Die dunkle Triade am Arbeitsplatz verursacht große Schäden. Unternehmen sollten dies erkennen und gegensteuern, denn ein gesundes Betriebsklima, das Raum für Engagement und Kreativität lässt, ist wichtig.

Ein Artikel von Dr. Linda Dahm, Business Coach, Personal- und Organisationsentwicklerin

Die „dunkle Triade“ als (sub)klinische Form narzisstischer, psychopathischer und machiavellistischer Persönlichkeitsstörungen ist mir in 30 Berufsjahren oft begegnet: Professoren, Geschäftsführer international erfolgreicher Unternehmen, Bereichsleiter, Berater oder Vorstände beleidigten, schikanierten, erpressten oder manipulierten Mitarbeiter, Kunden und Kollegen. Viele hatten „nur“ die Bodenhaftung verloren, einige riskierten Compliance-Verstöße oder begingen kriminelle Handlungen. Ja, es waren überwiegend Führungskräfte, die psychische Gewalt anwendeten. Andere zeigten dieses Verhalten deutlich seltener. Und es waren überwiegend Männer. Selbstredend sind mir auch die vielen integren Persönlichkeiten in Erinnerung, denen ich begegnen und von denen ich lernen durfte. Mein Dank geht an meine Mentoren, Geschäftspartner und meine wunderbaren Kollegen und Kolleginnen – jede und jeder von ihnen weiß, dass er oder sie gemeint ist.

Großer Schaden: 42 Mrd. US-Dollar Verluste

Im Jahr 2019 betrug der Verlust, den Unternehmen weltweit aufgrund betrügerischer Aktivitäten hinnehmen mussten, 42 Mrd. US-Dollar (vgl. M. Heidbrink, V. Berg, F. Feltes, 2021: Die Jungbullen kommen; in Harvard Business manager 5/2021, S. 39–53). Hier ist die dunkle Triade am Werk. Im Arbeitsalltag tragen Führungskräfte mit einem hohen „Dark Factor“ zu einem schlechten Betriebsklima bei und treiben Mitarbeiter in den Krankenstand. Starke Menschen setzen Grenzen oder verlassen das Unternehmen – koste es, was es wolle. (Personal-)Entscheider bis hin zu Aufsichtsräten sind uninformiert, nennen das Kind selten beim Namen und reden Probleme klein – solange die Zahlen (vermeintlich) stimmen.

Grandiosität, Gefühlskälte und Machtstreben

„A Narcissist, a Psychopath and a Machiavellian walk into a bar. The bartender asks: ‚Who has he darkest personality out of you three?‘ The Narcissist says: ‚Me‘, the Psychopath says: ‚I don’t care‘, and the Mach says: ‚It’s whoever I want it to be.‘“ (Raj Chopra 2013; zitiert nach K. Externbrink, M. Keil, 2018: Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie in Organisationen. Wiesbaden)

Größenwahn und Egomanie kennzeichnen den Narzissten, Gefühlskälte typisieren den Psychopathen und fehlende humanistische Werte gepaart mit Macht- und Kontrollstreben den Machiavellisten. Gemeinsam ist allen ein antisoziales Verhalten, dabei zeigen die einzelnen Typen jeweils auch Merkmale der anderen. Insbesondere Narzissten und Psychopathen sind besonders gefährlich, denn sie bestechen durch eine oft sehr charmante Fassade. Und sie haben tatsächlich auch eine „helle“ Seite: Sie sind intelligent, durchtrainiert, gut gekleidet, belastbar, durchsetzungsstark, eloquent, unterhaltsam, charismatisch – und gleichzeitig sind sie rücksichtslos, hochgradig manipulativ und berechnend – wahre Meister im Blenden.

Zunehmender Narzissmus in der Gesellschaft

Gesunde Selbstliebe ist wichtig, damit wir uns behaupten können. Gleichzeitig beobachten Wissenschaftler eine Zunahme (schädlichen) narzisstischen Verhaltens. Die heutige Generation junger Menschen hat höhere Narzissmuswerte als frühere Generationen junger Menschen. Spitzenwerte finden sich bei jungen Männern und bei Führungskräften bis hin zu Extremwerten im Top-Management. Top-Managerinnen sind weniger narzisstisch als ihre männlichen Kollegen. Diese Ergebnisse zeigt die weltweit größte repräsentative Studie mit 10.000 Befragten aus dem Jahr 2020 (vgl. Heidbrink u. a. 2021).

Die vier E kennzeichnen die narzisstische Persönlichkeit

Der international anerkannte Wiener Psychiater Reinhard Haller beschreibt die narzisstische Persönlichkeit anhand der vier E (vgl. R. Haller, 2013: Die Narzissmusfalle: Anleitung zur Menschen- und Selbstkenntnis. Salzburg – München):

  • Egomanie
  • Entwertung
  • Empathie-Mangel und
  • Kritik-Empfindlichkeit

Narzissten kreisen um sich selbst: „ich, icher, am ichsten“. Der Hunger nach Bewunderung ist unstillbar. Tatsächlich fehlt es ihnen an Selbstwert und sie können es kaum ertragen, wenn andere gelobt oder bewundert werden. Ihre Reaktion: kritisieren und schlechtreden – also: entwerten. Damit einher geht, dass Narzissten unfähig sind, sich in die Situation anderer Menschen hineinzuversetzen. Mitgefühl oder auch Lob sind gespielt und dienen nur dazu, andere zu manipulieren, um die eigenen Ziele zu erreichen. Die bemerkenswerteste Eigenschaft des Narzissten ist jedoch die ausgeprägte Kritik-Empfindlichkeit. Er schäumt vor Wut bei der kleinsten Kritik und holt sofort aus zum „atomaren Gegenschlag“.

Best Practice im Umgang mit der dunklen Triade am Arbeitsplatz

Es gilt, Narzissten, Psychopathen und Machiavellisten auszubremsen und, besser noch, erst gar nicht einzustellen oder schnellstmöglich zu entlassen, denn die wirtschaftlichen Folgen sind verheerend. Unternehmen wie Lufthansa oder Lange & Söhne haben das Thema bereits auf der Agenda und setzen im Recruiting spezifische Tools ein. Gleichzeitig pflegen sie eine ausgeprägte Feedback-Kultur, in der Menschen mit hohem Dark-Factor in ihre Schranken verwiesen, in ihrer Entwicklung gebremst oder ausselektiert werden.

Günter Blaschke, ehemaliger CEO des Großküchenausrüsters Rational AG, besetzt als Vorsitzender mehrerer Aufsichtsräte immer wieder Spitzenpositionen. „Er verwendet eine breite Palette von (KI-basierten – Anmerkung der Autorin) Analyseinstrumenten (…), mit denen sich die kulturelle Passung und soziale Verträglichkeit der Kandidaten messen lassen“ (vgl. Heidbrink u. a. 2021, S. 46).

Der Weg in eine bessere Arbeitswelt

Ungeachtet der grundsätzlichen Bedeutung humanistischer Werte: Die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt und die Belastung durch gesellschaftliche Krisen erfordern ein gesundes Umfeld. Nur dann sind Menschen fähig, sich kreativ zu entfalten und Höchstleistungen zu erbringen.

Narzissmus ist auf dem Vormarsch. Unternehmen sollten ihre Instrumente zur Auswahl und Entwicklung von Mitarbeitern und Führungskräften überarbeiten. Der renommierte Organisationspsychologe und Stanford-Professor Robert I. Sutton hat es in seinem Bestseller „Der Arschlochfaktor“ so formuliert: „Machen Sie Ihr Unternehmen zu einer arschlochfreien Zone.“ Seine Wortwahl mag irritieren, in der Sache ist die Empfehlung richtig und wichtig.

Zum Selbsttest

Harvard Business manager und das People-Analytics-Unternehmen Zortify bieten einen Narzissmus-Test an: abo.harvardbusinessmanager.de/narzissmus. Den eigenen Dark-Factor kann man unter qst.darkfactor.org testen.

Über die Autorin

Dr. Linda Dahm war als Wissenschaftlerin für Stiftungen und Ministerien und danach über 20 Jahre als Führungskraft in unterschiedlichen Unternehmen und Positionen in der Finanzdienstleistungsbranche tätig. Sie hat sich zum zertifizierten Business Coach und zur Gesundheitsmanagerin qualifiziert. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt heute in der Personal- und Organisationsentwicklung und hier im Bereich New Leadership und Resilienz.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 08/2022, S. 84 f., und in unserem ePaper.

Bilder: © rudall30 – stock.adobe.com; © Die Stuttgarter

 
Ein Artikel von
Dr. Linda Dahm