AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
4. Juni 2019
Unabhängigkeit des Maklers: Die sozialisierte Individualität

Unabhängigkeit des Maklers: Die sozialisierte Individualität

Vor dem Hintergrund der wachsenden Ansprüche an Maklerunternehmen kommt es beinahe zu einer inneren Zerrissenheit des einzelnen Versicherungsmaklers. Er sieht sich mit der Frage konfrontiert, wie Unabhängigkeit in einer neuen Welt von digitalen und regulatorischen Veränderungen weiter gelebt werden kann und welche Wirkung Kooperationen dabei haben. Ein Kommentar von Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler.

Die Unabhängigkeit des Maklers ist eines der signifikantesten Unterscheidungsmerkmale zu anderen Vertriebswegen in der Versicherungsbranche. Sie ist aber nicht nur ein Unterscheidungsmerkmal, sondern insbesondere eine Stärke des Berufsstands. Aus der Unabhängigkeit folgt letztlich die Sachwaltung des Maklers für den Kunden. Gleichermaßen erwachsen aus ihr heraus auch einige Haftungsrisiken.

Ein Wandel mit Vollgas

Das durchschnittliche Maklerbüro in Deutschland ist eher klein. Gehen wir davon aus, dass durchschnittlich vier Personen in einem Maklerbüro tätig sind. Das heißt, alle Funktionen des Büros verteilen sich auf nur wenige Schultern. In dem bisherigen Status quo war das sicherlich kein Problem, möglicherweise auch nicht in einer sich geruhsam ändernden Welt.

Aber was passiert, wenn sich die Einflussfaktoren auf den Beruf und das Unternehmen des durchschnittlichen Maklers derartig schnell und gravierend ändern, wie das gerade heute der Fall ist? Die Regulatorik hat eine hohe Änderungsgeschwindigkeit aufgenommen. Europäische Vorgaben, Verbraucherschutz und andere Ursachen speisen und beschleunigen den Wandel.

Die technische Entwicklung hat ebenfalls eine sehr hohe Dynamik. Die Branche merkt, dass sie den Anschluss bei der Digitalisierung verloren hat. Andere Branchen haben diese schon in den letzten Jahrzehnten vorangetrieben. Die Intensität hat dort immer weiter zugenommen. Was letztlich dazu geführt hat, dass sich ein Aufholprozess in der Versicherungsbranche freigetreten hat, der natürlich auch auf den Makler ausstrahlt.

In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass Regulatorik und technischer Fortschritt ja nicht die einzigen Parameter sind, die auf die Berufsausübung des Maklers Einfluss nehmen. Denken wir nur an die neuartigen Produktentwicklungen, an das sich verändernde Kundenverhalten, an Umsatz- und Einkommensbegrenzungen, an die Nachfolgeproblematik, unterschiedliche Courtage- und Honorarmodelle, die Konzentration auf Versichererseite und so weiter und so weiter.

Kann der Makler dies alles noch alleine stemmen?

Aber zurück zur Regulatorik und zur Digitalisierung. Allein die Einflüsse aus diesen Entwicklungen sind geeignet, die Kapazitäten eines Maklerbüros zu übersteigen. Jede Änderung ist für einen Makler eine Investition in Zeit und Kapital. Wird das Änderungsbündel sehr groß, kann der Makler diese Investitionen allein nicht mehr stemmen.

Wir erleben, dass zahlreiche Vermittler aus dem Beruf ausscheiden, nicht nur aus Altersgründen, sondern auch aus Kraft- oder sogar Lustlosigkeit. Auch ist gelegentlich eine Art Lethargie festzustellen nach dem Motto: „Die letzten Arbeitsjahre komme ich schon mit den alten Arbeitsweisen durch.“ Was allein aus Gründen der Regulatorik nach großen Haftungsrisiken klingt.

Was also tun, wenn der Makler seinen Bestand nicht verkaufen und erfolgreich weiterarbeiten will? Er muss sich unorganisch vergrößern.

Welche Möglichkeiten gibt es?

Eine Anlehnung an einen Versicherer verbietet einem Makler just die Unabhängigkeit, obwohl es durchaus reizvoll sein könnte, die Nähe zu einem Versicherer zu suchen und zu finden. Da Versicherer aber keine Altruisten sind, wäre die Gegenleistung dafür stetiges Neugeschäft. Da greift dann aber die IDD ein, wenn nicht schon das eigene Selbstverständnis des Maklers einen solchen Weg gar nicht zulässt.

So bleibt das Vergrößern auf der gleichen Ebene, etwa durch Verbindungen mit anderen Maklern. Das kann beispielsweise geschehen über Aufkäufe, über die Bildung von Sozietäten oder auch über die Gründung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts.

Der üblichere Weg ist jedoch, dass Makler ihre Interessen poolen. Das heißt, sie werden Partner eines existierenden oder möglicherweise neu entstehenden Pools. Denn Pools haben heute die Größe, die Kraft und die Kapazitäten, die notwendig sind, um den beschriebenen Veränderungsprozess mitzugestalten, zu meistern und in Einzelfällen sogar den Ton anzugeben. Davon profitiert der einzelne Makler: Ihm werden beim Pool Aufgaben wie die Verwaltung abgenommen, er kann sich auf seine Kernkompetenz der Beratung und des Verkaufs konzentrieren.

Natürlich ist aber auch das Poolen eine Marktkonzentration, die einkaufs- und handhabungsgenossenschaftliche Elemente hat. In gewisser Weise findet also eine Oligopolisierung der Maklerschaft statt. Nun bleibt die Frage: Berührt das die Unabhängigkeit des Maklers?

Was bleibt übrig von der wertvollen Unabhängigkeit?

Das hängt von der Satzung des Pools ab. Greift der Pool in die Geschäftsautonomie des Maklers ein oder bietet er nur Dienste an, die der Makler gegen eine Gebühr oder Teile seiner Courtage nutzen kann? Greift der Pool nicht in die Autonomie des Maklers ein, so ist die Unabhängigkeit des Maklers durch die Poolmitgliedschaft auch nicht gefährdet.

Die Frage gewinnt allerdings an Bedeutung, wenn Versicherer sich an Pools beteiligen. Auch dies tun sie nicht aus Menschenliebe, sondern aus einem durchaus verständlichen ökonomischen Interesse. Aber wenn dieses Interesse erfolgreich bedient wird, dann sinkt auch die Annahme, dass es sich um einen Pool handelt, der auf der Basis der unabhängigen Vermittlung aufgebaut ist.

Was ist also das Fazit?

Als Fazit kann festgehalten werden, dass die zunehmende Regulatorik und die technische Entwicklung nicht zwingend die Unabhängigkeit der Makler beeinflussen müssen, sondern viel eher Auswirkungen auf den Organisationszustand der Maklerschaft haben, wenn nicht der Beruf tatsächlich oder innerlich aufgegeben wird. Der Organisationszustand geht offensichtlich von der Individualität des unabhängigen Maklerunternehmens über zu einer – wenn es einen solchen Begriff geben sollte – sozialisierten Individualität der unabhängigen Maklerunternehmen. Dabei sei nur am Rande erwähnt, dass für die großen Maklerhäuser andere Spielregeln gelten.

Bild: © Rawpixel.com

Über den Autor

Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler ist Geschäftsführer der Zeidler Consulting GmbH und Experte für Fragen rund um den Versicherungsvertrieb. Vor Gründung seines Beratungsunternehmens war er zuletzt Vertriebsvorstand der Zurich Lebensversicherung AG. Zudem ist er Honorarprofessor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Göttingen.

Den Kommentar lesen Sie auch in AssCompact 05/2019, Seite 110 f. und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler