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4. August 2025
Urteil: Versicherer darf unverdiente Provision nach Storno zurückfordern
Urteil: Versicherer darf unverdiente Provision nach Storno zurückfordern

Urteil: Versicherer darf unverdiente Provision nach Storno zurückfordern

Das OLG München hat im Streit um unverdiente Provisionen eines Mehrfachagenten und die Nachbearbeitung bei drohender Stornierung zugunsten des Versicherers entschieden. Er habe seine Treuepflichten gegenüber dem Vermittler erfüllt, eine Prämienklage sei nicht zumutbar.

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat mit Urteil vom 27.11.2024 eine praxisrelevante Entscheidung zur Rückforderung von unverdienten Provisionen durch den Versicherer gefällt. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob ein Versicherungsvermittler zur Rückzahlung einer bereits gutgeschriebenen Provision verpflichtet ist, wenn der vermittelte Vertrag wegen ausbleibender Beitragszahlung des Kunden nicht zustande kommt und ob der Versicherer zuvor seiner Nachbearbeitungspflicht bei drohender Stornierung ausreichend nachgekommen war.

Keine Beitragszahlung trotz mehrfacher Verschiebung des Versicherungsbeginns

Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, hatte einem ehemaligen Versicherungsvermittler mit Mehrfach-Agenturvertrag eine Abschlussprovision in Höhe von rund 6.176 Euro gutgeschrieben. Diese setzten sich zusammen aus der Abschlussprovision und einen Vorschuss auf die Jahrescourtagen und beruhte auf der Vermittlung einer fondsgebundenen Rentenversicherung. Der Versicherungsnehmer zahlte jedoch trotz mehrerer Anläufe keine Erstprämie, auch nicht nach wiederholter Verschiebung des Vertragsbeginns. Der Kunde hatte jeweils um zeitlichen Aufschub aufgrund finanzieller Engpässe gebeten. Schließlich kündigte er den Vertrag. Der Versicherer forderte daraufhin die Rückzahlung der Provision, unter Anrechnung von Sicherheiten in Höhe von 700 Euro. Insgesamt ging es um eine Rückforderung von 5.475,01 Euro.

Klage und Widerklage: Wer trägt die Verantwortung bei Nichtzustandekommen des Vertrags?

Der Vermittler, der mittlerweile seinen Vertrag mit dem Versicherer gekündigt hatte, verweigerte hingegen die Rückzahlung mit dem Argument, der Versicherer habe seiner gesetzlichen Pflicht zur Nachbearbeitung bei drohender Stornierung (§ 87a Abs. 3 HGB) nicht ausreichend nachgekommen. Zudem forderte er im Wege der Widerklage die Rückzahlung der von ihm geleisteten Sicherheit.

Das Landgericht München gab zunächst dem Vermittler Recht und wies die Klage ab. Die Berufung der Versicherung vor dem OLG München hatte jedoch Erfolg.

Nachbearbeitungspflicht erfüllt, Rückforderung zulässig

Das OLG stellte klar: Der Provisionsanspruch sei mangels tatsächlicher Beitragszahlung nicht entstanden und damit auch nicht „verdient“ im Sinne des Handelsrechts. Soweit das Landgericht zuvor in seinem Urteil davon ausgehe, die vertragliche Rückerstattungspflicht sei wegen eines Verstoßes gegen § 87a Abs. 3 und Abs. 4 HGB unwirksam, übersehe das Gericht, dass sich für die hier streitgegenständliche Versicherungsvermittlung die gesetzliche Fälligkeit der Provision nicht nach § 87a HGB, sondern nach § 92 Abs. 4 HGB richte und dass nach dieser Vorschrift eine Fälligkeit der Provisionen vorliegend nicht eingetreten wäre, da auf die vermittelte Versicherung keine Prämien bezahlt wurden, so das OLG.

Treuepflicht gegenüber dem Vermittler ja, Pflicht auf Prämienklage nein

Mit Blick auf die dem Versicherer gegenüber dem Versicherungsvermittler obliegende Treuepflicht und die sich daraus ergebende Rücksichtnahmepflicht auf das Provisionsinteresse des Versicherungsvermittlers ist es in der Regel erforderlich, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer ernsthaft und nachdrücklich zur Durchführung des Vertrages anhält. Zu einer gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs im Rahmen einer Prämienklage ist der Versicherer jedoch in der Regel nicht verpflichtet. Das gilt umso mehr, als eine solche Klage wegen der vergleichsweise geringen monatlichen Prämien und der in der Regel langen Laufzeit des Vertrags bei entsprechender Kündigungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.

Kunden führt Scheitern des Vertrags herbei

Im vorliegenden Fall hatte der klagende Versicherer mehrfach auf die fehlende Zahlung reagiert und den Vertragsbeginn verschoben. Diese Maßnahmen bewertete das Gericht als ausreichende Nachbearbeitung. Weitere Nachfassaktionen wären nicht zumutbar gewesen – und letztlich sei es das Verhalten des Kunden gewesen, das zum Scheitern des Vertrags geführt habe. Der Versicherer hatte also keine Pflichtverletzung begangen.

Die Widerklage des Vermittlers auf Rückzahlung der Sicherheit wurde ebenfalls abgewiesen. Die Sicherheit sei zu Recht zur Verrechnung mit der Hauptforderung verwendet worden. Ein weiterführender Anspruch bestehe nicht.

OLG München, Urteil vom 27.11.2024 – Az: 7 U 2993/23 e