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6. April 2020
Urteile zur Teilzeitbeschäftigung in der Berufsunfähigkeitsversicherung

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Urteile zur Teilzeitbeschäftigung in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Immer wieder gibt es Unstimmigkeiten zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern einer BU-Versicherung darüber, auf welche Tätigkeit sich der Versicherungsschutz beziehen soll, wenn der Beruf gewechselt wurde. Bei einem Wechsel in Teilzeitarbeit kommt es in hohem Maße auf den Einzelfall an, sagt Rechtsanwältin Kathrin Pagel, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte PartG.

Bedingungswerke von Versicherern sind über Jahre gewachsen, das heißt aufgrund von Praxisanforderungen immer wieder ergänzt und verändert worden. In der Berufsunfähigkeitsversicherung finden so beispielsweise bestimmte Berufsbilder Zugang. Das kann einerseits der Klarstellung dienen, soweit Vorgaben des Gesetzgebers aufgenommen werden und auch durch ausdrückliche Aufnahme von bestimmten Sonderkonstellationen als Reaktion auf die Rechtsprechung erfolgen.

So kann zum Beispiel die Absicherung von Hausfrauen und -männern, von Schülern, Studenten und Auszubildenden oder auch eine Teilzeittätigkeit ausdrücklich in den Versicherungsschutz aufgenommen werden. Teilweise besteht dieser Versicherungsschutz auch ohne gesonderte Erwähnung in Versicherungsklauseln. Auch können sogenannte „Berufsklauseln“ problematisch sein, soweit sie den Versicherungsschutz unnötig einschränken. Ob eine Versicherungsklausel wirksam ist und inwieweit Versicherungsschutz besteht, muss jeweils im Einzelfall gegebenenfalls auch rechtlich geprüft werden.

Persönliche Vorstellungen des Versicherten relevant

Problematisch kann es für einen Versicherten werden, wenn er in seinem Beruf einen Wechsel von Vollzeit auf Teilzeittätigkeit vollzieht und dann berufsunfähig wird. Dann kommt es auf praktische Details, insbesondere auch seine persönlichen Vorstellungen zu Umfang und Dauer dieser Tätigkeit an. Diese gilt es genauer zu analysieren, wie die folgenden zwei Streitfälle zeigen.

Mit einer typischen Konstellation der Teilzeitarbeit in der Berufsunfähigkeitsversicherung hatte sich das OLG Saarbrücken in seinem Urteil vom 28.04.2014, Az.: 5 355/12 beschäftigt:

Die Klägerin arbeitete seit 1995 als Bürokraft in einem Autohaus. Ihre Arbeitszeit betrug 40 Wochenarbeitsstunden, verteilt auf fünf Tage. 2005 trat während der Schwangerschaft eine tiefe Bein-Beckenvenen-Thrombose im linken Bein auf. Es verblieb ein sogenanntes postthrombotisches Syndrom mit Problemen beim längeren Stehen und Sitzen.

Urteil: Teilzeit wegen Erkrankung

In der Elternzeit Anfang 2006 bis Ende 2007 arbeitete die Klägerin als Aushilfe acht Wochenarbeitsstunden bei ihrem Arbeitgeber. Währenddessen beantragte sie Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Leistungen wurden abgelehnt.

Ende 2007 nahm sie ihre frühere Tätigkeit als Bürokraft mit 19 Stunden wieder auf. Gegen die Thrombosen trägt sie Kompressionsstrumpfhosen und nimmt gerinnungshemmende Medikamente ein. Ende 2008 stellte sie einen weiteren Leistungsantrag im Hinblick auf die auftretenden Beschwerden in Form von Schmerzen und Schwellungen im Bein, zu denen sie vorträgt, dass nach drei Stunden ihre maximale Belastungs- und Beschwerdegrenze erreicht sei. Der Versicherer lehnte weiterhin eine Leistung ab.

Das OLG hatte zu entscheiden, welcher Beruf für die Klägerin maßgeblich sei. In Betracht kamen der ausgeübte Vollzeitberuf mit 40 Wochenstunden, auf den die Klägerin abgestellt hatte, bzw. die Teilzeittätigkeit als Aushilfe mit acht Wochenstunden, auf die sich der Versicherer berief.

Es kommt auf die Sicht des Versicherungsnehmers an, was als der zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Beruf anzusehen ist, so das OLG: „Der ‚Beruf‘ eines Menschen ist jede auf Dauer angelegte, der Schaffung oder Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Tätigkeit. Ob der Versicherungsnehmer seine Fähigkeit zur Ausübung seines Berufs verloren hat, hängt davon ab, wie seine berufliche Tätigkeit zu dem Zeitpunkt ausgestaltet war, ab dem er den Eintritt des Versicherungsfalls behauptet (sog. Stichtagsprinzip; Rixecker in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 172 Rdn. 30). Welchen Beruf der Versicherungsnehmer ausübt, hängt von der Dauer ab und davon, ob die neue Tätigkeit prägend geworden ist. Ein leidensbedingter Berufswechsel führt nicht dazu, dass der Versicherungsschutz entfällt oder entwertet wird. Von atypischen Fällen abgesehen ist maßgeblich die vormals ausgeübte Berufstätigkeit.“ (OLG Saarbrücken BeckRS 2014, 18083)

Auch bei Elternzeit und darauffolgender, leidensbedingter Reduzierung der Arbeitszeit muss bei der Beurteilung von Berufsunfähigkeit an den zuvor ausgeübten Beruf angeknüpft werden, so das OLG Saarbrücken.

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