BVK: „keine ausreichende Altersvorsorge“
Der Beschluss der Aktivrente stößt nicht überall auf Zustimmung, so hagelt es u. a. Kritik vom Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). Eine ausreichende Altersvorsorge werde damit ab dem 01.01.2026 nicht möglich. Präsident Michael H. Heinz: „Wir sehen nicht, dass sich damit eine ausreichende Altersvorsorge lösen lässt. Die Koalition rechnet selbst nur mit ungefähr 25.000 Aktivrentnern, die monatlich 2.000 Euro steuerfrei hinzuverdienen können, trotz des Weiterbezugs ihrer Rente. Das wird vielleicht das Fachkräfteproblem in unserem Land etwas entschärfen, ist aber keine nachhaltige Lösung für die Altersvorsorge.“
Auch kritisiert der Verband, dass Selbstständige nicht miteinbezogen werden: „Das Modell begünstigt zudem Menschen, die gesundheitlich und fachlich dazu noch in der Lage sind, nach Rentenbeginn weiterzuarbeiten – vorrangig Akademiker und gut verdienende Fachkräfte. Wenn schon, dann sollten unbedingt Selbstständige in das Modell der Aktivrente einbezogen werden. Denn gerade sie sind vielfach Fachleute, auf die nicht verzichtet werden kann. Das gehört sich aus Gründen des Gleichheitsgebotes nach Artikel 3 des Grundgesetzes.“
Verband der Selbstständigen: „Schlag ins Gesicht“
Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD), schlägt einen ähnlichen Ton an: „Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Selbstständigen. Dies widerspricht klar dem Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes. Es ist verfassungsrechtlich bereits problematisch, wenn Menschen über der gesetzlichen Altersgrenze steuerlich behandelt werden sollen als Jüngere. Wenn Menschen gleichen Alters jedoch aufgrund ihrer Entscheidung für eine Selbstständigkeit im Alter so unterschiedlich besteuert werden, ist dies für mich eine klare Form der Diskriminierung und Einschränkung der freien Berufswahl.“
Nach Einschätzung des VGSD wäre eine auf Arbeitnehmer beschränkte Aktivrente ein fatales Signal für alle Selbstständigen und Unternehmer in Deutschland und würde zu einem erheblichen Vertrauensverlust in die Regierung Merz führen, die mit dem Versprechen angetreten war, für einen wirtschaftspolitischen Aufbruch zu sorgen, so die Stellungnahme des VGSD.
Konflikt mit Artikel 3?
Tatsächlich hatte der Fachbereich WD 4 „Haushalt und Finanzen“ der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages bereits im Juni ein 28-seitiges Dokument vorgelegt mit dem Titel „Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Einkommensteuerbefreiung (sogenannte Aktivrente)“. Konkret fraglich ist, wie schon vom BVK und VGSD erläutert, der Artikel 3 des Grundgesetzes, laut dem alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind.
Es gibt also ein Bewusstsein im Bundestag ob der zu klärenden Verfassungskonformität des Vorhabens. Denn derartige Gutachten werden nicht für jedes geplante Gesetz erstellt, sondern sind, so heißt es im Dokument, „eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages“.
In der „Verfassungsrechtlichen Rechtfertigung“ des WD 4 wird argumentiert, dass die geplante Freistellung eines Teils der Einnahmen von Aktivrentnern von der Einkommensteuer „außersteuerliche Lenkungsziele“ verfolgt werden. Für solche Lenkungsziele darf der Staat steuerliche Vorteile einsetzen, um ein Gemeinwohlziel zu verfolgen – in diesem Fall um dem Fachkräftemangel stärker entgegenzuwirken.
Grundsätzlich funktioniert die Einkommensteuer nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip, simpel ausgedrückt: Wer mehr bekommt, kann auch mehr an den Staat abgeben. Neben der Frage, ob Selbstständige ungerecht behandelt werden, dürften sich also auch jüngere Arbeitnehmer benachteiligt fühlen, die beim gleichen Einkommen mehr Last tragen als „Aktivrentner“. Spannend dabei: Im Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes werden mehrere Merkmale genannt, aufgrund derer jeder Mensch vor Diskriminierung geschützt ist: u. a. Herkunft, Geschlecht, Rasse, Sprache, Glauben. Das Alter fehlt in dieser Aufzählung jedoch … (mki)
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