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Steuern & Recht
25. November 2019
Verfahrensdokumentation aus steuerlicher Sicht – Chancen durch Bürokratie!

Verfahrensdokumentation aus steuerlicher Sicht – Chancen durch Bürokratie!

Dokumentation ist nicht nur eine zeitraubende Pflicht. Eine Verfahrensdokumentation kann gerade für akkurat arbeitende, aufstrebende Makler eine Gelegenheit sein, Prozesse zu hinterfragen, die Effizienz zu steigern und Kosten zu sparen. Von Tobias Sick, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner, und Fabian Klement, Steuer- und Prüfungsassistent bei H/W/S.

Was ist unter Verfahrensdokumentation zu verstehen und was muss gerade in der Versicherungs- und Finanzbranche dabei beachtet werden? Längst ist klar geworden, dass die Erstellung einer Verfahrensdokumentation jeden eingerichteten Geschäftsbetrieb trifft – egal ob Großkonzern, Mittelständler oder Freiberufler. Die Verfahrensdokumentation dient dazu, einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Frist zu ermöglichen, sich ein Verständnis über die Lage des Unternehmens bzw. Freiberuflers zu verschaffen und eine Überprüfung durchzuführen, ob die für die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall ausreichend vorliegen. Dabei liegt das Augenmerk der Betriebsprüfung auf dem genauen Ablauf der Prozesse, insbesondere derjenigen, die automatisiert ablaufen. Schnittstellen zwischen Datenverarbeitungssystemen stellen dabei unter anderem das Risiko dar, dass Daten aus einem Vorsystem fehlerhaft übernommen werden. Um hier den korrekten Ablauf verifizieren zu können, bedarf es einer Verfahrensdokumentation.

Rechtsgrundlagen

Eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut hervorgehend lässt sich festhalten, dass sich die Geschäftsvorfälle in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen müssen (§ 238 HGB). Das Steuergesetz macht es sich einfach und leitet diesen Grundsatz aus dem Handelsgesetzbuch ab, indem es in § 140 AO sagt: „Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, […], hat die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen.“

Neben diesen und weiteren Gesetzesgrundlagen werden in regelmäßigen Abständen sogenannte BMF-Schreiben veröffentlicht. Diese Schreiben werden vom Bundesministerium für Finanzen herausgegeben und stellen eine Interpretation der Steuergesetze und eine Ableitung von Handlungsanweisungen für die Finanzverwaltung dar. Für den Steuerpflichtigen ergibt sich zwar keine Pflicht, sich an die dort dargestellten Anweisungen zu halten, jedoch kann er sich daran orientieren.

Das BMF-Schreiben vom 14.11.2014 ist dabei als das aktuellste Schreiben anzusehen, das die Anforderungen an die Erstellung einer Verfahrensdokumentation konkretisiert. Der Titel lautet „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“.

Mit diesem Schreiben wird nochmals eindeutig festgehalten, dass eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation einen formellen Mangel darstellt, der zum Verwerfen der Buchführung führen kann. Dies wiederum mündet unter Umständen in einer Schätzung, die meist eine höhere Steuerbelastung nach sich zieht – wie man sich vorstellen kann.

Digitalisierung als Antrieb

Der aktuelle Trend zeigt, dass Unterlagen und Aufzeichnungen vermehrt in digitaler Form erstellt, weiterverarbeitet und aufbewahrt werden. Diese Entwicklung wird voraussichtlich auch weiterhin voranschreiten. Dabei gilt die Faustregel: Je häufiger EDV-Systeme im Rahmen der steuerlichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten zum Einsatz kommen, desto umfangreicher muss die Verfahrensdokumentation ausgestaltet sein.

Daneben zeigt die Erfahrung, dass der Umfang der Verfahrensdokumentation auch unmittelbar mit der Größe des Unternehmens bzw. Freiberuflers in engem Zusammenhang steht. Denn je größer das Unternehmen bzw. der Freiberufler, desto mehr Mitarbeiter sind mit der Durchführung der einzelnen Prozesse betraut.

Aufbau

Eine Anleitung oder ein Muster, woraus ersichtlich wird, wie eine Verfahrensdokumentation konkret ausgestaltet sein muss, bietet das zuvor genannte BMF-Schreiben nicht. Lediglich dessen Bestandteile werden aufgezählt. So bestehe eine Verfahrensdokumentation in der Regel aus folgenden Komponenten:

  • Allgemeine Beschreibung
  • Anwenderdokumentation
  • Technische Systemdokumentation
  • Betriebsdokumentation

Durch diese Dokumente sollen folgenden Dinge gewährleistet werden:

  • Ersichtlichkeit des organisatorisch und technisch gewollten Prozesses
  • Eindeutiges Wiederfinden der Belege
  • Maschinelle Auswertbarkeit
  • Absicherung gegen Verlust und Verfälschung

Dabei ist die Verfahrensdokumentation, insbesondere bei Änderung der Programme, zu versionieren und eine nachvollziehbare Änderungshistorie vorzuhalten. Es gilt daher, die Verfahrensdokumentation in regelmäßigen Abständen auf ihre Aktualität hin zu überprüfen, um deren Aussagekraft und Gültigkeit jederzeit gewährleisten zu können.

Chancen

Aus den letzten Punkten wird klar, dass eine Verfahrensdokumentation einen hohen Aufwand bedeutet. Man darf jedoch auch ihren Nutzen nicht außer Acht lassen. Bei der Erstellung einer Verfahrensdokumentation werden die betrieblichen Prozesse aufgearbeitet und zwangsläufig auf den Prüfstand gestellt. Lücken oder Schwachstellen können durch diese detaillierte Betrachtung aufgedeckt werden. Dadurch wird es möglich, passgenaue Maßnahmen zur Verbesserung zu ergreifen. Darüber hinaus können neue Mitarbeiter umso schneller in die betrieblichen Abläufe eingearbeitet werden, je klarer die Vorgaben sind. Auch ist es möglich, Fehler durch die Standardisierung von Prozessen zu minimieren, wodurch Kosten und wertvolle Zeit eingespart werden.

Rechtssicherheit schaffen

Insbesondere Maklerbüros, die einen hohen Grad an Digitalisierung aufweisen, sollten sich frühzeitig mit der Definition ihrer Prozesse und Abläufe befassen und die gelebte Praxis auch rechtssicher dokumentieren. Da dieser Beitrag nur die wichtigsten Punkte aufzeigen kann und eine Verfahrensdokumentation stets nach den individuellen Gegebenheiten erstellt werden muss, empfiehlt sich die frühzeitige Kontaktaufnahme mit einem Steuerberater, der über Expertise auf dem Gebiet der Verfahrensdokumentation verfügt.

Bild: © jk1991 – stock.adobe.com

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 11/2019, Seite 134 f. und in unserem ePaper.