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15. April 2024
Vermittlerhaftung – Umdeckungen, Beratungsprotokoll und Corona

Vermittlerhaftung – Umdeckungen, Beratungsprotokoll und Corona

Versicherungsmakler stehen in der Verantwortung, sicherzustellen, dass von ihnen vermittelte Versicherungsprodukte den Bedürfnissen und Anforderungen ihrer Kunden entsprechen. Sonst droht insbesondere nach der Einführung der Haftungsnorm im Versicherungsvertragsgesetz die Haftung.

Ein Artikel von Jens Reichow, Fachanwalt und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Viele Versicherungsvermittler treibt die Angst vor der eigenen Haftung um. Nicht zuletzt seit Umsetzung der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und der damit verbundenen Einführung der Haftungsnorm des § 63 VVG gibt es dafür durchaus auch Anlass. Soweit Gerichte mit Vermittlerhaftungsfällen befasst sind, handelt es sich meist jedoch um Einzelfälle. Gleichwohl gibt es oftmals wiederkehrende Themen, die zur Vermittlerhaftung führen. Soweit aktuelle Gerichtsurteile über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Vermittlerschaft haben, sollen einzelne dieser Verfahren dargestellt werden.

Umdeckungen: Wieder­kehrend Anlass für Vermittlerhaftung

In den vergangenen Jahren waren Umdeckungen bestehender Versicherungsverträge wiederkehrend Anlass für Vermittlerhaftungsfälle. Die Haftungsfälle waren dabei nicht auf eine bestimmte Risiko­sparte begrenzt, sondern spartenübergreifend. Anlass der Haftungsfälle war oftmals, dass der Neu­vertrag in Bezug auf bestimmte Tarifmerkmale nicht denselben Versicherungsschutz bot wie der Altvertrag. Kommt es nunmehr zu einem Schadenfall, für den der Neuvertrag keinen Versicherungsschutz bietet, der aber beim Altvertrag versichert gewesen wäre, müssen sich Vermittler der Frage der eigenen Haftungsverantwortlichkeit stellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht es nämlich der ständigen Interessenlage des Versicherten, einen einmal erreichten Versicherungsschutz nicht aufzugeben. Selbst wenn der Neuvertrag „unterm Strich“ im Vergleich zum Altvertrag mehr Vor- als Nachteile bietet, sind Versicherungs­vermittler gut beraten, den Versicherungsnehmer detailliert auch auf Nachteile des Neuvertrages im Vergleich zum Altvertrag hinzuweisen. Dies sollte natürlich auch sorgsam protokolliert werden.

Ein Fallbeispiel aus der Rechtsprechung der letzten Monate betrifft den Wechsel einer privaten Krankenversicherung, bei dem es infolge der Umdeckung zu einem Wegfall des Krankenhaustagegeldes kam. Das OLG Karlsruhe verurteilte den Versicherungsmakler zum Schadensersatz (Urt. v. 07.03.2023 – Az.: 12 U 268/22).

Umkehr der Beweislast wegen fehlender Dokumentation?

Fehlt die Beratungsdokumentation, so kann dies erhebliche Konsequenzen für den Ausgang des Haftungsprozesses haben. Dokumentiert der Versicherungsvermittler den Beratungsprozess nicht hinreichend, so können hieraus erhebliche Beweiserleichterungen für den Versicherungsnehmer resultieren, die bis zur Umkehr der Beweislast führen können. Im Ergebnis kann es daher dazu kommen, dass nicht mehr der Versicherungsnehmer, sondern der Versicherungsvermittler für den Inhalt und Ablauf der Beratung darlegungs- und beweisbelastet ist. Gerade weil Beratungen in Versicherungsangelegenheiten oftmals im Vier-Augen-Gespräch stattfinden, ist die darlegungs- und beweisbelastete Partei im Haftungsprozess oftmals mit erheblichen Hürden konfrontiert.

Aber wann entsteht die Dokumentationspflicht? Mit dieser Frage hatte sich das Landgericht Hamburg zu befassen (Urt. v. 14.06.2023 – Az.: 337 O 296/22). In dem dortigen Verfahren hatte die Versicherungsnehmerin – eine Filmprojektgesellschaft – behauptet, der Versicherungsmakler habe sie nicht hinreichend auf die Möglichkeit des Abschlusses einer Technikversicherung hingewiesen. Dabei war streitig, ob seitens des Versicherungsmaklers überhaupt ein Anlass bestanden hatte, die Versicherungsnehmerin über den Abschluss einer Technikversicherung zu beraten. Dokumentiert war der Vorgang seitens des Versicherungsmaklers nicht. Die Versicherungsnehmerin argumentierte daher, dass es infolge mangelnder Dokumentation zu einer Beweis­lastumkehr kommen würde, mithin also der Versicherungsmakler dafür darlegungs- und beweisbelastet sei, dass kein Beratungsanlass bzgl. der Technikversicherung bestanden habe. Dieser Argumentation folgte das Landgericht Hamburg indes nicht. Zu der Umkehr der Beweislast komme es vielmehr erst, wenn es zu einer Beratung gekommen sei. Für den Beratungsanlass sei hingegen der Versicherungsnehmer darlegungs- und beweisbelastet, auch wenn keine Beratungsdokumenta­tion vorliege.

Vermittlerhaftung und Corona?

Im Zuge der ersten Coronawelle entstand bei vielen Versicherungsvermittlern die Furcht vor einer eigenen Haftung. Viele Vermittler hatten ihren Kunden keine Betriebsschließungsversicherung vermittelt. Nachdem viele Versicherer eine Regulierung von Schäden im Zuge der Betriebsschließungen der ersten Coronawelle abgelehnt und der Bundesgerichtshof viele entsprechende Leistungsablehnungen in ersten wegweisenden Urteilen als rechtmäßig betrachtete, entschärfte sich die Thematik für viele Vermittler. Haftungsfälle von Versicherungsvermittlern im Zusammenhang mit Betriebsschließungen wegen Corona sind daher auch bislang überschaubar geblieben. Nunmehr hat es indes ein Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig (Urt. v. 14.03.2023 – Az.: 9 U 28/22) in die Fachpresse geschafft.

Die Haftungsforderungen des Versicherungsnehmers richten sich an den Versicherer und nicht an einen Versicherungsvermittler. Er rügte dabei, dass der Versicherer ihn bei der Umstellung der Betriebsschließungsversicherung nicht hinreichend beraten habe. Der Versicherungsnehmer unterhielt nämlich seit längerer Zeit eine Betriebsschließungsversicherung, welche er bzgl. der Versicherungssummen anpassen wollte. Im Zuge der Anpassungen der Versicherungssummen forderte der Versicherer den Versicherungsnehmer auf, seine neuen Versicherungsbedingungen zu akzeptieren. Dies tat der Versicherungsnehmer, ohne zu erkennen, dass die neuen Versicherungsbedingungen einen abschließenden Katalog der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger beinhalteten, wohingegen die ursprünglichen Versicherungsbedingungen noch einen offenen Katalog der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger beinhalteten. Auch der Versicherer hatte ihn nicht gesondert hierauf hingewiesen.

Das OLG Braunschweig verneinte indes eine Hinweispflicht des Versicherers bzgl. der Änderungen der Versicherungsbedingungen. Argumentativ verwies das OLG Braunschweig dabei darauf, dass es offenkundig sei, dass die neuen Versicherungsbedingungen von den alten Versicherungsbedingungen abweichen. Deswegen wolle der Versicherer schließlich die neuen Versicherungsbedingungen in den Versicherungsvertrag einbezogen bekommen. Sofern der Versicherungsnehmer sodann die Änderungen im Einzelnen nachvollziehen wolle, könne der Versicherungsnehmer diese selbst nachlesen.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 04/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © David – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Jens Reichow

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Wilfried Stras… am 16. April 2024 - 08:42

Man tut alles um nicht vergleichbar zu sein. Selbst bei klarer Angebotsanforderung: Beispiel  € 300,00 monatlich, 45 Jahre, Privat und BAV, das BESTE Angebot, mit Kostenaufstellung, im Idealfall ein Beispiel über die erzielte Nettorendite der letzten 10 Jahre. Sie werden nichts erhalten. Damit ist die unbegrenzte Haftung Harakiri für Makler, wenn selbst bei nachgewiesener guter Beratung, Richter Makler verurteilen, weil sie nicht "alles" erwähnt haben, sprich das komplette Sozialgesetz, sämtliche Anlagemöglichkeiten, warum, wozu, weshalb, mit allen Risiken für Rendite -und Verluste. Begriffserklärung, dauert Wochen und erfordert auch eine gewaltige Intelligenz der Vermittler und Kunden, da ja auch Nobelpreisträger oft daneben liegen........