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14. April 2023
Versicherer im Ökosystem Mobilität

Versicherer im Ökosystem Mobilität

Wie können Versicherer die Lebenswelt der Mobilität mitgestalten? Die Managementberatung Horváth hat das Ökosystem Mobilität aufgeschlüsselt und macht dort den Optionenraum transparent: Der Lebenszyklus der Mobilität, das Besitzverhältnis und das Transportmittel spielen dabei eine Rolle.

Ein Artikel von Ines Schröder , Unternehmensberaterin im Competence Center Insurance bei der Managementberatung Horváth

Versicherer stehen zunehmender Vergleichbarkeit bei sinkenden Margen und steigenden Kundenerwartungen an Convenience, Geschwindigkeit und Service gegenüber. Im umkämpften Versicherungsmarkt wird es immer schwieriger, mit den gängigen Ver­sicherungsprodukten attraktive Prämienrenditen zu erwirtschaften. Mit starken Partnern lassen sich neuartige und differenzierende Angebotsbündel erstellen, die wenig vergleichbar sind und sich damit dem Preiskampf im Wettbewerb leichter entziehen.

Wachstum durch Vernetzung

Um dieses neue Leistungs- und Servicespektrum ganzheitlich zu denken, bedienen sich nicht nur Versicherer des Grundgedankens der Ökosysteme: Ein Ökosystem orientiert sich nicht an Branchen, sondern an einer thematischen Lebens- und Bedürfniswelt der Kunden. Diese sollen entlang ihrer Bedürfnisse und darüber hinaus vollumfänglich aus einer Hand (einem Netzwerk) bedient werden.

Für Versicherer sind durch ihren primären Kundenzugang vier Lebenswelten von besonderem Interesse: „Mobility“, „Home“, „Health“ und „Wealth“. Diese ermög­lichen es, das Leistungsangebot, die Interaktionsfrequenz und somit auch die Kundenloyalität auf das nächste Level zu heben. In diesem Artikel wird nun das Ökosystem „Mobility“ genauer beleuchtet.

Trends im Ökosystem Mobilität

Das Thema Mobilität ist aufgrund jüngster Krisen und der daraus resultierenden langfristigen Auswirkungen wieder stark in den Vordergrund des Alltags gerückt. Verbraucher klagen über steigende Kraftstoffpreise, Automobilhersteller müssen aufgrund von Ressourcenknappheit Produktionslinien drosseln oder gar vollständig pausieren. Gleichzeitig hat die Politik das Thema Nachhaltigkeit in ihrer Agenda fest verankert.

Mobilität wird in Deutschland nach wie vor durch die herausragende Position des Kfz geprägt. Auch für Versicherer ist das Kfz bzw. die Kfz-Versicherung von zentraler Bedeutung, da diese häufig als Ankerprodukt für Versicherer dient, um eine Kundenbindung aufzubauen und Cross-Selling zu betreiben. Generell herrschen im Kfz-Geschäft ein hoher Konkurrenz- und Preiskampf sowie eine deutlich höhere Kundenwechselbereitschaft als bei anderen Versicherungsprodukten. Daher sollten sich Versicherer auf die Suche nach Mehrwerten für Kunden über den Preis hinaus begeben, um eine langfristige Kundenbindung zu ermöglichen.

Mobilität ist mehr als nur das Kfz
Versicherer im Ökosystem Mobilität

Grafik: Die Lebenswelt der Mobilität

Der Lebenszyklus der Mobilität läuft von der Suche bis zum Support. Dazu gibt es diverse Transportmittel für das Mobilitätsbedürfnis. Beim Besitzverhältnis geht es um eigenen Besitz oder die Nutzung des Besitzes eines Dritten.

In den aktuellen Ansätzen eines Ökosystems Mobilität ist das eigene Kfz Dreh- und Angelpunkt der Konzeption. Doch warum nicht Mobilität größer als das Auto denken? Denn es geht letztendlich um das Bedürfnis und die Notwendigkeit, von A nach B zu kommen.

Um die Lebenswelt der Mobilität zu erobern, sollte zunächst der Optionenraum transparent gemacht werden (siehe Grafik): der Lebenszyklus der Mobilität (von Suche und Auswahl über Nutzung und Finanzierung bis Beendigung und Support), das Besitzverhältnis (der eigene Besitz oder die Nutzung des Besitzes eines Dritten) sowie das mögliche Transportmittel für das Mobilitätsbedürfnis und die gesellschaft­lichen und technologischen Trends.

Um die richtigen Ansatzpunkte für den sukzessiven Auf- und Ausbau des Ökosystems zu finden, lohnt es sich, zwei Fragestellungen zu reflektieren:

  • 1. In welchen Dimensionen (Lebenszyklus, Besitzverhältnis, Transportmittel) von Mobilität sind die eigenen Kunden vornehmlich vertreten und wie lässt sich das Leistungsangebot nutzenstiftend erweitern?
  • 2. In welchen Dimensionen sind interessante Zielgruppen verortet und wie sind diese im Bereich Mobilität erreichbar?

Das Angebot und damit das Ökosystem als Symbiose zwischen Unternehmen, Partnern und Kunden ist dann erfolgreich, wenn der Nutzen für den Kunden größer ist als die Summer der einzelnen Produkte und Services („1+1=3“).

Welche Rolle nimmt der Versicherer ein?

Partnerschaften bilden sich nicht von allein. Versicherer müssen sich aktiv um deren Aufbau bemühen, und zwar bestenfalls, bevor andere sich positioniert haben. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten der Positionierung: als Orchestrator – und damit als zentrale Einheit für die Koordination und Integration aller Aktivitäten im Ökosystem – oder als teilnehmender Partner auf Plattformen anderer.

Die Rolle des Orchestrators macht es Versicherern möglich, ihre Kunden End-to-End zu begleiten und somit auch tiefergehend zu verstehen. Sie erfordert jedoch eine hohe Kontaktfrequenz, den entsprechenden Kundenzugang sowie die Fähigkeit, sich im Wettstreit mit digitalen Playern behaupten zu können.

Auch die Möglichkeit von Versicherungen, sich auf Plattformen anderer Partner zu integrieren und dort ihre Produkte anzubieten, hat ihren Charme. Frei nach dem Motto: sich dort positionieren, wo der Kunde ohnehin schon ist. Zwar gibt der Versicherer dabei einen Teil des Einflusses auf die Kundenschnittstelle ab, erhält dafür jedoch Zugang zu neuen Kundengruppen und vermindert so die Abhängigkeit seiner bestehenden Vertriebswege. Je flexibler Versicherer dabei sind, desto modularer und naht­loser ist die integrierte Lösung für den Kunden.

Es kann nicht nur eines geben

Wie viele Ökosysteme Mobilität es geben wird, ist schwer zu pro­gnostizieren. In jedem Fall gibt es einige Argumente dafür, warum es zumindest mehrere geben kann:

  • Zielgruppen: Ökosysteme können sich auf verschiedene Zielgruppen konzentrieren, um genau deren Bedürfnisse zu adressieren.
  • Geografien: Ökosysteme können sich auch auf unterschiedliche geografische Regionen konzentrieren und damit regionale Assets einbringen.
  • Wettbewerb: Verschiedene Unternehmen schaffen ein Ökosystem, um ihre Produkte und Dienstleistungen zu fördern und sich von anderen Unternehmen und deren Leistungsbündeln abzusetzen.

Limitierende Faktoren für die Anzahl an Ökosystemen sind vor allem die Anzahl relevanter Partner und deren Services sowie die Exklusivität der Kooperationen.

Die Rolle des Vermittlers: Alles bleibt anders?

Auch heute schon entscheiden Versicherer strategisch, welche Vertriebs- und Kontaktkanäle sie forcieren wollen, und ebenso werden sie im Bereich Ökosysteme entscheiden, in welche Kanäle Leads gesteuert werden. Kunden, die eine persön­liche Beratung wünschen oder ihrer bedürfen, sollte man auch künftig den persönlichen Kontakt nicht verwehren.

Durch das erweiterte Leistungs­angebot werden zudem attraktive Verkaufsargumente geliefert – Vermittler haben die Chance, den Kunden umfassend zu den Leistungen des Ökosystems zu beraten und sie bei deren Nutzung zu unterstützen.

Der wichtigste Schritt für Ver­sicherungen besteht darin, ihre Geschäftsmodelle an eine kollaborative und vernetzte Wirtschaft anzupassen. Sie müssen ihre Rolle wählen, durch aktives Partnermanagement Kollaboration suchen und ausprobieren sowie die Möglichkeit der schnellen Vernetzung schaffen. Sie müssen flexibel sein und Kundenreisen End-to-End denken, womöglich sogar Ökosystem-übergreifend.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2023, S. 32 f., und in unserem ePaper.

Bild: © j-mel – stock.adobe.com; Grafik: © Horváth

 
Ein Artikel von
Ines Schröder