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18. März 2021
Versicherungsberater – Gefangen in der Begriffswelt

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Versicherungsberater – Gefangen in der Begriffswelt

Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD

Am 02.02.2016 wird die europäische Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD vom 20.01.2016 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. In der neuen Richtlinie werden die Versicherer in den Anwendungsbereich einbezogen und deshalb die Bezeichnung „Versicherungsvertrieb“ als Oberbegriff für die Tätigkeit der Versicherer und der Versicherungsvermittler eingeführt. Für Vermittler gilt: Vertrieb gleich Vermittlung. Im Vergleich zur Definition der Versicherungsvermittlung in der Versicherungsvermittlerrichtlinie wird die Definition des Versicherungsvertriebs um das Merkmal Beratung und eine Internetkomponente erweitert. In der am 23.02.2018 in Kraft getretenen deutschen Umsetzung wird die neue Definition fast vollständig in die Gewerbeordnung und das VVG übernommen.

Änderungen durch Umsetzungsgesetz

Eine zentrale Änderung der Gewerbeordnung (GewO) betrifft die Erlaubnistatbestände von Ver­sicherungsvermittlern (bisher § 34d GewO) und Versicherungsberatern (bisher § 34e GewO). Beide Erlaubnistatbestände werden in § 34d GewO zusammengeführt und neu gegeneinander abgegrenzt. Der neue § 34d GewO beschreibt die Tätigkeit des Versicherungsvermittlers zunächst wie bisher als die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen. In § 1a VVG wird die Definition des Begriffs Versicherungsvertrieb aus der IDD übernommen. Der neue § 34d GewO übernimmt die Legaldefinition der IDD dagegen nur teilweise. Warum die Bausteine „Beratung, Vorschlagen oder Durchführung anderer Vorbereitungshandlungen zum Abschließen von Versicherungsverträgen“ aus der Legaldefinition der IDD nicht übernommen werden, erschließt sich nicht und weiß wohl nur der Gesetzgeber.

Die Erlaubnispflicht für Ver­sicherungsberater wird nunmehr auch im Rahmen des § 34d (Abs. 2) GewO geregelt. Die bisherige Definition des Versicherungsberaters wird erweitert. Neben den bisherigen Bereichen Rechtsberatung und außergerichtliche Vertretung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherungsunternehmen kommt nun neu hinzu die Vermittlung oder der Abschluss von Versicherungsverträgen für den Auftraggeber. Damit umfasst die Tätigkeit des Versicherungsberaters nach neuem Recht auch die Tätigkeit des Versicherungsvermittlers. Welche rechtlichen Unterschiede damit aber verbunden sind, erschließt sich dem kritischen Betrachter nicht ohne Weiteres. Zumal an keiner Stelle im Gesetz erklärt wird, welche tatsächlichen Aktionen im Geschäftsverkehr des Versicherungsberaters als Vermittlung anzusehen sind und inwieweit sich der Workflow im Geschäftsmodell des Versicherungsberaters in der alten Welt vor dem Umsetzungsgesetz vom Workflow des Versicherungsberaters in der neuen Welt unterscheidet. Praktische Vermutung: gar nicht. Einziger Unterschied: Versicherungsberater dürfen keine Provisionen kassieren. Das war bisher auch so. Vermitteln sie einen provisionsbelasteten Tarif, müssen Versicherer 80% der Provision an den Versicherungsnehmer auskehren (Durchleitungsgebot).

Fazit

Im Ergebnis unterscheiden sich die Berufsbilder von Versicherungsmaklern und Versicherungsberatern nur noch um Nuancen. Es ist an der Zeit, sie wie in Österreich zusammenzuführen und den Wettbewerb nicht durch unscharfe Berufsbilder, sondern durch Qualität zu befeuern.

Über den Autor

Hans-Ludger Sandkühler ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Außerdem ist er Mitinitiator des Arbeitskreises „Beratungsprozesse“ sowie Geschäftsführer des Instituts für Verbraucherfinanzen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2021, Seite 88 und in unserem ePaper.

Bild: © 1STunningART– stock.adobe.com

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Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Oskar Durstin … am 12. April 2021 - 12:36

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich kenne Herrn Sandkühler aus der Zeitphase 2004 bis 2008, in der sowohl die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Rechtsberatung als auch zur Versicherungsvermittlung neu geregelt wurden. Er hatte mir gegenüber seinerzeit den Eindruck vermittelt, dass er sehr wohl weiß, was der Unterschied zwischen einem Versicherungsvermittler und einem Versicherungsberater ist und den Beruf des Versicherungsberaters auch durchaus schätzte.

Insofern wundern mich seine spitzen Bemerkungen in der März-Ausgabe von AssCompact März 2021 etwas und ich hoffe, dass er mich persönlich nicht zu denjenigen zählt, die sich „für etwas Besseres im Vergleich zu Versicherungsvermittlern“ halten. Es geht auch nicht um die Kategorien besser oder schlechter, sondern Versicherungsvermittler und Versicherungsberater sind einfach verschiedene Berufe und das sollen sie auch bleiben.

Sowohl Ihr Artikel als auch in der Aussage ähnliche Veröffentlichungen der Professoren Beenken und Werber zeigen, dass die Existenz des Versicherungsberaters in der Vermittlerschaft immer noch für Unruhe sorgt und sogar wieder einmal eine Abschaffung des Berufsstandes empfohlen wird.

Als langjähriger Versicherungsberater ist es mir ein Anliegen, dazu etwas zu sagen.

Die Artikel klingen so, als ob es verwunderlich ist, dass es Versicherungsberater überhaupt (bzw. immer noch) gibt. Die Hinweise auf eine komplexe Gesetzeslage mit (vermeintlich) unscharfen Berufsbildern oder die Frage nach der Notwendigkeit und Marktdurchdringung von provisionsfreien Tarifen gehen nach meiner Meinung am Thema vorbei. Es geht auch nicht um eine „Befeuerung des Wettbewerbs“ – was immer damit gemeint ist – sondern um die Tatsache, dass es verschiedene Berufsgruppen gibt, die sich mit Versicherungsthemen in unterschiedlicher Ausprägung befassen. Der Versicherungsberater ist eben gerade kein Instrument des Wettbewerbs und kein Distributor von Versicherungsschutz. Eher im Gegenteil besteht unsere tägliche Arbeit zu einem großen Teil darin, unsere Mandanten durch sachliche Argumente zu ermutigen, auf unnötige oder unwirtschaftliche Versicherungen zu verzichten. Ein weites Feld, wenn man bedenkt, dass es sich bei etwa 80 % der 25 Mio. Schadenfälle in der Schaden- und Unfallversicherung um Kleinstschäden unter 1.000 € handelt und es bei der Mehrzahl der Versicherungsverträge in Deutschland – die ja bekanntlich verkauft und nicht gekauft werden – keineswegs um die Absicherung existenzgefährdender Risiken geht. Auch im Bereich der Lebensversicherung und Krankenversicherung ist eine von Provisionsinteressen freie Beratung für Versicherungskunden von Nutzen.

Warum es Versicherungsberater gibt, ist eigentlich ganz einfach zu beantworten. Es ist eine höchstpersönliche Entscheidung des Versicherungsberaters, der sich für diesen – nicht einfachen Weg – entscheidet.

Grundlage ist das deutsche Verfassungsrecht, das eine freie Berufswahl gewährleistet. Dieses verfassungsmäßige Grundrecht ermöglicht es jedem Einzelnen, sich für den Berufsweg zu entscheiden, den man als für sich geeigneter ansieht. Dieses Recht - das vom Bundesverfassungsgericht für den Beruf des Versicherungsberaters ausdrücklich anerkannt wurde - sollte von allen respektiert werden, sei es als Versicherungsvermittler, sei es als Versicherungsberater. Bekanntlich entscheiden sich sehr viel mehr Personen für den Beruf des Versicherungsvermittlers, von denen es annähernd 200.000 Personen gibt, gegenüber gut 300 Versicherungsberatern.

Jeder Versicherungsberater weiß auch, warum er sich für den Beruf des Versicherungsberaters entschieden hat. Die Gründe sind so individuell wie die zahlreichen Facetten des Berufsbildes, das eine hohe Bandbreite an Möglichkeiten aufweist. 

Nach fast 30 Jahren als Versicherungsberater und fast 40 Jahren auf Seiten der Versicherungsnehmer habe ich diese Entscheidung an keinem Tag bereut, obwohl die Berufsausübung herausfordernder ist als jeder andere Beruf, der mit Versicherungen zu tun hat. Diese Herausforderung mag auch der Grund für die vergleichsweise geringe Anzahl von Berufsträgern sein. In unserer Kanzlei praktizieren wir das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Berufsbild der „ausgelagerten Versicherungsabteilung“ vorwiegend für langjährige Dauermandanten (Unternehmen und öffentliche Hand) und üben deshalb viele Tätigkeiten aus, die auch im Berufsalltag des Versicherungsmaklers vorkommen. Aber – und das ist entscheidend – wir denken und handeln anders und verfolgen jeden Tag das Ziel, unseren Mandanten bei ihrem Weg zu helfen, mit so wenig Versicherungen wie möglich durchs Leben zu kommen. Diese andere Perspektive führt zu anderen Lösungsansätzen, die direkte Vergütung durch Versicherungskunden ohne jegliche Wechselwirkung zur Prämienhöhe ermöglicht überhaupt erst, von Versicherungen abzuraten. Viele Versicherungen sind für den Kunden wirtschaftlich unsinnig und wenn man keine Provision erhält, kann man das auch sagen. Ausgehend von der individuellen Risikotragfähigkeit und den Prinzipien des Risikomanagements konzentriert und reduziert sich der Versicherungsbedarf auf große Risiken, die es zu managen gilt. Wir liefern eine fundierte Entscheidungsgrundlage (rational, transparent, sachlich) und begleiten die Entscheidungen dann – oft über Jahrzehnte. Unsere Mandanten haben deutlich weniger Schäden, die versichert sind, weil der Anteil der Risikoeigentragung höher ist. Und das rechnet sich für den Versicherungskunden! Aber auch Versicherungsunternehmen profitieren, weil sie von Frequenzschäden verschont bleiben. 

Der Beruf des Versicherungsberaters ermöglicht als einzigartiges Berufsbild eine einseitige Positionierung auf der Seite des Versicherungsnehmers und die vom Gesetzgeber und auch von jedem Versicherungsberater gewollte Unabhängigkeit von der Versicherungswirtschaft. Es macht den Kopf frei und ist für die tägliche Berufsausübung einfacher, mit Vergütungen von Versicherungsgesellschaften nichts zu tun zu haben, sondern simpel und einfach von demjenigen bezahlt zu werden, den man berät – dem Versicherungskunden.  

Das von Versicherungsmaklern als Vorbild dargestellte österreichische Modell, das die Ausübung der Berufe des Versicherungsmaklers und des Beraters in Versicherungsangelegenheiten in einer Person bzw. Firma ermöglicht, ist für Deutschland berufs- und verfassungsrechtlich kein gangbarer Weg. Es führt nach meinen langjährigen Beobachtungen in der Praxis zudem dazu, dass der Makler und damit die Provisionsvergütung Vorrang hat. Als Versicherungsberater legen wir Wert darauf, dass Wechselwirkungen zwischen Vergütung und Beratungsinhalt vermieden werden. Diesen Interessenkonflikt löst das österreichische Modell nicht auf, so dass es für uns Versicherungsberater nicht akzeptabel ist. 

Ein paar Stichworte zum Artikel 

1. Unzutreffend ist, dass sich der Eignungsnachweis des Versicherungsberaters vor 2008 auf ein Gespräch mit „einem Richter des zuständigen Landgerichts“ beschränkte. Vielmehr hatte sich der zuständige Amts- oder Landgerichtspräsident im Rahmen des Zulassungsverfahrens von den fachlichen und persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten zu überzeugen. Dazu mussten in der Regel umfangreiche Nachweise eingereicht werden. Neben tiefgehenden versicherungsfachlichen Kenntnissen in Theorie (i.d.R. Versicherungsbetriebswirt) und Praxis war auch der Nachweis von fundierten rechtlichen Kenntnissen notwendig. Persönliche Gespräche dienten allenfalls zur Abrundung der Meinungsbildung.
Zur Erinnerung: Bei der Neuregelung der Berufsrechte 2008 hatte sich z.B. der VDVM dafür ausgesprochen, dass als Berufszugangsvoraussetzung für den Versicherungsvertreter der Versicherungsfachmann, für den Versicherungsmakler der Versicherungskaufmann und für den Versicherungsberater der Versicherungsbetriebswirt definiert wird. Der Gesetzgeber hat sich – nicht zuletzt auf Druck der Versicherungswirtschaft – dafür entschieden, dass für alle Berufe eine gleich (niedrige) Berufszulassungsvoraussetzung auf dem Niveau des Versicherungsfachmanns gilt. Ob das glücklich war, sei dahingestellt.
Zitat Gesetzesbegründung: „Die gesetzliche Regelung einer Mindestqualifikation steht dem Erwerb höherer Qualifikationen und auch einer freiwilligen Selbstbindung der Berufsangehörigen nicht entgegen. Nachteile für die Rechtsuchenden sind im Bereich der Versicherungsberatung auch aus diesem Grund nicht zu befürchten, zumal die Versicherungsberater, die anders als die Vermittler wegen des für sie bestehenden Provisionsannahmeverbots darauf angewiesen sind, von ihren Kunden eine Vergütung für ihre Dienstleistung zu erhalten, am Markt nur aufgrund nachgewiesener hoher Qualifikationen bestehen und sich gegen die Konkurrenz der Vermittler durchsetzen können.“ Und in der Tat muss jeder Versicherungsberater sein Honorar jeden Tag neu verdienen. Wer das nicht aushält, besteht nicht und muss den Beruf wieder aufgeben.

2. In letzter Zeit hört man immer wieder, dass der Versicherungsberater nun auch „vermitteln darf“ und deshalb die Unterschiede zum Versicherungsvermittler noch kleiner werden. Dies ist so nicht richtig; vielmehr sollen die neuen Regelungen dazu dienen, den Abschluss von provisionsfreien Versicherungsverträgen zu erleichtern. Der Versicherungsberater konnte und kann als rechtlicher Vertreter des Versicherungsnehmers diesen schon seit hundert Jahren auch beim Abschluss von Versicherungsverträgen unterstützen und den Versicherungsschutz aktiv beschaffen. Gerade bei der Betreuung von Dauermandanten bildet die Beschaffung und Betreuung des Versicherungsschutzes als „ausgelagerte Versicherungsabteilung“ einen wesentlichen Inhalt. Demgegenüber kann sich ein Versicherungsberater aber auch dafür entscheiden, nur bei der Auswahl und Gestaltung des Versicherungsschutzes zu beraten, ohne am Beschaffungsprozess beteiligt zu sein. Ein Versicherungsberater kann auch als sachverständiger Begleiter seines Kunden permanent oder fallweise beratend hinzugezogen werden – unabhängig davon, ob die Versicherungen über einen Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler oder direkt bei einem Versicherer abgeschlossen wurden. Das Berufsbild als Rechtsdienstleister weist viele Facetten und Möglichkeiten auf, deren Ausübung von den jeweiligen Präferenzen und Fähigkeiten abhängen. Auch dies macht den Beruf interessant, erklärt aber gleichzeitig, dass es kein Massenberuf werden wird, da der Versicherungsberater nur bei ausreichender Expertise bestehen kann.

3. Versicherungsberater haben im Zuge der Neuregelung des Berufsrechts ihre Rechtsberatungsberatungsbefugnis nicht verloren; diese leitet sich aber nicht mehr direkt aus dem neuen RDG ab. Der Gesetzgeber hat hier von dem Grundsatz Gebrauch gemacht, dass Rechtsdienstleistungsbefugnisse in anderen Gesetzen geregelt werden können (wie z.B. auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer). Es ist richtig, dass uns die gewerberechtliche Zuordnung nicht gefallen hat, weil dies bis heute zu Missverständnissen und teilweise unpassenden Regelungen führt. In der täglichen Praxis hat sich für uns aber kaum etwas geändert – so meine persönliche Feststellung und Erfahrung aus 29 Jahren als Versicherungsberater (15 Jahre altes Recht, 14 Jahre neues Recht). Der Versicherungsberater ist weiterhin ein mit dem Rechtsanwaltsberuf vereinbarer Beruf. Dies wäre mit dem österreichischen Modell nicht mehr gegeben. Ob der Gesetzgeber mit der Neuregelung ein glückliches Händchen hatte, sei dahingestellt. Er sah sich aber dazu veranlasst, weil es im Berufsbild des Versicherungsberaters Überschneidungen mit der Definition des europäischen Vermittlerbegriffes gab. Mit der Rechtsdienstleistungsbefugnis und weiterer beruflichen Rahmenbedingungen des Versicherungsberaters im VVG und der Gewerbeordnung sah der Gesetzgeber zudem den Vorteil einer einheitlichen Regelung, die für mehr Transparenz sorgt. Auszug Gesetzesbegründung: „Die graduelle Abstufung der beim Abschluss von Versicherungsverträgen beteiligten Berufe vom Versicherungsvertreter über den Versicherungsmakler zum unabhängigen Versicherungsberater kann für den Versicherungsnehmer gerade bei einer einheitlichen gesetzlichen Regelung transparent gemacht werden.“ Und dies ist in der Tat ein Vorteil, der uns die Arbeit erleichtert.

Mit freundlichen Grüßen

Oskar Durstin

RiVer Consulting GmbH