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18. März 2021
Versicherungsberater – Gefangen in der Begriffswelt

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Versicherungsberater – Gefangen in der Begriffswelt

Versicherungsberater stehen zwischen Baum und Borke. Sie dürfen jetzt vermitteln, aber keine Provision kassieren. Nicht, dass sie das wollen. Aber gehört das nicht zur Vermittlung? Was ist überhaupt Vermittlung? Bei der Tarifwechselberatung dürfen sie kein Erfolgshonorar verlangen, so der BGH. Das wird zum Teil kritisiert, weil dies den Wettbewerb mit Maklern erschwere. Das eigentliche Problem liegt tiefer. Das Berufsbild des Versicherungsberaters ist unscharf, sagt Hans-Ludger Sandkühler.

Früher war die Welt noch einfach und in Ordnung. Versiche­rungs­berater hatten ihr Nischen­dasein im Rechtsberatungsgesetz, Versicherungsvermittler ihr HGB. Versicherungsberater benötigten für die Ausübung ihrer Tätigkeit eine behördliche Erlaubnis und mussten dafür Eignung und Sachkunde in einem Gespräch mit einem Richter des zuständigen Landgerichts nachweisen. Eigentlich eine Farce. Doch hielten sich einige (nicht die Mehrheit) für etwas Besseres im Vergleich zu Versicherungsvermittlern, die ihr profanes Geschäft ohne Zugangsvoraussetzungen betreiben konnten, und mussten sich über Aufwand und Niveau ihrer Qualifikation in Gazetten der Versicherungspresse ausführlich auslassen. Das dabei zur Schau gestellte Berufsverständnis: Versicherungsvermittler verkaufen provisions­getrieben Versicherungsverträge, Versicherungsberater haben mehr Sachverstand und beraten ihre Mandanten objektiv und neutral. Das Berufsrecht der Versicherungsvermittler war nur rudimentär im HGB geregelt, ergänzt durch Rechtsprechung wie das Sach­walter­urteil, das den Versicherungsmaklern umfangreiche Vertragspflichten auferlegte.

Versicherungsvermittler-Richtlinie von 2003

2003 kam mit der Versicherungsvermittlerrichtlinie der Rahmen für eine europaweite Regulierung der Versicherungsvermittler. Die Richtlinie definierte die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung als „das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall“.

Schon am 22.05.2007 wurde die Umsetzung der Richtlinieninhalte im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Versicherungsvermittlung wird erlaubnispflichtiges Gewerbe. Der Gesetzgeber verwendet dabei für den Begriff der Vermittlung nicht die Definition der Richtlinie, sondern definiert in § 42a VVG die Versicherungsvermittlung mit „Vermittlung oder Abschluss von Versicherungsverträgen“. Also wird Vermittlung mit sich selbst definiert, und es bleibt unklar, was darunter zu verstehen ist. Neben der Beschrei­bung der Richtlinie bleibt Raum für gewerberechtliche Deutungen. Dann Entsetzen bei den Versicherungsberatern. Sie verlieren ihre Rechtsberatungsbefugnis aus dem Rechtsberatungsgesetz und werden nunmehr gewerberechtlich vereinnahmt. Sie erhalten mit § 34e GewO einen eigenen Erlaubnistatbestand und darin die Befugnis, Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag rechtlich zu beraten und gegenüber dem Versicherungsunternehmen außergerichtlich zu vertreten. Die Erlaubnisvoraussetzungen entsprechen den Voraussetzungen für die Erlaubnis der Versicherungsvermittler. Auch Versicherungsmakler erhalten in § 34d GewO eine – im Vergleich zum Versicherungsberater eingeschränkte – Rechts­beratungsbefugnis. Die Berufsbilder von Versicherungsmakler und Ver­sicherungsberater nähern sich an.

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Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Oskar Durstin … am 12. April 2021 - 12:36

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich kenne Herrn Sandkühler aus der Zeitphase 2004 bis 2008, in der sowohl die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Rechtsberatung als auch zur Versicherungsvermittlung neu geregelt wurden. Er hatte mir gegenüber seinerzeit den Eindruck vermittelt, dass er sehr wohl weiß, was der Unterschied zwischen einem Versicherungsvermittler und einem Versicherungsberater ist und den Beruf des Versicherungsberaters auch durchaus schätzte.

Insofern wundern mich seine spitzen Bemerkungen in der März-Ausgabe von AssCompact März 2021 etwas und ich hoffe, dass er mich persönlich nicht zu denjenigen zählt, die sich „für etwas Besseres im Vergleich zu Versicherungsvermittlern“ halten. Es geht auch nicht um die Kategorien besser oder schlechter, sondern Versicherungsvermittler und Versicherungsberater sind einfach verschiedene Berufe und das sollen sie auch bleiben.

Sowohl Ihr Artikel als auch in der Aussage ähnliche Veröffentlichungen der Professoren Beenken und Werber zeigen, dass die Existenz des Versicherungsberaters in der Vermittlerschaft immer noch für Unruhe sorgt und sogar wieder einmal eine Abschaffung des Berufsstandes empfohlen wird.

Als langjähriger Versicherungsberater ist es mir ein Anliegen, dazu etwas zu sagen.

Die Artikel klingen so, als ob es verwunderlich ist, dass es Versicherungsberater überhaupt (bzw. immer noch) gibt. Die Hinweise auf eine komplexe Gesetzeslage mit (vermeintlich) unscharfen Berufsbildern oder die Frage nach der Notwendigkeit und Marktdurchdringung von provisionsfreien Tarifen gehen nach meiner Meinung am Thema vorbei. Es geht auch nicht um eine „Befeuerung des Wettbewerbs“ – was immer damit gemeint ist – sondern um die Tatsache, dass es verschiedene Berufsgruppen gibt, die sich mit Versicherungsthemen in unterschiedlicher Ausprägung befassen. Der Versicherungsberater ist eben gerade kein Instrument des Wettbewerbs und kein Distributor von Versicherungsschutz. Eher im Gegenteil besteht unsere tägliche Arbeit zu einem großen Teil darin, unsere Mandanten durch sachliche Argumente zu ermutigen, auf unnötige oder unwirtschaftliche Versicherungen zu verzichten. Ein weites Feld, wenn man bedenkt, dass es sich bei etwa 80 % der 25 Mio. Schadenfälle in der Schaden- und Unfallversicherung um Kleinstschäden unter 1.000 € handelt und es bei der Mehrzahl der Versicherungsverträge in Deutschland – die ja bekanntlich verkauft und nicht gekauft werden – keineswegs um die Absicherung existenzgefährdender Risiken geht. Auch im Bereich der Lebensversicherung und Krankenversicherung ist eine von Provisionsinteressen freie Beratung für Versicherungskunden von Nutzen.

Warum es Versicherungsberater gibt, ist eigentlich ganz einfach zu beantworten. Es ist eine höchstpersönliche Entscheidung des Versicherungsberaters, der sich für diesen – nicht einfachen Weg – entscheidet.

Grundlage ist das deutsche Verfassungsrecht, das eine freie Berufswahl gewährleistet. Dieses verfassungsmäßige Grundrecht ermöglicht es jedem Einzelnen, sich für den Berufsweg zu entscheiden, den man als für sich geeigneter ansieht. Dieses Recht - das vom Bundesverfassungsgericht für den Beruf des Versicherungsberaters ausdrücklich anerkannt wurde - sollte von allen respektiert werden, sei es als Versicherungsvermittler, sei es als Versicherungsberater. Bekanntlich entscheiden sich sehr viel mehr Personen für den Beruf des Versicherungsvermittlers, von denen es annähernd 200.000 Personen gibt, gegenüber gut 300 Versicherungsberatern.

Jeder Versicherungsberater weiß auch, warum er sich für den Beruf des Versicherungsberaters entschieden hat. Die Gründe sind so individuell wie die zahlreichen Facetten des Berufsbildes, das eine hohe Bandbreite an Möglichkeiten aufweist. 

Nach fast 30 Jahren als Versicherungsberater und fast 40 Jahren auf Seiten der Versicherungsnehmer habe ich diese Entscheidung an keinem Tag bereut, obwohl die Berufsausübung herausfordernder ist als jeder andere Beruf, der mit Versicherungen zu tun hat. Diese Herausforderung mag auch der Grund für die vergleichsweise geringe Anzahl von Berufsträgern sein. In unserer Kanzlei praktizieren wir das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Berufsbild der „ausgelagerten Versicherungsabteilung“ vorwiegend für langjährige Dauermandanten (Unternehmen und öffentliche Hand) und üben deshalb viele Tätigkeiten aus, die auch im Berufsalltag des Versicherungsmaklers vorkommen. Aber – und das ist entscheidend – wir denken und handeln anders und verfolgen jeden Tag das Ziel, unseren Mandanten bei ihrem Weg zu helfen, mit so wenig Versicherungen wie möglich durchs Leben zu kommen. Diese andere Perspektive führt zu anderen Lösungsansätzen, die direkte Vergütung durch Versicherungskunden ohne jegliche Wechselwirkung zur Prämienhöhe ermöglicht überhaupt erst, von Versicherungen abzuraten. Viele Versicherungen sind für den Kunden wirtschaftlich unsinnig und wenn man keine Provision erhält, kann man das auch sagen. Ausgehend von der individuellen Risikotragfähigkeit und den Prinzipien des Risikomanagements konzentriert und reduziert sich der Versicherungsbedarf auf große Risiken, die es zu managen gilt. Wir liefern eine fundierte Entscheidungsgrundlage (rational, transparent, sachlich) und begleiten die Entscheidungen dann – oft über Jahrzehnte. Unsere Mandanten haben deutlich weniger Schäden, die versichert sind, weil der Anteil der Risikoeigentragung höher ist. Und das rechnet sich für den Versicherungskunden! Aber auch Versicherungsunternehmen profitieren, weil sie von Frequenzschäden verschont bleiben. 

Der Beruf des Versicherungsberaters ermöglicht als einzigartiges Berufsbild eine einseitige Positionierung auf der Seite des Versicherungsnehmers und die vom Gesetzgeber und auch von jedem Versicherungsberater gewollte Unabhängigkeit von der Versicherungswirtschaft. Es macht den Kopf frei und ist für die tägliche Berufsausübung einfacher, mit Vergütungen von Versicherungsgesellschaften nichts zu tun zu haben, sondern simpel und einfach von demjenigen bezahlt zu werden, den man berät – dem Versicherungskunden.  

Das von Versicherungsmaklern als Vorbild dargestellte österreichische Modell, das die Ausübung der Berufe des Versicherungsmaklers und des Beraters in Versicherungsangelegenheiten in einer Person bzw. Firma ermöglicht, ist für Deutschland berufs- und verfassungsrechtlich kein gangbarer Weg. Es führt nach meinen langjährigen Beobachtungen in der Praxis zudem dazu, dass der Makler und damit die Provisionsvergütung Vorrang hat. Als Versicherungsberater legen wir Wert darauf, dass Wechselwirkungen zwischen Vergütung und Beratungsinhalt vermieden werden. Diesen Interessenkonflikt löst das österreichische Modell nicht auf, so dass es für uns Versicherungsberater nicht akzeptabel ist. 

Ein paar Stichworte zum Artikel 

1. Unzutreffend ist, dass sich der Eignungsnachweis des Versicherungsberaters vor 2008 auf ein Gespräch mit „einem Richter des zuständigen Landgerichts“ beschränkte. Vielmehr hatte sich der zuständige Amts- oder Landgerichtspräsident im Rahmen des Zulassungsverfahrens von den fachlichen und persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten zu überzeugen. Dazu mussten in der Regel umfangreiche Nachweise eingereicht werden. Neben tiefgehenden versicherungsfachlichen Kenntnissen in Theorie (i.d.R. Versicherungsbetriebswirt) und Praxis war auch der Nachweis von fundierten rechtlichen Kenntnissen notwendig. Persönliche Gespräche dienten allenfalls zur Abrundung der Meinungsbildung.
Zur Erinnerung: Bei der Neuregelung der Berufsrechte 2008 hatte sich z.B. der VDVM dafür ausgesprochen, dass als Berufszugangsvoraussetzung für den Versicherungsvertreter der Versicherungsfachmann, für den Versicherungsmakler der Versicherungskaufmann und für den Versicherungsberater der Versicherungsbetriebswirt definiert wird. Der Gesetzgeber hat sich – nicht zuletzt auf Druck der Versicherungswirtschaft – dafür entschieden, dass für alle Berufe eine gleich (niedrige) Berufszulassungsvoraussetzung auf dem Niveau des Versicherungsfachmanns gilt. Ob das glücklich war, sei dahingestellt.
Zitat Gesetzesbegründung: „Die gesetzliche Regelung einer Mindestqualifikation steht dem Erwerb höherer Qualifikationen und auch einer freiwilligen Selbstbindung der Berufsangehörigen nicht entgegen. Nachteile für die Rechtsuchenden sind im Bereich der Versicherungsberatung auch aus diesem Grund nicht zu befürchten, zumal die Versicherungsberater, die anders als die Vermittler wegen des für sie bestehenden Provisionsannahmeverbots darauf angewiesen sind, von ihren Kunden eine Vergütung für ihre Dienstleistung zu erhalten, am Markt nur aufgrund nachgewiesener hoher Qualifikationen bestehen und sich gegen die Konkurrenz der Vermittler durchsetzen können.“ Und in der Tat muss jeder Versicherungsberater sein Honorar jeden Tag neu verdienen. Wer das nicht aushält, besteht nicht und muss den Beruf wieder aufgeben.

2. In letzter Zeit hört man immer wieder, dass der Versicherungsberater nun auch „vermitteln darf“ und deshalb die Unterschiede zum Versicherungsvermittler noch kleiner werden. Dies ist so nicht richtig; vielmehr sollen die neuen Regelungen dazu dienen, den Abschluss von provisionsfreien Versicherungsverträgen zu erleichtern. Der Versicherungsberater konnte und kann als rechtlicher Vertreter des Versicherungsnehmers diesen schon seit hundert Jahren auch beim Abschluss von Versicherungsverträgen unterstützen und den Versicherungsschutz aktiv beschaffen. Gerade bei der Betreuung von Dauermandanten bildet die Beschaffung und Betreuung des Versicherungsschutzes als „ausgelagerte Versicherungsabteilung“ einen wesentlichen Inhalt. Demgegenüber kann sich ein Versicherungsberater aber auch dafür entscheiden, nur bei der Auswahl und Gestaltung des Versicherungsschutzes zu beraten, ohne am Beschaffungsprozess beteiligt zu sein. Ein Versicherungsberater kann auch als sachverständiger Begleiter seines Kunden permanent oder fallweise beratend hinzugezogen werden – unabhängig davon, ob die Versicherungen über einen Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler oder direkt bei einem Versicherer abgeschlossen wurden. Das Berufsbild als Rechtsdienstleister weist viele Facetten und Möglichkeiten auf, deren Ausübung von den jeweiligen Präferenzen und Fähigkeiten abhängen. Auch dies macht den Beruf interessant, erklärt aber gleichzeitig, dass es kein Massenberuf werden wird, da der Versicherungsberater nur bei ausreichender Expertise bestehen kann.

3. Versicherungsberater haben im Zuge der Neuregelung des Berufsrechts ihre Rechtsberatungsberatungsbefugnis nicht verloren; diese leitet sich aber nicht mehr direkt aus dem neuen RDG ab. Der Gesetzgeber hat hier von dem Grundsatz Gebrauch gemacht, dass Rechtsdienstleistungsbefugnisse in anderen Gesetzen geregelt werden können (wie z.B. auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer). Es ist richtig, dass uns die gewerberechtliche Zuordnung nicht gefallen hat, weil dies bis heute zu Missverständnissen und teilweise unpassenden Regelungen führt. In der täglichen Praxis hat sich für uns aber kaum etwas geändert – so meine persönliche Feststellung und Erfahrung aus 29 Jahren als Versicherungsberater (15 Jahre altes Recht, 14 Jahre neues Recht). Der Versicherungsberater ist weiterhin ein mit dem Rechtsanwaltsberuf vereinbarer Beruf. Dies wäre mit dem österreichischen Modell nicht mehr gegeben. Ob der Gesetzgeber mit der Neuregelung ein glückliches Händchen hatte, sei dahingestellt. Er sah sich aber dazu veranlasst, weil es im Berufsbild des Versicherungsberaters Überschneidungen mit der Definition des europäischen Vermittlerbegriffes gab. Mit der Rechtsdienstleistungsbefugnis und weiterer beruflichen Rahmenbedingungen des Versicherungsberaters im VVG und der Gewerbeordnung sah der Gesetzgeber zudem den Vorteil einer einheitlichen Regelung, die für mehr Transparenz sorgt. Auszug Gesetzesbegründung: „Die graduelle Abstufung der beim Abschluss von Versicherungsverträgen beteiligten Berufe vom Versicherungsvertreter über den Versicherungsmakler zum unabhängigen Versicherungsberater kann für den Versicherungsnehmer gerade bei einer einheitlichen gesetzlichen Regelung transparent gemacht werden.“ Und dies ist in der Tat ein Vorteil, der uns die Arbeit erleichtert.

Mit freundlichen Grüßen

Oskar Durstin

RiVer Consulting GmbH