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1. Februar 2022
Wann erfolgen Maßnahmen zur Nachbearbeitung rechtzeitig?
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Wann erfolgen Maßnahmen zur Nachbearbeitung rechtzeitig?

Das LG Mönchengladbach musste sich mit der Frage auseinandersetzen, innerhalb von welchem Zeitraum Versicherer Nachbearbeitungsmaßnahmen ergreifen müssen, um weiter Provisionsrückforderungen stellen zu dürfen. Rechtsanwältin Michaela Ferling erläutert den Fall.

Das Thema Provisionsrückforderungen ist seit vielen Jahren Gegenstand gerichtlicher Verfahren. Ebenso lange werden die Voraussetzungen begründeter Provisionsrückforderungsansprüche insbesondere im Hinblick auf die Darlegung und den Nachweis qualifizierter Nachbearbeitungsmaßnahmen spezifiziert. In dem nachfolgenden Sachverhalt hatte das Landgericht (LG) Mönchengladbach zur Frage der Rechtzeitigkeit der Nachbearbeitungsmaßnahmen zu entscheiden.

Der Sachverhalt

Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen und verlangt von dem Beklagten, der als selbstständiger Handelsvertreter tätig war, nicht verdiente Provisionen zurück. Auf der Grundlage des Handelsvertretervertrages erhielt der Beklagte für eine erfolgreiche Vermittlungstätigkeit Abschlussprovisionen, die diskontiert wurden. Sofern es zu Stornierungen der vermittelten Versicherungsverträge kam, wurde in Abhängigkeit der jeweiligen Beitragszahlungsdauer die diskontiert ausgezahlte Abschlussprovision anteilig auf dem Provisionskonto rückbelastet.

Unter anderem erhielt der Beklagte im Jahr 2015 für einen Versicherungsvertrag eine diskontiert ausgezahlte Abschlussprovision i. H. v. 25.920 Euro. Für den vermittelten Vertrag bestand eine Stornohaftzeit von 60 Monaten.

Versicherungsnehmerin kündigt Vertrag

Mit Schreiben vom 06.11.2017 beantragte die Versicherungsnehmerin eine Reduzierung des monatlichen Beitrags auf 50 Euro. Mit weiterem Schreiben, nämlich vom 29.12.2017, erklärte sie die Kündigung. Die Kündigung enthielt zudem die Ankündigung, weitere Abbuchungen würden nicht mehr bezahlt und von weiteren Kontaktaufnahmen solle abgesehen werden.

Verhandlungen um Beitragsreduzierung

Mit dem vorgenannten Schreiben überschneidend wurde der Versicherungsnehmerin ein Angebot zur Beitragsreduzierung übermittelt. Dieses lehnte die Versicherungsnehmerin ab und gab an, dass sie lediglich bereit sei, einen Betrag von monatlich 50 Euro zu zahlen. Daraufhin wurde der Versicherungsnehmerin mit Schreiben vom 31.01.2018 ein erneutes Angebot zur Beitragsreduzierung übermittelt, welches eine monatliche Beitragszahlung von 50 Euro beinhaltete und letztlich von ihr mit Schreiben vom 06.02.2018 angenommen wurde.

Hinsichtlich des erstgenannten Versicherungsvertrages wurde das Provisionskonto i. H. v. 13.824 Euro rückbelastet. Nach einer Teilverrechnung mit dem auf dem Stornoreservekonto befindlichen Guthaben ergab sich ein Debetsaldo zulasten des Beklagten i. H. v. 12.278,04 Euro, das in der Provisionsabrechnung für Mai 2018 ausgewiesen wurde.

Klage vor dem LG Mönchengladbach

Die Klägerin beantragte schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung, den Beklagten auf Rückzahlung zu verurteilen, der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Das LG Mönchengladbach hat die Klage erstinstanzlich abgewiesen und darauf hingewiesen, dass ein solcher Anspruch sich nicht bereits daraus ergebe, dass der Beklagte die Provisionsabrechnungen nicht beanstandet hat, weil aus einem untätigen Verhalten des Handelsvertreters nicht gefolgert werden kann, dass ein Einverständnis mit den Provisionsabrechnungen bestehe und hieraus ein Anerkenntnis, keine weiteren Ansprüche zu haben, folge.

Die Klägerin könne sich auch nicht auf einen Rückzahlungsanspruch gemäß § 87 Abs. 3 S. 2 HGB, § 87 Abs. 2 HGB berufen. Zwar seien diese Versicherungsverträge nicht wie abgeschlossen ausgeführt worden, die Nichtausführung beruhe jedoch auf Umständen, die die Klägerin zu vertreten habe. Ein Vertretenmüssen der Nichtausführung sei dann gegeben, wenn der Versicherer seiner Nachbearbeitung nicht bzw. nicht hinreichend nachkomme.

Keine hinreichende Nachbearbeitung

Das Landgericht Mönchengladbach vertrat dabei die Auffassung, dass keine hinreichende Nachbearbeitung bezüglich des erstgenannten Versicherungsvertrages vorgenommen worden sei, obwohl eine Pflicht zur Nachbearbeitung bestanden hätte. Bei dem vorliegenden Vertrag habe die Versicherungsnehmerin eine Beitragsreduzierung verlangt. Auch bei einer Beitragsreduzierung sei der Versicherer zu einer Nachbearbeitung verpflichtet. Auch scheide eine Pflicht zur Nachbearbeitung nicht deshalb aus, weil die Klägerin dargelegt habe, die Versicherungsnehmerin sei aufgrund einer Trennung in finanziellen Schwierigkeiten gewesen. Es sei zwar zutreffend, dass eine Pflicht zur Nachbearbeitung ausscheide, wenn entsprechende Versuche von vornherein aussichtslos erscheinen. Ein solcher Fall habe aber hier nicht vorgelegen, denn es sei anerkannt, dass eine Nachbearbeitung dann als aussichtslos einzustufen sei, wenn der Versicherungsnehmer zahlungsunfähig sei, ein Umstand, der jedoch nicht behauptet wurde. Finanzielle Schwierigkeiten alleine führten noch nicht von vornherein zu einer Aussichtslosigkeit der Nachbearbeitung, insbesondere auch deshalb, weil die Klägerin über die finanziellen Verhältnisse erst viel später Erkenntnis erhalten haben will.

Nachbearbeitung zu spät erfolgt

Die von der Klägerin vorgenommenen Nachbearbeitungsmaßnahmen seien schließlich zu spät erfolgt. Eine Nachbearbeitung habe grundsätzlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu erfolgen und zwar auch dann, wenn der Versicherer sich selbst zur Nachbearbeitung entscheidet. Hintergrund sei, dass mit zunehmendem Zeitablauf die Aussichten auf eine Rettung des Vertrages sinken. Vorliegend sei das Schreiben der Versicherungsnehmerin am 07.11.2017 bei der Klägerin eingegangen. Vorgetragen habe die Klägerin lediglich, dass die Kontaktaufnahme mit der Versicherungsnehmerin erstmalig am 14.12.2007 und damit mehr als fünf Wochen nach Eingang der Mitteilung der Versicherungsnehmerin erfolgt sei. Dies sei zu spät. Soweit die Klägerin darüber hinaus behauptet, dass bereits am 14.11.2017 das Schreiben der Versicherungsnehmerin an die zuständige Geschäftsstelle weitergeleitet wurde, welche unverzüglich eine Kontaktaufnahme versucht habe, sei vollkommen unklar, was unter einer „unverzüglichen“ Kontaktaufnahme zu verstehen sei, da die Rechtsprechung unter dem Begriff „unverzüglich“ ein Handeln „ohne schuldhaftes Zögern“ und damit einen Zeitraum von typischerweise zwei Wochen verstehen würde. Allerdings wäre auch diese Kontaktaufnahme zu spät, denn es wären seit Absendung der Mitteilung der Versicherungsnehmerin damit ebenfalls mehr als drei Wochen vergangen. Unabhängig davon könne auch ein einzelner, erfolgloser Kontaktversuch keine ordnungsgemäße Nachbearbeitung darstellen.

Fazit

Das LG Mönchengladbach greift das Thema Rechtzeitigkeit der Nachbearbeitung mit seinem Urteil auf und erläutert äußerst ausführlich, welche Voraussetzungen an die Rechtzeitigkeit zu stellen sind. Klar wird, dass sich der Versicherer mit der Nachbearbeitung „keine Zeit“ lassen darf.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Bild: © Li Ding – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Michaela Ferling