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Steuern & Recht
11. November 2021
Wann muss Krankenkasse für Kinderwunschbehandlung zahlen?
Laboratory microscopic research of IVF (in vitro fertilization). Digital illustration.

Wann muss Krankenkasse für Kinderwunschbehandlung zahlen?

Gesetzliche Krankenkassen müssen gleichgeschlechtlichen Paaren keine Kinderwunschbehandlung bezahlen. Das hat das Bundessozialgericht in einem aktuellen Urteil entschieden und auf auf den Unterschied zwischen der Verwendung von Samenzellen des Ehepartners bzw. von Spendersamen hingewiesen.

Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, eine Kinderwunschbehandlung unter Verwendung von Spendersamen – eine sogenannte heterologe Insemination – vorzusehen. Als Krankenbehandlung und damit den Leistungen der Krankenversicherung zuzurechnen sind medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Absatz 1 Nummer 4 SGB V nur dann, wenn ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden (sogenannte homologe Insemination).

Krankenkasse kommt für Kosten von krankheitsähnlichem Unvermögen auf

Zum Hintergrund erläutert das Bundessozialgericht (BSG), das in einem konkreten Fall nun geurteilt hat, Folgendes: Die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt einer weitreichenden Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers. Das heißt, der Gesetzgeber hat das Vorrecht, über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer bestimmten gesetzlichen Regelung zur Erreichung eines legitimen Ziels letztverbindlich zu entscheiden. Im oben genannten Paragrafen wird von einer grundsätzlich bestehenden Zeugungsfähigkeit des Ehepaars ausgegangen, die durch die künstliche Befruchtung unterstützt werden soll. Die Vorschrift erkennt zwar als soziale Komponente die Erfüllung des Kinderwunsches innerhalb einer bestehenden Ehe als Behandlungsziel an; sie knüpft darüber hinaus jedoch den Leistungsanspruch an das krankheitsähnliche Unvermögen – bei eingeschränkter, aber nicht aufgehobener Zeugungsfähigkeit – Kinder auf natürlichem Weg in der Ehe zu zeugen.

Da die gesetzliche Krankenversicherung im Wesentlichen auf die Krankenbehandlung ausgerichtet ist, ist es laut BSG gerechtfertigt, dass auf diese individuelle krankheitsähnliche Komponente abgestellt wird.

Zeugungsbiologische Grenzen müssen nicht von gesetzlicher Krankenversicherung ausgeglichen werden

Im konkreten Fall hatte eine in gleichgeschlechtlicher Ehe lebende Frau geklagt und wollte damit statt der bloßen Überwindung einer krankheitsähnlichen Situation eben die Kompensation der in ihrer Eheform überhaupt nicht bestehenden Zeugungsfähigkeit mittels heterologer Insemination auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse erreichen.

Laut BSG zwingt aber auch die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe nicht zu einer anderen Bewertung des Falls. Denn der Gesetzgeber wollte hiermit zwar die gleichgeschlechtliche Ehe an die gemischtgeschlechtliche Ehe angleichen. Aus diesem Anliegen folgt laut BSG aber nicht zwangsläufig die Pflicht, die zeugungsbiologischen Grenzen einer solchen Ehe mit Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung auszugleichen. (ad)

BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 7/21 R

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