Interview mit Thomas Meinke, Investment Direktor, und Lukas Schneider, Niederlassungsleiter und Vizepräsident bei Dimensional Fund Advisors Deutschland
Die Zinswende „nach unten“ steht nun bevor. Was sagt der wissenschaftliche Investmentansatz zur bevorstehenden Phase der Zinssenkungen (wahrscheinlich ohne kommende Nullzinsperiode) am Markt?
Thomas Meinke: Es ist immer wieder erstaunlich, wie gut der Kapitalmarkt in der Lage ist, Geschehnisse wie erste Zinssenkungen vorab in den Anleihekursen einzupreisen. Selbst wenn man eine Kristallkugel hat und weiß, dass die Zinsen am nächsten Tag gesenkt werden, heißt das noch lange nicht, dass man daraus einen Vorteil erzielen kann. So sind die deutschen Zinsen bspw. kürzlich sogar leicht gestiegen, als die EZB den Leitzins senkte. Aber auch längerfristig preisen Märkte zukünftige Entwicklungen effektiv ein.
Das zeigt sich etwa an zehnjährigen amerikanischen Staatsanleihen, deren Renditen seit 1983 Dimensional untersucht hat. Diese sind seitdem bei jeder dritten Leitzinssenkung sogar gestiegen. Das zeigt die vorausschauende, zukunftsgerichtete Perspektive des Kapitalmarkts.
Die Finanzwissenschaft versucht schon lange, hier eine verlässliche Kristallkugel zu finden, die man aber noch nicht gefunden hat. Es gibt aber auch verlässliche Ansätze, die wissenschaftlich fundiert sind und bei denen man im Anleihen- und Aktienbereich Renditen verdienen kann, ohne seine Investmentstrategie auf die Zinswette auszurichten – und auf diese setzen wir.
Der Markt ist zunehmend abhängig von geopolitischen Ereignissen. Beschäftigen auch Sie sich inhouse mit geopolitischen Risiken?
Thomas Meinke: Nicht explizit in unserer Forschung. Wir sehen, dass geopolitische Ereignisse und Risiken als globaler Investor dazugehören, denken aber, dass man auch hier nicht wirklich schlauer sein kann als der Markt, geschweige denn schlauer sein muss als der Markt. Es ist nahezu unmöglich, den Zeitpunkt solcher Krisen vorherzusagen und jetzt diejenigen Unternehmen oder Bereiche im Kapitalmarkt zu identifizieren, die von solchen Krisen betroffen sein können – schon alleine, weil viele Unternehmen international tätig sind.
Lukas Schneider: Wir stellen fest, dass sich viele Finanzberater von Themen wie geopolitischen Risiken sehr stark beeinflussen lassen und angesichts solcher Prognosen selbst den Drang verspüren, Portfolioanpassungen vorzunehmen wie Regionen auszuschließen oder Timing-basierte Entscheidungen zu treffen.
Tatsache ist aber: Strategische Asset-Allokation und Buy-and-Hold sind nach wie vor der verlässlichste Weg, um Renditen einzusammeln.
Wie lässt sich der wissenschaftliche Ansatz, in dem auch vergangene Performance untersucht wird, mit dem Grundsatz vereinbaren, dass sie nichts über zukünftige Kursverläufe aussagt?
Thomas Meinke: Wichtig ist zu wissen, wie eigentlich gute Forschung durchgeführt wird. Die Empirie spielt natürlich eine wichtige Rolle. Aber gute Forschung zeichnet sich eigentlich dadurch aus, dass man sie auf einem robusten theoretischen Fundament aufsetzt. In der Empirie kann man vieles über Data Mining herausfinden, u. a. über mehr als 300 Faktoren, die in irgendeiner Form Rendite erklären. Man sollte jedoch zunächst auf theoretischer Basis überlegen, warum eine bestimmte Faktorprämie mehr Rendite liefern sollte. Und diese Überlegungen müssen sinnhaft und schlüssig sein.
Ein Beispiel: Ergibt es Sinn, dass Small Caps langfristig Large Caps outperformen? Wir sagen: Ja, weil es dort gewisse unternehmerische Risiken gibt, die höher und nicht diversifizierbar über diese breite Small-Cap-Asset-Klasse sind. Und auf Basis solcher theoretischer Fundamente kann man derartige Faktorprämien erkennen.
Apropos: Dimensional wies kürzlich selbst auf die enorme Renditevarianz bei Small-Cap-Investments hin. Woher kommen die großen Renditeunterschiede?
Thomas Meinke: Zum einen haben wir bei der Untersuchung verschiedener Small-Cap-Indizes festgestellt, dass die jeweiligen Indexregeln zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dies wird durch die breitere Renditeverteilung innerhalb der Small Caps verstärkt.
Zum anderen gibt es im Small-Cap-Markt diverse Segmente, die in den letzten knapp 50 Jahren eine starke Underperformance zu verzeichnen hatten und die es entsprechend zu vermeiden gilt. Das sind dann Unternehmen, die unprofitabel, aber teuer bewertet sind. Auch handelt es sich um Unternehmen, die ein aggressives Bilanzwachstum haben, etwa um das Doppelte pro Jahr. Das Problem hierbei: Wenn ein Unternehmen viel in sich selbst investierst, bleibt weniger für den Aktionär übrig. Und diese beiden Segmente sollte man ausschließen, weil sie den gesamten Small-Cap-Markt bei der Rendite nach unten ziehen – obwohl er grundsätzlich eine höhere Renditeerwartung haben sollte.
Seite 1 Warum in passiven Investments aktive Entscheidungen stecken
Seite 2 Wie sollte man als Anleger hier am besten fahren? Sollten Berater sich ob der Komplexität überhaupt mit Small Caps befassen?
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