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Steuern & Recht
7. März 2023
Was bedeutet das Equal-Pay-Urteil für Unternehmen?

Was bedeutet das Equal-Pay-Urteil für Unternehmen?

Kürzlich erhielt eine Frau vor Gericht Recht, die gleichen Lohn für gleiche Arbeit einforderte. Was könnte das für die Arbeitswelt – auch für kleine Betriebe – bedeuten? Smaro Sideri, Fachanwältin für Arbeitsrecht, erklärt zum heutigen Equal Pay Day das Urteil und dessen Auswirkungen.

Interview mit Smaro Sideri, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht sowie Referentin für arbeitsrechtliche Seminare und Workshops
Frau Sideri, was ist die zentrale Botschaft des Gerichts in seinem Urteil vom 16.02.2023 an Beschäftigte und Arbeitgeber?

Die zentrale Botschaft ist, dass für die gleiche Arbeit der gleiche Lohn zu bezahlen ist – unabhängig vom Geschlecht, sofern es für eine bessere Bezahlung keine nachweisbaren qualitativen Unterschiede gibt.

In dem Fall erhielt die Klägerin ihr Gehalt plus eine Entschädigungszahlung. Wenn das nun viele Frauen in einem Unternehmen betrifft, wird das ganz schön teuer, oder?

Ja, das kann teuer werden, wenn der Arbeitgeber Männern für die gleiche Arbeit „einfach so“ mehr bezahlt.

In den Medien wurde groß darüber berichtet. Aber ist es tatsächlich ein wegweisendes Urteil, wie oft behauptet wird?

Es gab auch schon vorletztes Jahr im Januar 2021 ein Vorgängerurteil, das eigentlich den Weg für diese Entscheidung geebnet hat. Denn dort wurde entschieden, dass es grundsätzlich eine Vermutung für eine Geschlechterdiskriminierung ist, wenn eine Frau weniger als vergleichbare Kollegen verdient. Diese Vermutung müsste der Arbeitgeber widerlegen, ansonsten muss er die Differenz ausgleichen.

Das aktuelle Urteil baut darauf auf und ebnet damit tatsächlich den Weg für weitere Klagen in diese Richtung. Wobei es einer Klage nicht bedarf, wenn der Arbeitgeber von sich aus ausgleicht.

Oder kommt es am Ende doch eher auf den Einzelfall an?

Jeder Fall ist ein Einzelfall. Denn je nach Fall kann es berechtigte sachliche Kriterien geben für eine bessere Bezahlung von männlichen Kollegen. Diese Kriterien kann der Arbeitgeber dann anführen, sodass in solchen Fällen keine Entschädigung und Ausgleichszahlung erfolgen.

Was bedeutet das Urteil generell für Gehaltsverhandlungen zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber?

Möglicherweise werden Arbeitgeber bei vergleichbaren Tätigkeiten mehr darauf achten, inwiefern eine Gehaltserhöhung allein auf dem Verhandlungsgeschick beruht.

Verhandeln von nun an Männer, wenn sie ihr eigenes Gehalt verhandeln, für die Frauen im Unternehmen mit oder eben umgekehrt?

In der Regel verhandelt jeder für sich selbst und normalerweise, indem er oder sie aufzeigt, welche besonderen Leistungen er oder sie erbracht hat.

Welche Auswirkungen könnte das in der Praxis nun z. B. für ein Maklerbüro haben?

Die Auswirkungen dieses Urteils können nun auch für kleine Betriebe wie ein Maklerbüro eine Rolle spielen. Denn bisher hat ein Auskunftsanspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz nur Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten betroffen. Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und nach der Begründung dieses Urteiles ist unabhängig von der Betriebsgröße.

Wer könnte sich alles auf dieses Urteil berufen? Würde es z. B. auch umgekehrt gelten, also wenn Männer weniger verdienen als ihre Kolleginnen?

Der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gilt natürlich für alle Geschlechter. Nur ist aufgrund des belegten Gender Pay Gaps eine Vermutung für eine Geschlechterdiskriminierung gerichtlich nur bei einer geringeren Vergütung der Frauen entschieden.

Heißt das, man wird in einer Abteilung bald nur noch Menschen finden, die das gleiche Gehalt bekommen, sofern sie in etwa die gleichen Qualifikationen haben?

Grundsätzlich ist das das Ziel der gesetzlichen Regelungen aus dem Entgelttransparenzgesetz und dem AGG, eben: Equal Pay.

Und wie realistisch ist es, dass Frauen dies tatsächlich überall einfordern?

Es ist alles andere als realistisch, denn die gerichtliche Geltendmachung einer Lohndifferenz trauen sich viele nicht. Zudem haben viele Frauen auch gar nicht die Kenntnis darüber, wie viel die Kollegen verdienen und ein Recht auf Auskunft sieht das Gesetz in Betrieben unter 200 Beschäftigten bislang nicht vor. Zudem gehen nur wenige den Prozessweg über mehrere Jahre ein, wie im aktuellen Fall des Bundesarbeitsgerichts.

Im Lichte des Urteils: Wird der Equal Pay Day womöglich schon bald überflüssig?

Das wäre schön, ist aber in absehbarer Zeit aus meiner Sicht nicht realistisch. Dazu müssten die Unternehmen transparent mit den Gehältern umgehen. Das genaue Gegenteil ist in vielen Unternehmen der Fall.

Lesen Sie auch: Bundesarbeitsgericht: Equal Pay ist keine Verhandlungssache

Bild: © Smaro Sideri

 
Ein Interview mit
Smaro Sideri