Ein Artikel von Sabrina Bayer und Christian Küchler, Directors bei EY-Parthenon Corporate Strategy
In der heutigen dynamischen und komplexen Versicherungslandschaft stehen Maklerbüros vor zahlreichen Herausforderungen, die eine differenzierte Herangehensweise erfordern. Die zunehmende Komplexität der Produkte, der wachsende Wettbewerb und die sich ständig ändernden Kundenbedürfnisse stellen die traditionelle Arbeitsweise vieler Maklerunternehmen infrage. Vor diesem Hintergrund wird die Frage nach der Spezialisierung immer relevanter.
Grenzen des Generalisten-Modells und steigende Kundenansprüche
Ein großer Teil der Maklerbüros in Deutschland arbeitet nach dem Generalisten-Modell, das es ihnen ermöglicht, eine breite Kundenbasis anzusprechen. Doch diese Herangehensweise hat ihre Grenzen, insbesondere wenn es darum geht, spezifischeren Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden. Die allgemeine Beratung führt oft zu Standardlösungen, während Kunden zunehmend maßgeschneiderte Lösungen verlangen. In einer Zeit, in der Informationen leicht zugänglich sind und Kunden gut informiert sind, reicht dies jedoch teilweise nicht mehr aus. Vielmehr verlangen Kunden von ihrem Makler eine tiefere Expertise und ein umfassendes Verständnis ihrer spezifischen Risiken und Anforderungen.
Digitalisierung als Herausforderung und Chance
Technische Möglichkeiten tragen zur Kommodifizierung der Kerndienstleistung eines Versicherungsmaklers – der Beratung – bei. Im Privatkundensegment können bereits große Teile der Bedarfsermittlung, Beratung und Dokumentation mit einem hohen Automatisierungsgrad erfolgen. So können beispielsweise digitale Tools und Plattformen die Erfassung von Kundendaten und die Erstellung von Angeboten erheblich beschleunigen. Ähnliche Tendenzen lassen sich im Kleingewerbesegment beobachten, wo u. a. digitale Ausschreibungsplattformen, Chatbots zur Kundenkommunikation oder Kundenportale mit der Möglichkeit der digitalen Schadenmeldung Prozesse automatisieren und die Effizienz steigern sowie die Notwendigkeit einer persönlichen, individuellen Beratung verringern. Der technische Fortschritt nimmt strategische Differenzierungsmöglichkeiten.
Viele Geschäftsmodelle – insbesondere im Gewerbe- und Industriekundensegment – sind heute entweder nur sehr eingeschränkt technisch unterstützt oder basieren auf veralteter Technologie. Eine Modernisierung ist zwingend erforderlich, um den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. Die vorherrschende Tendenz, „alles für jeden zu sein“, macht die Beschaffung und Entwicklung eines skalierbaren Technology-Stacks jedoch in der Praxis fast unmöglich. In der Konsequenz wird auch hier kein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil generiert. Eine Modernisierung der Technologie ist daher entscheidend, um im Wettbewerb bestehen zu können. Makler, die nicht in moderne Technologien investieren, riskieren, von agilen, spezialisierten Wettbewerbern überholt zu werden, die ihre Dienstleistungen effizienter und kundenorientierter anbieten können. Spezialisierung kann hierbei der Lösungsweg sein.
Spezialisierung als strategischer Vorteil
Ein Spezialmakler ist dabei entweder auf eine klar definierte Kundenzielgruppe oder auf ein bzw. wenige klar definierte Produktespezialisiert. Dies bedeutet oft ein starkes Zuschneiden des Vertriebs und in manchen Nischen zudem eine stark spezialisierte Betriebs- und Schadenbegleitung. Per Definition liefert Spezialisierung hohe strategische Klarheit. Die Kundenbedürfnisse sind herausgestellt, die Value Proposition ist eindeutig und das Betriebsmodell kann optimal technologisch unterstützt werden. Dies führt zu überdurchschnittlicher Profitabilität, höheren organischen Wachstumsraten, stärkeren Kundenbindungen und damit zu schwer überwindbaren Markteintrittsbarrieren für Generalisten.
Eine differenzierte, expertenbasierte Value Proposition führt zu stabileren Kundenbeziehungen. Spezialmakler verstehen die Branchen und Risiken ihrer Kunden tiefgehend, was es ihnen ermöglicht, maßgeschneiderte Deckungen und Beratungsdienstleistungen anzubieten. Diese Expertise führt zu einer höheren Kundenbindung und einer besseren Möglichkeit, zusätzliche Produkte zu verkaufen.
Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus zeigt, dass eine fokussierte Differenzierungsstrategie eine sich auszahlende Strategie sein kann. Studien und Branchenerfahrungen untermauern, dass spezialisierte Makler oft höhere EBITDA-Margen erzielen als ihre generalistischen Mitbewerber. Diese spezialisierten Makler konzentrieren sich auf Nischenprogramme oder spezifische Branchen, was ihnen Effizienz und Preissetzungsmacht verleiht.
Darüber hinaus zeigen Marktanalysen, dass spezialisierte Makler in der Lage sind, schneller wachsende oder unterversorgte Marktsegmente zu erschließen, was zu überdurchschnittlichem Wachstum führt. Diese spezialisierten Unternehmen werden häufig als Experten in neuen Risikobereichen wie M&A-Versicherungen oder speziellen Leistungen anerkannt, was zu einer Steigerung des Geschäfts führt. Dies wird teilweise durch Aktivitäten wie Verbandsarbeit unterstützt. Studien zeigen, dass Makler mit einem speziellen Fokus und starker Ausführung in den letzten Jahren ein organisches Umsatzwachstum erzielt haben, das teilweise zweistellige Wachstumsraten pro Jahr aufwies und die üblichen branchenweiten Wachstumsraten in einem schwierigeren Markt übertraf.
Erfolgreich durch klare Positionierung und kontinuierliche Anpassung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Spezialisierung im Maklerbüro sowohl Chancen als auch Herausforderungen bietet. Eine durchdachte Strategie, die sowohl die Spezialisierung als auch das Management der damit verbundenen Konzentrationsrisiken berücksichtigt, könnte in der sich wandelnden Versicherungslandschaft erfolgreich sein. Maßnahmen zur Bewältigung dieser Risiken umfassen den Aufbau von Cashreserven oder die Verfolgung einer Multi-Specialty-Strategie.
Die Fähigkeit, sich an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen und gleichzeitig eine tiefere Expertise in bestimmten Bereichen zu entwickeln, wird für Versicherungsmakler entscheidend sein, um in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Markt erfolgreich zu sein. Indem sie die Balance zwischen Spezialisierung und Flexibilität finden, können Makler nicht nur ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern, sondern auch langfristige, vertrauensvolle Beziehungen zu ihren Kunden aufbauen.
In diesem Kontext ist es wichtig, dass Makler kontinuierlich in ihre Weiterbildung investieren und sich über die Entwicklungen in der Branche informieren. Der Austausch mit anderen Fachleuten, sei es durch Netzwerke oder Fachverbände, kann wertvolle Einblicke und Best Practices bieten, die für die eigene Praxis von Nutzen sein können. Letztlich kann die Fähigkeit, sich an die sich ständig ändernden Marktbedingungen anzupassen und gleichzeitig eine klare Spezialisierung zu verfolgen, den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg in der Versicherungsbranche ausmachen.
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Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 06/2025 und in unserem ePaper.


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