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22. November 2022
In welchen Fällen darf ein Arzt Cannabis verschreiben?
Cannabis, marijuana and hemp products on court table with judges gavel. Illegal crime concept.
Cannabis, marijuana and hemp products on court table with judges gavel. Illegal crime concept.

In welchen Fällen darf ein Arzt Cannabis verschreiben?

Bei der Verordnung von Cannabis zur Krankenbehandlung gelten in Zukunft strenge Regeln. Krankenkassen dürfen eine derartige Verordnung nur dann genehmigen, wenn vom behandelnden Arzt eine umfassende Einschätzung der Notwendigkeit einer solchen Behandlung abgegeben wurde.

Spätestens als die Ampel-Regierung versprach, die Legalisierung von Cannabis zügig über die Bühne zu bringen, ist die Debatte darum ins Rampenlicht gerückt. So kommt es auch immer wieder zu Gerichtsprozessen um den legalen Konsum dessen. Der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel hat entschieden: Ein Arzt muss, um eine Krankenbehandlung mit Cannabis anordnen zu können, eine „besonders sorgfältige und umfassende Einschätzung“ bei der Krankenkasse abgeben. Ablehnen darf die Krankenkasse die Genehmigung dann nur in begründeten Ausnahmefällen.

Die Entscheidung des BSG basiert auf insgesamt vier Urteilen, die am 10.11.2022 gefällt wurden. In diesen sind auch die Voraussetzungen für die Genehmigung der Verordnung von Cannabisblüten durch Krankenkassen gemäß § 31 Abs. 6 im Sozialgesetzbuch V festgehalten.

Inhalt der Behandlung

Zum einen muss der Vertragsarzt der Krankenkasse den Inhalt der geplanten Verordnung mitteilen. Auch kann der Versicherte der Krankenkasse eine entsprechende Erklärung des Vertragsarztes übermitteln. Kerninformationen für die Kasse sind hierbei die Arzneimittelbezeichnung, die Verordnungsmenge und die Gebrauchsanweisung mit Einzel- und Tagesdosis und Anwendungsform.

Nur für schwerwiegende Krankheiten

Weiterhin besteht der Anspruch auf Versorgung mit Cannabis nach Auffassung des BSG nur zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung, d. h. wenn sie lebensbedrohlich ist, oder die Lebensqualität auf Dauer einschränkt. Lebensqualität steht hierbei für das Vermögen, die Befriedigung von Grundbedürfnissen selbst zu gewährleisten, soziale Beziehungen einzugehen und aufrechtzuerhalten sowie am Erwerbs- und Gesellschaftsleben teilzunehmen.

Der zum jeweiligen Zeitpunkt einzig mögliche Weg

Die Genehmigung einer Cannabis-Verordnung setzt außerdem voraus, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder „im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes nicht zur Anwendung kommen kann“, wie es in den Urteilen des BSG zu lesen ist. Die Erfolgschancen und Risiken von Therapiealternativen müssen durch den Arzt sorgfältig analysiert und abgewogen werden.

Aussicht auf Besserung

Schließlich muss durch die Behandlung mit Cannabis eine spürbar positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome prognostizierbar sein. Diese dürfe nicht zu weit in der Zukunft liegen.

Liegen die oben genannten Voraussetzungen vor, darf die Krankenkasse nach Auffassung des BSG die Genehmigung der Verordnung nur in begründeten Ausnahmefällen verweigern. Hierfür ist sie darlegungs- und beweispflichtig. Als Begründung gelten dann in erster Linie nichtmedizinische Gründe, wie z.B. die unbefugte Weitergabe des verordneten Cannabis an Dritte.

Ob eine Suchtmittelabhängigkeit der Verordnung von Cannabis entgegensteht, hat der Arzt im Einzelfall ebenfalls sorgfältig abzuwägen. Weiterhin haben Versicherte laut BSG nur Anspruch auf Versorgung mit dem kostengünstigsten Mittel, wenn mehrere Mittel gleich geeignet sein sollten. (mki)

BSG, Urteile vom 10.11.2022 – B 1 KR 21/21 R, B 1 KR 28/21 R, B 1 KR 9/22 R, B 1 KR 19/22 R

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