AssCompact suche
Home
Investment
30. Oktober 2022
Wide-Moat-Investments: Burggräben gegen unruhige Zeiten
Beautiful medieval castle and moat at sunrise with mist over moat and sunlight behind castle

Wide-Moat-Investments: Burggräben gegen unruhige Zeiten

Attraktiv bewertete Unternehmen mit einem „wirtschaftlichen Burggraben“, also nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen, können in Zeiten, in denen es an den Aktienmärkten volatil zugeht, ihre Stärken unter Beweis stellen. Martijn Rozemuller von VanEck erklärt, welche Rolle der Burggraben-Ansatz für Investoren spielt.

Ein Artikel von Martijn Rozemuller, CEO of Europe bei VanEck

Die drei großen Krisen – Corona, die russische Invasion in der Ukraine sowie die steigende Inflation – haben den Aktienmärkten zuletzt zu schaffen gemacht. Während die Corona-Pandemie jedoch mittlerweile weitestgehend eingepreist ist, sorgen der Krieg sowie vor allem die hohen Inflationsraten weltweit für Unsicherheit. Der Höhenflug, den vor allem Growth-Aktien in den vergangenen Jahren erlebt haben, scheint ein Ende gefunden zu haben, und Anleger suchen nun nach Unternehmen, die über robuste Geschäftsmodelle verfügen und sich durch Qualität auszeichnen. Das allein muss jedoch kein langfristiger Erfolgsfaktor sein – Geschäftsmodelle lassen sich schließlich kopieren und Produkte mit hoher Qualität auch von anderen Unternehmen herstellen. Anleger stehen damit vor der Herausforderung, jene Unternehmen zu identifizieren, die nicht nur für sich betrachtet Qualität bieten, sondern sich mit starken und langfristigen Wettbewerbsvorteilen auch von ihren Konkurrenten absetzen. Gerade in unsicheren Zeiten wie diesen zeigen sich solche Aktien als sehr robust.

Der erfolgreiche Star-Investor Warren Buffett hat hierzu den Begriff des „Economic Moat“ geprägt: Bildlich gesprochen ist das ein wirtschaftlicher Burggraben, mit dem sich ein Unternehmen aufgrund der Stärke seines Geschäftsmodells von seinen Konkurrenten abgrenzen kann und aufgrund seiner Marktstellung über eine starke Preissetzungsmacht verfügt. Damit kann es auch in wirtschaftlich unruhigen Zeiten wie etwa bei hohen Inflationsraten, wie wir sie aktuell weltweit sehen, einen guten Cashflow erwirtschaften und die eigene Rentabilität stärken.

Anzeichen eines Burggrabens

Anleger sollten auf diese fünf Aspekte achten, denn sie können einem Unternehmen einen solchen Economic Moat, also Wettbewerbsvorteil, verschaffen:

Wechselkosten

Wenn Kunden an das Ökosystem eines Unternehmens gebunden werden, verleiht dies dem Unternehmen Preismacht. Neben rein finanziellen Kosten kann auch ein hoher Wechselaufwand in Form von Arbeit, Zeit oder einer zu überwindenden psychologischen Hemmschwelle den Wettbewerbsvorteil ausmachen. Das Softwareunternehmen Salesforce beispielsweise bietet cloudbasierte Lösungen für eine erleichterte Kundengewinnung und -bindung. Ein Plattformwechsel wäre für Kunden mit einem hohen organisatorischen Risiko verbunden und die Einführung einer neuen Anwendung würde für sie mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand sowie Produktivitätseinbußen einhergehen.

Immaterielle Vermögensgegenstände

Diese sind nicht immer leicht zu quantifizieren. Es kann sich hierbei um Faktoren wie Markenbekanntheit, Patente oder Lizenzen handeln. Diese können verhindern, dass Wettbewerber Produkte kopieren, oder einem Unternehmen die Möglichkeit geben, hohe Preise zu verlangen. Starbucks beispielsweise ist ein führendes Einzelhandelsunternehmen für Kaffeespezialitäten. Der immaterielle Vermögenswert der Marke ermöglicht in Kombination mit bedeutenden Größenvorteilen Premium-Preise und das Unternehmen kann sein Konzept mit der weithin anerkannten Marke weltweit erfolgreich replizieren.

Netzwerkeffekte

Hierbei steigert sich der Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung, wenn es oder sie von mehr Menschen benutzt wird. Beispiel Alphabet: Das Technologieunternehmen profitiert stark vom Netzwerkeffekt seiner Produkte wie etwa der Google-Suchmaschine, dem Smartphone-Betriebssystem Android, Google Maps oder YouTube. Google ist die weltweit meistgenutzte Suchmaschine und durch seine Nutzer ist ein Netzwerk entstanden, das für andere Unternehmen nur sehr schwer zu replizieren ist.

Kostenvorteile

Unternehmen, die in der Lage sind, Produkte oder Dienstleistungen zu niedrigeren Kosten als ihre Wettbewerber zu produzieren, können oft zum gleichen Preis wie ihre Konkurrenten verkaufen, einen zusätzlichen Gewinn erzielen oder ihre Wettbewerber unterbieten. So hat beispielsweise die weltweit größte Brauerei, Anheuser-Busch, durch ihre Größe in Südamerika und Afrika eine enorme Verhandlungsmacht und profitiert gleichzeitig von durchschnittlich niedrigen Produktionskosten, was einen erheblichen Wettbewerbsvorteil darstellt.

Skaleneffekte

Potenzielle neue Wettbewerber haben wenig Anreiz, in einen Markt von begrenzter Größe einzusteigen, weil dadurch der branchenweite Ertrag unter die Kapitalkosten sinken würde. Der integrierte Energieversorger Dominion Energy Inc. bietet Stromerzeugung, Erdgasfernleitung, Erdgasspeicherung und Pipelines für den Transport und die Distribution von Erdgas sowie Übertragungs- und Verteilungsleitungen für Elektrizität. Mit dem Bau von Pipelines verschafft sich das Unternehmen eine starke Marktstellung, denn: Wenn eine Pipeline erst einmal gebaut ist, gibt es wenig Anreize für den Markteintritt eines Wettbewerbers.

Einzelaktien bleiben auch mit Burggraben riskant

So breit der Burggraben jedoch auch sein mag: Das Einzelaktienrisiko können selbst Unternehmen mit starken Wettbewerbsvorteilen nicht vollständig ausgleichen. Um Risiken zu streuen, ist es aus Anlegersicht sinnvoll, über einen Portfolioansatz in eine breite Auswahl an Unternehmen zu investieren, die über einen Burggraben verfügen. Eine Möglichkeit dazu sind ETFs von VanEck, die genau diese Strategie in einer US- und einer globalen Variante widerspiegeln. Doch auch hier bleibt das Aktienmarktrisiko bestehen: Fällt der gesamte Aktienmarkt, dürften auch die Kurse der Wide-Moat-Titel zurückgehen. VanEck hat derzeit 71 Positionen in seinem global investierenden Wide-Moat-Portfolio – das sind mehr als in vielen anderen aktuellen Themen-ETFs stecken. Dennoch bleibt auch hier ein Konzentrationsrisiko bestehen. Und wie bei Investitionen in internationale Werte üblich, besteht auch ein Fremdwährungs­risiko: Davon betroffen ist jeder Anleger, der Investitionen in einer Fremdwährung tätigt – also etwa ein deutscher Anleger, der eine US-Aktie kauft. Doch die Kehrseite des Risikos ist die Rendite. Und wie Warren Buffet schon sagte: „Risiko entsteht dann, wenn Anleger nicht wissen, was sie tun.“

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 10/2022, S. 58 f., und in unserem ePaper.

Bild: © veneratio – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Martijn Rozemuller