Ein Artikel von Jens R. Rautenberg, Geschäftsführer der Conversio Gruppe
Die Conversio Gruppe analysiert die Wohnimmobilie als Finanzprodukt für den Einzelvertrieb an Privatanleger seit über 15 Jahren – und die Quote der tatsächlich dafür geeigneten Immobilien scheint niedriger als jemals zuvor: In den Jahren bis 2018 war noch etwa jede vierte der Conversio vorgelegten Immobilienprojekte geeignet (25%). Im Jahr 2019 sank die Quote auf 20%, 2020 auf 19%. Im Jahr 2024 schließlich lag sie sogar nur noch bei knapp 15%. Die genannten Quoten beziehen sich auf Denkmal, Neu- und Bestandswohnimmobilienangebote von Bauträgern oder Aufteilern, die (vermeintlich) vertriebsfertig sind und bei uns in die Erstanalyse gehen sowie anschließend von uns auch im Vertrieb begleitet werden sollen. Nicht gemeint sind reine Consultingaufträge, bei denen der Auftraggeber meist schon eine Vorabanalyse durchgeführt hat. Wenn wir dort einsteigen, ist die Quote höher.
Keine Schrottimmobilien
Die oben gemachte Unterscheidung ist wichtig – denn die sinkende Quote in der Erstprüfung heißt eben nicht, dass es in Deutschland eine Rückkehr in die schlimme Phase der Schrottimmobilien gibt, die leider die Nachwendezeit prägten und immer noch (längst zu Unrecht) das Image der Finanzvertriebe beeinflusst. Die sinkende Quote in der Erstprüfung geht vielmehr auf die zunehmende Komplexität der Prüfung aufgrund einer Vielzahl an neuen staatlichen Eingriffen bzw. Vorgaben und den allgemein veränderten Immobilienmarkt zurück: Waren es vor zehn Jahren „nur“ rund 200 Einzelkriterien, die es zu prüfen galt, sind es mittlerweile rund 400. Denn die Welt dreht sich bekanntlich weiter – Themen wie Nachhaltigkeit oder Smart Home haben vor einer Dekade noch kaum eine Rolle gespielt. Heute kann Nachhaltigkeit bzw. fehlende Nachhaltigkeit verantwortlich dafür sein, dass eine Immobilie, die ansonsten die Grenze zur Eignung im positiven Sinne überschritten hätte, doch noch von Gelbgrün auf Gelb oder sogar Rot zurückrutscht. Die Sensibilität der Kaufinteressenten beispielsweise mit Blick auf den Energieausweis ist eine gänzlich andere als noch vor drei bis vier Jahren – jeder weiß heute: Ein gutes Ergebnis bedeutet weniger Nebenkosten und damit eine bessere Vermietbarkeit und eine höhere Kaltmiete.
Top-Produkte, die dennoch nicht passen?
Auch die Prüfung des jeweiligen Anbieters ist komplexer geworden: Heute gilt es, die Insolvenzrisiken eines Bauträgers viel höher zu gewichten als in den zurückliegenden Boomzeiten. Außerdem weichen viele Anbieter in der jüngeren Vergangenheit erstmals auf Felder aus, in denen sie bislang noch überhaupt keine Expertise aufweisen: seien es Aufteiler, die erstmals in die Neubauimmobilie, oder Bauträger, die erstmals in die Holzhybridbauweise gehen. Ganz zu schweigen von ehemaligen Vertrieblern, die nun eigene Denkmalprojekte auf den Markt bringen. Die Produkte selbst können top sein – aber wenn die steuerliche Abschreibung im Denkmalschutz falsch gewürdigt wird oder Bauverzögerungen durch mangelnde Erfahrung im Neubau für eine spätere Vermietbarkeit sorgen als geplant, kann das die Kalkulation des Erwerbs zunichte- und aus einem für ihn geeigneten Objekt ein ungeeignetes machen. Auch Mängel durch fehlende Erfahrung beim Holzhybridbau bereiten Probleme.
Höhere Zinsen fordern höhere Renditen
Außerdem geht die sinkende Quote auf die Finanzierungsrahmenbedingungen zurück: Bekanntlich sind die Zinsen höher als früher, wodurch auch die Renditeanforderung der Kaufinteressenten gestiegen sind. Vor dem Zinsschock haben bei Bestandsimmobilien oft 2% bis 2,5% Rendite genügt. Heute müssen es eher 3,5% bis 4% sein. Bei vielen Angeboten versuchen die Verkäufer aber noch die Preise aus der alten Welt zu erzielen. Hinzu kommen je nach Objekt die aus zu groß geplanten Wohnungen resultierenden hohen Ticketpreise: Im Neubau beispielsweise liegen diese häufig deutlich über 350.000 Euro. Selbst im Bestand ist der Markt voller Objekte, die über dieser Grenze liegen. Wir haben im vergangenen Jahr eine repräsentative Bevölkerungsumfrage gemacht: Nur 6% der Menschen konnten sich grundsätzlich vorstellen, mehr als 350.000 Euro für eine Kapitalanlagewohnung aufzubringen. Wenn man sich die Kapitaldienstfähigkeit der besagten 6% genauer ansehen würde, wäre sicherlich eine weitere (durchaus nochmals drastische) Reduzierung des Anteils die Folge.
Gelb muss nicht gleich gelb bleiben
Wichtig außerdem: Die eingangs genannte sinkende Quote bezieht sich, wie gesagt, auf die Erstprüfung. In vielen Fällen kann man anschließend dahingehend beraten, dass eine Immobilie, die unter der Eignungsgrenze liegt, durch vergleichsweise simple Modifikation der Planung doch noch über die Grenze gehoben wird. Oft genügt dafür bereits eine Umplanung der Grundrisse bzw. Wohnungsgrößen mit entsprechend dämpfender Wirkung auf die Ticketpreise. Aus Gelb wird Gelbgrün oder Grün. Auch beim Holzhybridbau lassen sich anfangs fragliche Objekte in durchaus geeignete Objekte umwandeln – indem entsprechende Witterungsschutzkonzepte eingeplant werden oder der Bauablauf inklusive der Schnittstellen im Vorfeld auf ein höheres Niveau gehoben wird, wo sämtliche Beteiligten für die Besonderheiten der Bauweise sensibilisiert sind und sich ihrer konkreten Verantwortung innerhalb der Gesamtaufgabe bewusst sind. Das mag selbstverständlich klingen, ist es aber leider auf deutschen Baustellen keinesfalls. Wenn man die Risiken prozessual in den Griff bekommt, können Holzhybridbauten sogar zu den top-nachgefragten Objekten zählen mit einer Vielzahl an Vorteilen – angefangen bei den starken Bauzeitverkürzungen bis zur besseren Qualitätssicherung dank der kontrollierten Umgebung bei der Werksfertigung der Holzelemente und Fertigbaumodule.
Ausblick
Künftig zu beobachten bleibt vor allem das Finanzierungsverhalten der Banken. Insbesondere bei kleinen, nachhaltigen und vom Staat über die KfW geförderten Wohnungen größer als 40 m2 sehen wir in der Praxis gegenwärtig unattraktive Fremdfinanzierungskonditionen, die sowohl vom Anbieter als auch vom Vertrieb mit eingepreist werden müssen. Viele Banken sind auch gänzlich unwillig, die entsprechenden Objekte zu finanzieren. Für die Anbieter und Vertriebe heißt das, dass sich die Vermarktungszeiträume durch die längere Suche der Käufer nach Finanzierungspartnern strecken kann. Das ist einerseits für die eigene Finanzplanung wichtig, betrifft aber je nach Fall auch Stichtage für Förderungen, die womöglich schwieriger zu halten sind – und bei einem Reißen die Vermarktung zusätzlich erschweren.
Lesen Sie auch: Nur 15% der Wohnimmobilien 2024 für Privatanleger geeignet
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 06/2025 und in unserem ePaper.

- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können