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17. April 2023
Wie stark sind Lebensversicherer in Anleihen investiert?
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Wie stark sind Lebensversicherer in Anleihen investiert?

Die hohen Bestände an niedrig verzinsten Anleihen einerseits und die steigenden Marktzinsen andererseits könnten für Spannungen in den Bilanzen der Lebensversicherer sorgen. Doch wie stark sind Versicherer in Anleihen investiert und von der Bildung stiller Lasten betroffen? AssCompact hat nachgefragt.

Die deutschen Lebensversicherer sind laut Analysehaus Assekurata stabil aufgestellt (AssCompact berichtete) – die gestiegenen Marktzinsen machen es möglich. Richtet man den Blick allerdings weg vom Solvency-II-Regime hin zur bilanziellen Rechnungslegung nach Handelsgesetzbuch, tritt ein neues Problem bei den Versicherern wie schon bei Banken auf: die Bildung stiller Lasten.

Zinswende beeinflusst Marktwert negativ

Denn das höhere Zinsniveau zieht die Kurse der niedrig verzinsten Anleihen im Bestand nach unten. Die Versicherer sehen sich mit einem deutlichen Marktwertverlust bei ihren Zinsanlagen wie Staatsanleihen konfrontiert. Und die hohen Bestände an niedrig verzinsten Anleihen einerseits und die steigenden Marktzinsen andererseits könnten für Spannungen in den Bilanzen der Lebensversicherer sorgen. Doch wie stark sind Lebensversicherer überhaupt in Anleihen investiert? Und inwiefern sind sie dadurch von der Bildung stiller Lasten betroffen? Dazu hat sich AssCompact an ausgewählte Lebensversicherer gewandt und um Einschätzungen gebeten.

Anleihen sind wichtiges Standbein des Kapitalbestandes

Da Anleihen als sichere und solide Kapitalanlage gelten, stellen sie bei den befragten Lebensversicherern eine wichtige Assetklasse dar. AXA Leben etwa spricht von einem substanziellen Anteil von Staats- und Unternehmensanleihen in der Bilanz, ohne allerdings Zahlen zu nennen. Konkreter wird man da schon beim VOLKSWOHL BUND Leben: Hier wurde auf AssCompact Anfrage mitgeteilt, dass Ende 2022 der Anteil an Staatsanleihen bei rund 28% des verwalteten Vermögens gelegen hat. Unternehmensanleihen seien etwa zu 6% im Portfolio vertreten. Eine ähnliche Größenordnung weist Allianz Leben auf: Hier wird das Kapital zu 21% in Staatsanleihen aus Industrieländern investiert. „Diese Anlagen bieten sehr stabile Erträge und sind unter Risiko-Rendite-Gesichtspunkten für die Altersvorsorge eine solide Basis“, erklärt Allianz Leben. Weitere 6% steckt Allianz Leben in Schwellenländeranleihen, die ein höheres Renditeniveau für Langzeitinvestoren wie Versicherer versprechen. Allerdings ist Allianz Leben mit 19% auch deutlich stärker in Unternehmensanleihen investiert, die angesichts ihres Renditeaufschlags gegenüber Staatsanleihen ein attraktives Risiko-Rendite-Profil bieten. Insgesamt entfallen damit bei Allianz Leben 46% des verwalteten Kapitals auf Anleihen. Von der LV1871 heißt es lediglich, dass man aufgrund seiner Finanzstärke deutlich unterdurchschnittlich im Vergleich zur Branche in Staats- und Unternehmensanleihen investiert sei.

Versicherer von der Bildung stiller Lasten betroffen

Bei der Frage nach der Betroffenheit durch die Bildung stiller Lasten geben sich die Versicherer insgesamt bedeckt. Unisono stimmen die befragten Versicherer aber zu, dass sie infolge des Zinsanstiegs von diesem Effekt betroffen sind. Bei der LV1871 heißt es, dass man dennoch über positive Nettobewertungsreserven über die gesamten Kapitalanlagen hinweg verfüge. VOLKSWOHL BUND erklärt, dass eine erfolgreiche Kapitalanlage sich grundsätzlich immer auch auf die Steuerung der passivseitigen Risiken beziehen sollte. Damit sei gemeint, dass im Idealfall die aktivseitigen stillen Reserven auf die passivseitigen Verpflichtungen abgestimmt sein sollten. Daher liegt beim VOLKSWOHL BUND der Fokus auf einem risikotechnischen Gleichklang von Aktiv- und Passivseite in der Bilanz. Und gegenwärtig hat das Abschmelzen der stillen Reserven auf der Aktivseite und die Bildung stiller Lasten auf der Passivseite keine nennenswerten Auswirkungen auf die Kapitalanlagestrategie des Versicherers.

Die Bildung stiller Lasten beläuft sich bereits auf 100 Mrd. Euro

„Durch den starken Zinsanstieg nach der jahrelangen Phase von Null- und Negativzinsen wirken sich die Zinsveränderungen nun auf die Bewertungsreserven unter anderem der festverzinslichen Anlagen aus, die von Allianz Leben bereits gehalten werden“, erklärt wiederum Allianz Leben. Für Allianz-Leben-Kunden bedeutet die gegenwärtige Entwicklung damit, dass sie bei Ablauf eines Vertrages mindestens mit dem Sockelbetrag für die Beteiligung an den Bewertungsreserven rechnen könnten, aber aktuell darüber hinaus – ungeachtet der aufgebauten Überschussbeteiligung inklusive Schlussüberschuss – keine weitere Beteiligung erfolge. Gegenwärtig kalkulieren die Analysten von Assekurata wiederum die Gesamthöhe der gebildeten stillen Lasten bei den Lebensversicherern auf rund 100 Mrd. Euro – was etwa 10% der Kapitalanlagen der deutschen Lebensversicherer entspricht. (as)

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